Streit um Justizreform:Botschafter zwischen den Fronten

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Israels Außenminister wirft dem deutschen Diplomaten Steffen Seibert eine Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Der Fall wirft ein Schlaglicht darauf, wie kompliziert die Beziehungen geworden sind.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Als Botschafter in Israel lässt Steffen Seibert kaum eine Gelegenheit aus, seine tiefe Verbundenheit mit dem Gastland zu bekunden. Auf der anderen Seite allerdings finden seine Gastgeber trotzdem ab und an eine Gelegenheit, Seiberts Auftreten in Israel scharf anzuprangern. Jüngstes Beispiel ist ein Protest des israelischen Außenministers Eli Cohen beim Auswärtigen Amt in Berlin, in dem Seibert eine Einmischung in Israels innere Angelegenheit vorgeworfen wird.

Unter Freunden ist das fast schon ein Eklat - und der Fall wirft ein Schlaglicht darauf, wie kompliziert und durchaus auch verworren die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel geworden sind, seit in Israel vor knapp neun Monaten die rechts-religiöse Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu gebildet worden ist.

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Denn ein Versuch der Bundesregierung, den Vorgang um Seibert am Montagmorgen noch herunterzuspielen und den Eingang einer offiziellen "Beschwerde" zu dementieren, wurde umgehend von israelischer Seite hinweggefegt. Der "Protest", so heißt es in einer Erklärung der israelischen Botschaft in Berlin, sei sowohl an Botschafter Seibert als auch ans Auswärtige Amt übermittelt worden.

Seibert nahm an der viel beachteten Anhörung zur Justizreform teil

Auslöser der Aufregung ist ein Video, das Seibert vorige Woche auf der Plattform X (vormals Twitter) gepostet hat. Er ist darin auf einer der hinteren hölzernen Bänke im Obersten Gericht zu sehen, als Zuschauer bei der viel beachteten Anhörung zur sogenannten Justizreform. Auf Hebräisch erklärt er in dem Clip den Grund für sein Kommen. "Ich denke, etwas Wichtiges passiert hier für Israels Demokratie", sagt er. "Wir als Freunde Israels schauen mit großem Interesse auf das Oberste Gericht. Das wollte ich mir ansehen."

Dass die Bundesregierung und auch viele andere westliche Freunde des jüdischen Staats die Regierungspläne zum Umbau der Justiz kritisch sehen, ist kein Geheimnis. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte dazu bereits im März bei einem Besuch von Premierminister Benjamin Netanjahu in Berlin ebenso deutlich Stellung genommen wie Justizminister Marco Buschmann bei einem Besuch in Israel. Die weit gespannte israelische Protestbewegung gegen die Regierungspläne fordert ausländische Regierungen sogar immer wieder dazu auf, Stellung zu beziehen. Nun aber nimmt das Außenministerium in Jerusalem die Teilnahme Seiberts an der öffentlichen Gerichtsanhörung offenkundig zum Anlass, ihrem Ärger darüber Luft zu machen.

In Berlin wird Seiberts Arbeit stattdessen gelobt

Der Bundesregierung blieb da zunächst nicht viel mehr, als sich in der Sache unmissverständlich hinter ihren Botschafter zu stellen. "Das Verfolgen politischer, auch innenpolitischer Entwicklungen im Gastland ist eine zentrale Aufgabe von Diplomatinnen und Diplomaten", hieß es. Seiberts Besuch beim Obersten Gericht wurde in der Bundespressekonferenz sogar als "exzellentes Beispiel" für eine solche gängige Praxis gelobt. Und weil man schon mal dabei war, wurde auch noch einmal grundsätzlich versichert, "dass unser Botschafter in Israel seine Arbeit ganz exzellent macht". Von New York aus stellte sich später am Tag sogar noch Kanzler Scholz persönlich hinter Seibert. "Der deutsche Botschafter ist ein sehr engagierter Mann mit sehr klaren Prinzipien", sagt er. "Ich glaube, dass das auch jeder weiß - auch in Israel."

Jeder jedoch weiß das dort offenkundig nicht, weshalb sich Seibert in einem zunehmend schwierigen Umfeld wiederfindet. Im Sommer hat das unter anderem schon dazu geführt, dass ein Empfang in der Botschaftsresidenz von einer Gruppe rechter Krawallmacher gestört wurde. Zuvor hatte sich Seibert persönlich im Jerusalemer Außenministerium deutliche Kritik daran anhören müssen, dass er an einer Gedenkveranstaltung teilnahm, bei der israelische und palästinensische Angehörige alljährlich gemeinsam der Opfer des Konflikts gedenken. Seibert verwies damals darauf, dass er nur als "Privatmann" dort gewesen sei.

Seibert wendet sich in seinen Videos in gutem Hebräisch an die Israelis

Die heftige Kritik an Seibert ist ungewöhnlich - und kommt in seinem Fall auch deshalb überraschend, weil ihm als langjährigem Regierungssprecher der in Israel verehrten Kanzlerin Angela Merkel bereits der Ruf vorausgeeilt war, ein besonders enger Freund des Landes zu sein. Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2022 hat er sich stets um positive Zeichen im deutsch-israelischen Verhältnis bemüht. Sichtbares Zeichen dafür ist nicht zuletzt sein Bemühen, sich in gutem Hebräisch an die Israelis zu wenden, die er in seinen Videos gern als "Chaverim", als Freunde anspricht.

Öffentliche kritische Äußerungen sind bei ihm eher rar. Viel öfter verteidigt er Israel gegen Anwürfe von außen, verurteilt palästinensische Terror- und Raketenangriffe oder iranische Drohungen. In einem Video, das er kurz vor seinem diesjährigen Sommerurlaub postete, dankte er den Israelis für ein "wundervolles" erstes Jahr, das er als Botschafter gehabt habe. Und er erklärte ihnen auch, was er in diesem Jahr von ihnen gelernt hat: "direkt zu sein" zum Beispiel, und "andere nicht durch Smalltalk zu langweilen".

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