Israel:Netanjahus historischer Kurztrip

Lesezeit: 3 min

Vorsichtige Annäherung: Israels Premier Benjamin Netanjahu (li.) mit Abdullatif al-Sajani, Außenminister von Bahrain. (Foto: Amos Ben Gershom/dpa)

Israels Premier reist nach Saudi-Arabien - und brüskiert mit der diplomatischen Offensive seinen Koalitionspartner Benny Gantz.

Von Moritz Baumstieger, München

Eine Bestätigung von Benjamin Netanjahu steht aus, doch alle Zeichen deuten darauf hin, dass Israels Premier einen historischen Kurztrip hinter sich gebracht hat: Ein Privatjet des Geschäftsmanns Ehud Engel, so berichten es israelische Medien, sei am Sonntag in Tel Aviv gestartet. Er flog in Richtung der Küstenstadt Eilat am Roten Meer und noch weiter nach Südosten. Bis zu dem Areal, auf dem Neom entstehen soll - eine Hightech-Stadt in der Wüste Saudi-Arabiens, eine Manifestation der Vision des Kronprinzen, mit der Mohammed bin Salman sein Land grundlegend umkrempeln und fit für die Zukunft machen will.

Nach übereinstimmenden Medienberichten saß Mossad-Chef Yossi Cohen mit Netanjahu in der Maschine, die beide bereits 2018 genutzt hatten, um nach Oman zu reisen. Der überraschende Besuch im Sultanat hatte jene Dynamik eingeleitet, die derzeit das arabisch-israelische Verhältnis verändert: Wohl seit Jahren bestehende Kontakte werden formalisiert. Im August verkündeten die Vereinigten Arabischen Emirate eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel, einen Monat später folgte Bahrain. Eine Absichtserklärung gibt es aus dem Sudan, das Sultanat Oman gilt weiter als Kandidat. Und natürlich auch: Saudi-Arabien.

Nahost
:Sudan normalisiert Beziehungen zu Israel

Damit geht innerhalb kurzer Zeit das dritte arabische Land diesen Schritt. US-Präsident Trump hatte darauf gedrungen.

Von Peter Münch

Die Trump-Regierung hat die Friedensschlüsse vermittelt

Dass die von der Trump-Regierung vermittelten Friedensschlüsse ohne Zustimmung des größten und ökonomisch wichtigsten Golfstaats möglich gewesen wären, bezweifeln sämtliche Beobachter. Und dass Mohammed bin Salman bei seiner Neuausrichtung des Königreichs sowohl eine wirtschaftlich-technologische Allianz mit Israel anstrebt als auch eine sicherheitspolitische zur Eindämmung des gemeinsamen Gegners Iran, ist ebenfalls kein Geheimnis.

Die ältere Garde um seinen greisen Vater, den zumindest formell noch regierenden König Salman, will Berichten zufolge jedoch keinesfalls als Verräter der palästinensischen Sache auffallen. So wiederholte Außenminister Prinz Faisal bin Farhan al-Saud noch am Wochenende die Sprachregelung, dass das Königreich "eine Normalisierung mit Israel seit langer Zeit unterstützt". Zuerst müsse es jedoch "einen permanenten und vollen Friedensschluss" mit den Palästinensern geben.

Während ein israelischer Minister das Treffen bestätigte, dementierte Farhan al-Saud am Montag, dass Netanjahu nach Neom kam. Dennoch rätseln Beobachter, ob in Riad eine neue Formulierung vorbereitet wird, ob das Königreich US-Präsident Donald Trump als Abschiedsgeschenk einen spektakulären diplomatischen Erfolg gewährt. Die berichtete Anwesenheit von US-Außenminister Mike Pompeo beim nächtlichen Treffen in der Wüste würde für eine solche Lesart sprechen, lässt aber auch einen anderen Schluss zu: Inhalt der Gespräche sei die Politik gegenüber Iran gewesen - in den kommenden Wochen wie in den kommenden Jahren.

Berichten zufolge dachte Trump über einen Militärschlag gegen Iran nach

Dass Trump in seinen letzten Tagen im Weißen Haus Teheran noch einmal empfindlich treffen will, gilt als ausgemacht. Berichten zufolge dachte er nicht nur über noch schärfere Sanktionen, sondern sogar über einen Militärschlag nach. Trump, Netanjahu und wohl auch Mohammed bin Salman sind zudem der Überzeugung, dass man es dem Wahlsieger Joe Biden möglichst schwer machen sollte, die harte Iran-Politik umzukehren und in das Atomabkommen zurückzukehren.

Völlig überrascht von der Reise Netanjahus wurde Israels Verteidigungsminister, wie schon bei den Deals mit den Emiraten und Bahrain. Benny Gantz, der mit seiner Partei Blau-Weiß zugleich größter Konkurrent und Koalitionspartner von Netanjahus Likud ist, hatte sich auf ein Treffen des Corona-Kabinetts am Sonntag eingestellt, das dann plötzlich verschoben wurde. Und Gantz dürfte der Alleingang Netanjahus noch aus einem anderen Grund getroffen haben: Er wollte eben gegen den Premier in die Offensive gehen.

Am Sonntag hatte sein Ministerium bekannt gegeben, eine dreiköpfige Kommission mit der Untersuchung des sogenannten "Fall 3000" zu beauftragen, in dem es um mögliche Korruption bei der Bestellung von U-Booten und Korvetten bei einem Konglomerat unter der Führung des deutschen Herstellers Thyssenkrupp geht. Netanjahu wurde vorgeworfen, das Geschäft gegen den Willen von Armee und Verteidigungsministerium durchgedrückt zu haben. Israels Generalstaatsanwalt hat in dieser Richtung ermittelt, den Premier aber nur als Zeugen befragt, nicht als Verdächtigen.

Ein Sprecher von Thyssen-Krupp teilte auf SZ-Anfrage mit, die internen Ermittlungen seien "vorläufig abgeschlossen und wir konnten keine konkreten Hinweise auf Korruption entdecken". In Israel habe man aber keine Untersuchungen vornehmen können. Bei entsprechenden Anfragen werde man die Kooperation mit den Behörden sowie mit der neu berufenen Kommission fortsetzen.

Die derzeitige Koalition droht zu zerbrechen

Diese soll ihren Bericht binnen vier Monaten vorlegen. Ein delikates Datum: Die derzeitige Koalition droht zu zerbrechen, der Streit über die Korruptionsermittlungen und ein bis Dezember notwendiger Haushaltsentschluss könnten zu einem Platzen des Bündnisses führen - genau wie der vermutete Unwillen Netanjahus, seinen Posten wie vereinbart zur Halbzeit der Legislaturperiode an Gantz zu übergeben.

In jedem der Fälle wären Neuwahlen wahrscheinlich, die wohl auf Ende März fallen würden - der Untersuchungsbericht käme also pünktlich zum Wahlkampffinale. Netanjahus Lager reagierte genervt auf die Ankündigung des Verteidigungsministers: "Gantz spielt politische Spiele, während der Premier Frieden schafft", twitterte ein Vertrauter des Premiers. Und lieferte damit einen weiteren Hinweis auf die bisher unbestätigte Reise des Chefs.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Olivenbauern im Westjordanland
:"Wir stecken die Schläge für die Bauern ein"

Immer wieder werden palästinensische Olivenbauern von israelischen Siedlern angegriffen. Nun setzen sie auf ganz besondere Erntehelfer.

Von Peter Münch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: