Krieg in Nahost:Netanjahu lehnt Feuerpause ab

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Israelische Artillerieeinheiten feuern an der Grenze in Sderot Richtung Gazastreifen. (Foto: Saeed Qaq/Imago)

Israels Premier sieht das Land auf dem "Höhepunkt der Schlacht". US-Außenminister Blinken wirbt in Tel Aviv vergeblich für eine vorübergehende Waffenruhe.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Der Gaza-Krieg geht in die fünfte Woche, und nun werden immer mehr Differenzen zwischen Israel und seinem wichtigsten Verbündeten, den USA, deutlich. Bei seinem dritten Besuch in der Region seit Kriegsausbruch holte sich US-Außenminister Antony Blinken in Tel Aviv eine deutliche Abfuhr für die von ihm vorgeschlagene Feuerpause, um die Menschen im Gazastreifen besser mit humanitärer Hilfe versorgen zu können. Nach dem Treffen mit Blinken sagte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in einer TV-Ansprache: "Ich habe deutlich gemacht, dass wir mit Volldampf weitermachen und dass Israel jede temporäre Feuerpause ablehnt, die nicht die Freilassung der entführten Israelis beinhaltet."

Damit nicht genug, Netanjahu setzte noch eins drauf: "Wir werden nicht aufhören, bis wir den Sieg errungen und unsere definierten Ziele erreicht haben: die Beseitigung der Hamas, die Rückkehr unserer Geiseln und die Wiederherstellung der Sicherheit für unsere Kinder und Bürger." Am Vorabend hatte Netanjahu noch markigere Worte gewählt, die wie eine Kampfansage vor dem Besuch des US-Außenministers klangen: "Niemand wird uns stoppen können." Man befinde sich auf dem "Höhepunkt der Schlacht". Er verwies darauf, dass israelische Soldaten Gaza-Stadt erreicht haben. "Wir haben beeindruckende Erfolge erzielt und sind über die Außenbezirke von Gaza-Stadt hinausgekommen. Wir sind auf dem Vormarsch."

Für die USA stehen Grundpfeiler ihrer Nahostpolitik auf dem Spiel

Damit war offenkundig der Versuch der USA, mäßigend auf Netanjahu einzuwirken, gescheitert. Denn Netanjahus martialische Rhetorik stand ganz im Gegensatz zu Blinkens mahnenden Worten bei seiner Pressekonferenz, die der US-Außenminister ohne den israelischen Regierungschef abhielt. Blinken betonte Israels Recht auf Selbstverteidigung, warb aber erneut für eine "humanitäre Feuerpause", wie er es nannte. Seiner Darstellung nach habe er bei seinen Treffen mit Regierungsvertretern in Tel Aviv ausführlich über mögliche humanitäre Feuerpausen diskutiert. Er sei auf praktische Fragen aufmerksam gemacht worden, die man nun gemeinsam klären wolle, so Blinkens Sicht auf die Gespräche.

Der US-Außenminister verwies noch einmal auf die Notwendigkeit, neben Lebensmitteln und Medikamenten auch Treibstoff in den Gazastreifen zu lassen. Die Krankenhäuser in der abgeschotteten Küstenenklave bitten um Treibstoff, weil ihre Stromaggregate damit betrieben werden. Sogar Israels Armeechef Herzi Halevi hatte Treibstofflieferungen in Aussicht gestellt, sofern es in den Krankenhäusern im Gazastreifen keinen mehr gibt. Aber auch dazu gab es eine klare Absage Netanjahus: Er werde das nicht zulassen.

Je länger der Krieg dauert, desto stärker und öfter pochen Washingtons Vertreter darauf, mehr für den Schutz und die Versorgung der 2,3 Millionen Menschen im Gazastreifen zu tun. Dem US-Druck ist es zu verdanken, dass nun erstmals mehr als hundert Lastwagen mit Hilfsgütern pro Tag in den Gazastreifen gelangten - das Minimum dessen, was laut UN-Vertretern für die Versorgung notwendig ist. Aber das Dauerbombardement und die Todeszahlen, die nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums 9000 übersteigen, führen international zu wachsender Kritik am israelischen Vorgehen. Vor allem in arabischen Ländern gibt es massive Proteste gegen den Gaza-Krieg.

Die USA reagieren darauf sensibler als Israel - auch aus eigenem Interesse. Denn für die USA stehen Grundpfeiler ihrer Nahostpolitik auf dem Spiel. In den vergangenen Jahren versuchte Washington immer mehr arabische Länder dazu zu bewegen, ein Abkommen mit Israel über eine Normalisierung der Beziehungen zu schließen. Nun haben zwei, die mit Israel über Verträge verbunden sind, in dieser Woche wegen des Gaza-Kriegs ihre Botschafter abgezogen: Jordanien und Bahrain.

"Es liegt nicht nur an uns, dass es hier Frieden gibt."

So bemühte sich Blinken vor seinem für Samstag in Amman geplanten Treffen mit Vertretern arabischer Staaten, die Wogen zu glätten und Pläne für die Zeit nach dem Gaza-Krieg zu entwerfen. Blinken erinnerte an die Zusage Israels, den Gazastreifen nach der Niederlage der Hamas nicht zu besetzen. "Israel hat das klar ausgeschlossen", bekräftigte Blinken.

Insgesamt vier Mal betonte der US-Außenminister, dass der einzige Weg, um dauerhaft Frieden in der Region herstellen zu können, eine Zweistaatenlösung sei. Nur so sei es möglich, "den Zyklus von Gewalt zu durchbrechen". Er wiederholte auch mehrfach "den Anspruch und das legitime Recht der Palästinenser" auf einen eigenen Staat. Auch hier gibt es eine Differenzen mit Netanjahus rechtsreligiösen Regierung, die den Siedlungsbau aktiv fördert. Mehrere Minister streben sogar ein "Groß-Israel" an.

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Blinken begründete fast philosophisch sein Eintreten für einen eigenen Staat für die Palästinenser: Es müsse gelingen, eine andere Zukunft aufzuzeigen, die ein "besseres Morgen für die Menschen auf beiden Seiten und die Region insgesamt" schaffe. Es sei gerade jetzt wichtig, eine größere Vision zu zeichnen. "Damit man etwas geben kann, woran sich die Leute festhalten können, ein Stück Hoffnung." Danach gefragt, wie nun die konkrete Umsetzung aussehen könnte, richtete Blinken einen Appell "an alle Partner" in der Region: "Es liegt nicht nur an uns, dass es hier Frieden gibt." Die USA üben damit nicht nur auf Israel Druck aus, sondern nehmen auch die arabischen Staaten in die Pflicht, sich nach dem Krieg im Gazastreifen zu engagieren.

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