Israel:Licht an!

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Die besonders Frommen sollen mit "koscherem Strom" versorgt werden, das wünschen sich die ultraorthodoxen Regierungsparteien in Israel. Dem Storch, der in Beer Scheva auf einer Straßenlaterne ruht, ist das egal. (Foto: AMIR COHEN/REUTERS)

Israels Ultraorthodoxe fordern Speicher für koscher erzeugten Strom, der am Schabbat ins Netz fließen könnte. Kritiker sehen das Land auf dem Weg zu einem Gottesstaat.

Von Peter Münch

Der Herr sprach bei der Schöpfung: "Es werde Licht" - und Israels rechts-religiöse Regierung will das nun für alle Bürger selbst in den dunklen Stunden des Schabbats gewährleisten. Mit "koscherem Strom" sollen deshalb künftig auch die besonders Frommen versorgt werden, auf dass sie am Ruhetag nicht gänzlich auf die Segnungen der Moderne verzichten müssen. Ein entsprechendes Pilotprojekt wurde nun zu Wochenbeginn vom Kabinett verabschiedet, und die ultraorthodoxen Regierungsparteien zeigen sich zufrieden. In der Opposition jedoch sieht man das Land weiter abdriften in Richtung eines jüdischen Gottesstaats.

Das Thema des koscheren Stroms führt physikalisch und mehr noch metaphysisch in eine komplizierte Materie. Denn bekanntlich ist die Nutzung von Elektrizität am Schabbat grundsätzlich verboten. Der Halacha, dem jüdischen Gesetz, zufolge darf an diesem Tag kein Feuer entzündet werden, und das bedeutet auch, dass kein Stromkreislauf durch Betätigung eines Schalters geschlossen werden darf.

Findige Köpfe haben allerdings inzwischen viel vermeintlich Gottgefälliges erfunden, das auch am siebten Tag der Woche das Leben komfortabler macht. So regeln Zeitschaltuhren, die vor dem Schabbat programmiert werden, alles im Hause von den Lampen bis zur Klimaanlage. Dass der Strom dank dieser kleinen Tricks genutzt werden kann, lässt sich auch damit begründen, dass er ja sowieso erzeugt wird. Zum Beispiel, um in Krankenhäusern lebenserhaltende Maßnahmen am Laufen zu halten. Wenn es um Leben und Tod geht, sind die Schabbat-Verbote außer Kraft.

Dieser Logik jedoch will nicht jeder folgen im Lager der Ultraorthodoxen, die insgesamt rund 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Rund 30 Prozent von ihnen, so schreibt es die Jerusalem Post, meiden generell das Stromnetz am Schabbat. Ihre Begründung: Es ist verboten, am Ruhetag von der Arbeit eines anderen Juden zu profitieren. Wer Strom braucht, wirft deshalb einen eigenen Generator an, natürlich vor Beginn des Ruhetags.

Der religiösen Klarheit halber ist die Partei Vereinigtes Thora-Judentum mit einer simplen Forderung in die jüngsten Koalitionsverhandlungen gezogen: Alle Elektrizitätswerke im Land sollten am Schabbat abgeschaltet werden. Der Aufschrei bei den Säkularen war so groß, dass Benjamin Netanjahu eilig versichern musste, dass es auch in seiner neuen Regierung an sieben Tagen pro Woche Strom geben werde in Israel.

Im Gegenzug trotzten ihm die Ultraorthodoxen jedoch im Koalitionsvertrag das Pilotprojekt zum koscheren Strom ab. Nahe Bnei Brak soll nun eine Speicheranlage gebaut werden. Die Elektrizität wird außerhalb des Schabbats produziert und am Ruhetag automatisiert über ein gesondertes Netz eingespeist.

Umgerechnet rund 30 Millionen Euro sind dafür zunächst eingeplant. Doch der Oppositionspolitiker Avigdor Lieberman hat hochgerechnet, dass am Ende Milliarden gebraucht würden, um auf diesem Weg eine Versorgung der ultraorthodoxen Gemeinden mit koscherem Strom sicherzustellen. Das sei "ein Wahnsinn auf dem Weg zum halachischen Staat". Der koschere Strom dürfte damit den ewigen Streit zwischen religiösen und säkularen Juden in Israel noch einmal kräftig befeuern.

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