Islamisten:Das macht die Nusra-Front so gefährlich

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Al-Nusra-Kämpfer, hier bei Aleppo, gehen im Kampf gegen das Assad-Regime Bündnisse auch mit nicht-islamistischen Rebellengruppen ein. (Foto: Hosam Katan/Reuters)

Anders als die Terrormiliz Islamischer Staat bemüht sich der Al-Qaida-Ableger um Kooperation mit anderen Rebellen, auch mit gemäßigten.

Von Paul-Anton Krüger

Eine alte Allianz ist es, die 2015 militärische Erfolge erzielte im Norden Syriens und die Regierungstruppen aus der Provinz Idlib und ihrer gleichnamigen Hauptstadt vertrieben. Es war Jaish al-Fatah, die Armee der Eroberung, die Präsident Baschar al-Assad Mitte des vergangenen Jahres in größte Bedrängnis brachte.

Sie bedrohte Kerngebiete des Regimes an der Küste bei Latakia, die überwiegend von der alawitischen Minderheit bewohnt werden, der auch Assads Familie angehört. Der Vormarsch dieses Bündnisses aus knapp einem Dutzend islamistischer und dschihadistischer Gruppen war eine der Ursachen, die Russland dazu bewegten, militärisch in Syrien zu intervenieren.

Seit Anfang Mai ist es reaktiviert, wie ein hochrangiges Mitglied der ultrakonservativen Rebellengruppe Ahrar al-Sham der Süddeutschen Zeitung bestätigte. Neben dieser Gruppe das wohl schlagkräftigste Mitglied der Allianz ist Jabhat al-Nusra, zu Deutsch "Unterstützungsfront für das syrische Volk", der offizielle Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida in Syrien.

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Wie auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist die vom UN-Sicherheitsrat als terroristisch eingestufte Nusra-Front von den Vereinbarungen für eine Waffenruhe in Syrien ausgeschlossen. Und wie die konkurrierenden Dschihadisten des selbsternannten IS-Kalifen Abu Bakr al-Bagdadi wollen letztlich auch die Anhänger von Qaida-Chef Aiman al-Zawahiri ein islamisches Emirat in Syrien errichten.

Sie betreiben allerdings eine völlig andere Vorgehensweise als der IS. Manche westlichen Analysten halten die Nusra-Front schon für die mittel- und langfristig gefährlichere der beiden Gruppen: Der IS versucht, Territorium militärisch einzunehmen, vertreibt andere Gruppen aus seinem Gebiet und setzt dann seine Herrschaft mit Bespitzelung, Kontrolle und beispielloser Grausamkeit durch.

Nusra-Front nutzt Schwäche lokaler Rebellengruppen

Dagegen sieht die Nusra-Front zunächst über ideologische Differenzen hinweg und pflegt Beziehungen zu anderen Gruppen aus dem konservativ-islamistischen Spektrum wie auch zu gemäßigten und nationalistisch geprägten Rebellen etwa der Freien Syrischen Armee. Sie bekannte sich erst 2013 notgedrungen offen zu al-Qaida, als Bagdadi versuchte, die Nusra-Front dem IS einzuverleiben.

Zwar betonen Gruppen wie Ahrar al-Sham, die sich zunächst an die Ende Februar zwischen den USA und Russland vereinbarte Waffenruhe gehalten haben, es gehe nur um militärische Koordinierung gegen den gemeinsamen Feind, das Assad-Regime. Doch macht sich die Nusra-Front die Schwäche vieler lokaler Rebellengruppen zunutze.

Um gegen die Angriffe des Regimes bestehen zu können, bleibt diesen oft nichts, als mit den Dschihadisten zusammenzuarbeiten. So entstehen Abhängigkeitsverhältnisse. Zugleich haben die Qaida-Kämpfer nicht gezögert, von den USA oder anderen westlichen Staaten unterstützte gemäßigte Gruppen zu attackieren, um zu verhindern, dass Konkurrenten entstehen und die Amerikaner Einfluss in Syrien gewinnen.

Die Vermischung zwischen den unterschiedlichen Gruppen macht es - anders als beim Islamischen Staat - "schwieriger, als wir dachten, sie auseinanderzuhalten". So sagte es US-Außenminister John Kerry erst Ende April, als er versuchte, die bröckelnde Waffenruhe in Syrien zu retten.

Russland und vor allem das Assad-Regime nutzen die Beteiligung von Nusra-Kämpfern und deren Provokationen an manchen Fronten, um andere Gruppen zu bombardieren. Das Gebot der minimalen Selbstverteidigung, wie in der Waffenruhe vorgesehen, lassen sie außer Acht, wenn es ihren militärischen Zielen dient.

Assad macht keinen Hehl daraus, dass er nach wie vor glaubt, den Krieg gewinnen zu können. Die Nusra-Front wiederum führt die Angriffe des Regimes als Beleg dafür an, dass Verhandlungen und die Waffenruhe sinnlos seien und die einzige Hoffnung im Kampf gegen das Regime liege.

Gefahr neuer Attacken im Westen

Die Nusra-Front plant allerdings längst weiter als bis zur nächsten Schlacht. Sie pocht zwar fürs Erste nicht auf die exklusive Kontrolle eroberter Gebiete. Sie sieht davon ab, von Beginn an strenge Verhaltensregeln durchzusetzen, und versucht mancherorts sogar, die (sunnitische) Bevölkerung für sich zu gewinnen - auch wenn es in Idlib lokal Proteste gegen die Nusra-Front gab und gibt. Doch ihre ideologischen Ziele gibt die Organisation nicht auf.

Der Experte Charles Lister von der Denkfabrik Brookings, einer der besten Kenner islamistischer und dschihadistischer Gruppen in Syrien, berichtet in einem Beitrag für Foreign Policy von Diskussionen in der Nusra-Front über Pläne, noch in diesem Jahr in Idlib ihr eigenes Emirat auszurufen.

Führungsmitglieder der Qaida sind deshalb nach Syrien gegangen. Sie betten sich nur, anders als der IS, in lokale Strukturen ein, eine Taktik, mit der al-Qaida schon in Jemen Erfolg hatte. Sie orientiert sich erkennbar an ideologischen Konzepten Zawahiris. Das macht es ungleich schwerer, die Gruppe zu bekämpfen.

Damit könnte al-Qaida gegenüber dem IS wieder an Attraktivität gewinnen, der selbst militärisch zunehmend in Bedrängnis gerät. Zugleich würde sie damit viele moderatere Rebellengruppen in eine Entscheidung zwingen, ob sie dem Qaida-Emirat Gefolgschaft leisten oder ihre Verbindungen zu westlichen Regierungen aufrechterhalten - von denen sie zuletzt weit weniger militärische Hilfe bekommen als erhofft. Damit gerieten allen voran die USA in einen Wettstreit mit den Dschihadisten um Verbündete in Syrien und die Möglichkeit, Einfluss auf den Ausgang des Krieges zu nehmen, wie es Lister formuliert.

Zugleich würde auch die Gefahr neuer Attacken im Westen wachsen. Die USA haben in Syrien noch vor dem IS eine Qaida-Zelle bombardiert, die solche Pläne verfolgt haben soll. Einer über Syrien hinausgehenden Agenda hat die Nusra-Front nie abgeschworen. Ihr Anführer Abu Mohammad al-Dscholani versicherte in einem Interview mit dem katarischen Sender Al Jazeera vor einem Jahr zwar, der Westen sei kein Ziel, schränkte das aber sogleich ein: Nicht "in der gegenwärtigen Phase", sagte er.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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