Gipfel in Teheran:Sanktionierte unter sich

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Russlands Außenminister Sergej Lawrow war vor seiner Reise nach Teheran zu Gast in Pjöngjang und Peking. (Foto: Yuri Kochetkov/AFP)

Russlands Außenminister Lawrow reist nach Iran. Dort geht es um Frieden zwischen Armenien und Aserbaidschan, vermutlich aber auch um die Krise in Nahost. Moskau und Teheran verbindet inzwischen viel - vor allem die Abneigung gegen den Westen.

Von Raphael Geiger, Istanbul

Wenn Russlands Außenminister Sergej Lawrow nach Teheran reist, wie an diesem Montag, dann ist er zu Besuch bei Freunden. Das iranische Regime hat sich im Ukrainekrieg zur russischen Seite bekannt, es liefert Russland seine Kamikazedrohnen, man fühlt sich verbunden in der Gegnerschaft zum Westen. Schon allein dadurch, dass beide Länder, Russland wie Iran, vom Westen mit Sanktionen belegt sind.

Im antiwestlichen Lager, das von Nordkorea bis Syrien reicht, hat Iran für sich eine Heimat gefunden. Und Wladimir Putin ist es, der sich als Anführer dieses Lagers sieht. Die Reisen seines Außenministers Lawrow erzählen davon, vor dem Flug nach Teheran war er in Pjöngjang und Peking. Dabei dürfte sich Lawrow noch etwas freier in der Welt bewegen als sein Chef Putin, dem wegen des internationalen Haftbefehls in vielen Ländern die Verhaftung droht. Putins erste Auslandsreise dieses Jahr führte kürzlich nach Kirgisistan.

Lawrow kommt zu einem Friedensgipfel nach Teheran, zu dem Iran eingeladen hat. Es geht um den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien. Zusammen mit der Türkei wollen die Iraner und Russen darüber sprechen, wie ein Abkommen zwischen den beiden Ländern im Kaukasus aussehen könnte. Im September hatte Aserbaidschan die armenisch bewohnte Region Bergkarabach angegriffen und besetzt. Über 100 000 ethnische Armenier flohen aus ihrer Heimat.

Gemeinsame Interessen in Bergkarabach

Auch in diesem Konflikt überschneiden sich Irans Interessen mit denen Russlands. Moskau sieht sich als Vermittler in der Region, es ist mit Friedenstruppen in Bergkarabach vor Ort, in Armenien selbst mit einem regulären Stützpunkt. Aserbaidschans Staatschef Alijew würde nach seinem Sieg in Bergkarabach gern bald noch einen Schritt weiter gehen: Er will einen Landweg nach Nachitschewan, einer Exklave Aserbaidschans, umgeben von Armenien, Iran und der Türkei.

Alijew hat dafür die Unterstützung des türkischen Präsidenten Erdoğan. Der Weg nach Nachitschewan, der Sangeschur-Korridor, führt entlang der armenisch-iranischen Grenze. Die beiden Anrainerländer wollen den Korridor verhindern, und ohne Zustimmung Russlands, das wissen auch Erdoğan und Alijew, dürfte es mit dem Korridor schwer werden. Russland nämlich, so die Idee, soll den Korridor mit Grenzern überwachen.

Es kommt also doch noch auf Moskau an. Gerade in einer Region, in der sich die russische Ohnmacht seit dem Ukrainekrieg deutlich gezeigt hat. Zu Aserbaidschans Angriff auf Bergkarabach fiel Russland nichts ein. Es sah zu, wie Aserbaidschan, eine frühere Sowjetrepublik, Tatsachen schuf. Den russischen Friedenstruppen zum Trotz.

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In Armenien sind nach dem Angriff durch Aserbaidschan mehr als 100 000 Menschen angekommen. Dass sich das Land nun dem Internationalen Strafgerichtshof anschließen will, ärgert Moskau.

Auf Israel hatte Russland nie eine eindeutige Sicht

Der Gipfel in Teheran nun fällt in eine Zeit, in der sich die Welt um einen anderen Konflikt sortiert, den Krieg zwischen Israel und der Hamas. Aserbaidschan, nebenbei bemerkt, versteht sich gut mit Israel, man teilt die Gegnerschaft zu Iran. Russland hatte, im Gegensatz zu Iran, nie eine eindeutige Sicht auf Israel. Nun allerdings scheint es, als wolle sich auch Putin als Anwalt der Palästinenser inszenieren - passend zu seiner Erzählung eines globalen Aufstands gegen den Westen.

Moskau, selbst verantwortlich für Luftangriffe auf Krankenhäuser in Syrien, verurteilte Israel vergangene Woche für die Explosion an einem Krankenhaus in Gaza. Die Indizien deuten darauf hin, dass Israel an der Explosion keine Schuld trägt. Die russische Propaganda hat sich dennoch auf Israel eingeschossen. Und, logisch, auf den Westen, der Israel in Gaza angeblich alles durchgehen lasse.

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Sollte sich der Konflikt im Nahen Osten ausweiten, könnte ein Land zum Schlachtfeld werden, in dem Iran wie Russland seit Langem präsent sind: Syrien. Dort operieren Irans Truppen und Milizen, die libanesische Hisbollah und noch immer auch die russische Armee. Iran und Russland haben dem syrischen Diktator Assad über Jahre hinweg die Macht gerettet, einem weiteren Mitglied der antiwestlichen Achse. Israel griff in den vergangenen Tagen wiederholt iranische Stellungen und Konvois in Syrien an, auch die Flughäfen von Damaskus und Aleppo, um iranische Waffenlieferungen zu verhindern.

Das iranische Regime hat sich offenbar noch nicht entschieden, wie es sich in der Krise in Gaza weiter verhält. Auch darum wird es gehen, wenn Sergej Lawrow in Teheran mit seinem iranischen Amtskollegen Hossein Amir-Abdollahian spricht. Das russische Interesse jedenfalls dürfte weiteres Chaos sein - je mehr die Krise im Nahen Osten die Kräfte des Westens bindet, desto weniger schaut die Welt auf die Ukraine, desto besser für Russland. So gesehen hat die Hamas, Irans Verbündete, Putin jetzt schon einen Gefallen getan.

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