Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) scharf angegriffen. Er warf ihr eine "provokative, interventionistische und undiplomatische Haltung" vor. Alte Verbindungen zu untergraben, habe langfristige Konsequenzen, warnte er auf Twitter. Deutschland könne wählen zwischen Zusammenarbeit zur Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen oder Konfrontation. Irans Antwort werde angemessen und entschieden sein, drohte er, ohne dies näher auszuführen.
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Amir-Abdollahian reagierte damit offenbar auf die geplante Verschärfung von EU-Sanktionen gegen das Regime sowie die maßgeblich von Baerbock betriebene Befassung des UN-Menschenrechtsrats mit der Niederschlagung der seit Wochen andauernden Proteste. Sie hatten sich am Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Jina Amini entzündet, die am 16. September in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden war, weil sie vorgeblich ihr Kopftuch nicht den Vorschriften entsprechend trug. Amini starb nach Misshandlungen in Gewahrsam der Polizei in einem Krankenhaus.
Die EU will beim Treffen der Außenminister am Montag in Brüssel 31 Personen und Institutionen neu auf die Sanktionslisten nehmen, überwiegend gehören sie zum Sicherheitsapparat. Zu den Strafen gehören Reisebeschränkungen, zusätzlich werden Vermögen eingefroren und Handel sowie Finanztransaktionen mit den Betroffenen untersagt. Deutschland und Frankreich hatten sich dafür eingesetzt.
Iran soll auch für Drohnenlieferungen an Russland belangt werden
Weitere Sanktionen könnten folgen, weil das Regime mit wachsender Brutalität versucht, die Proteste zu unterbinden, die sich gegen das System der Islamischen Republik richten. Am Donnerstag wurden neue Demonstrationen aus Teheran und aus der Region Isfahan gemeldet.
Zudem soll Iran für die Lieferung von Drohnen an Russland belangt werden, mit denen Präsident Wladimir Putin versucht, systematisch die zivile Infrastruktur der Ukraine zu zerstören. Baerbock lässt prüfen, ob die Revolutionsgarden mit Terrorsanktionen belegt werden können. Dafür gibt es aber hohe rechtliche Hürden, zudem wäre, wie bei allen EU-Sanktionen, Einstimmigkeit erforderlich.
Noch im November soll sich der UN-Menschenrechtsrat in Genf in einer von Deutschland beantragten Sondersitzung mit der Lage in Iran befassen. Er solle einen Aufklärungsmechanismus einrichten, forderte Baerbock. Allerdings muss der Rat, dem 47 von der UN-Generalversammlung gewählte Staaten angehören, eine Untersuchung mit Mehrheit beschließen. Das gilt nicht als sicher.
Die CDU hatte Baerbock am Mittwoch im Bundestag vorgeworfen, eine "Politik des minimalen Drucks" gegenüber Iran zu verfolgen. Die Bundesregierung reagiere zu langsam und nicht entscheiden genug, kritisierte Norbert Röttgen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.
Alle Deutschen sollen Iran verlassen
Das Auswärtige Amt hat bereits vergangene Woche alle Deutschen zur Ausreise aus Iran aufgefordert und gewarnt, dass Ausländer konkreter Gefahr ausgesetzt seien, willkürlich festgenommen, verhört und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden. Vor allem Doppelstaater, die neben der deutschen auch noch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, seien gefährdet. Seit Beginn der Proteste habe es eine "Vielzahl willkürlicher Verhaftungen ausländischer Staatsangehöriger" gegeben.
Die Bundesregierung erwägt auch, gegen das Islamische Zentrum in Hamburg vorzugehen. Der Bundestag hat sich für die Schließung ausgesprochen. Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung auf, "zu prüfen, ob und wie das Islamische Zentrum Hamburg als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann". Die Einrichtung wird seit Jahren vom Verfassungsschutz überwacht und als "ein bedeutendes Propagandazentrum" Irans in Europa eingestuft.
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Offen ist weiter die Zukunft des Atomabkommens mit Iran. Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten sich bis in den Sommer hinein in intensiven Verhandlungen mit Teheran dafür eingesetzt, den Deal aus dem Jahr 2015 zusammen mit den USA wiederzubeleben. Seither herrscht Stillstand. Iran hat das Angebot der westlichen Staaten nicht akzeptiert und verweigert laut einem neuen Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unverändert die nötige Zusammenarbeit.
IAEA-Chef Rafael Grossi sagte am Donnerstag in Wien, je länger die derzeitige Lage anhalte, "desto größer wird die Ungewissheit". Seit Anfang 2021 kann die Behörde nicht mehr auf Daten etlicher ihrer Überwachungssysteme in Iran zugreifen, im Juni musste sie 27 Kameras abbauen. Zugleich baut Iran sein Atomprogramm weiter aus und produziert weiter Uran, das auf 60 Prozent angereichert ist und deswegen schnell auch für militärische Zwecke genutzt werden könnte. Auch bei der Aufklärung verdächtiger Aktivitäten in Iran gibt es keine Fortschritte; Inspektoren hatten an drei Orten Spuren von Uran nachgewiesen, für die Iran bislang keine plausiblen Erklärungen geliefert hat.