USA und Indien:Zweckfreundschaft

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Immer beweglich bleiben: Bei seinem USA-Besuch nahm Modi auch an einer Yoga-Stunde vor dem Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York teil. (Foto: Christina Horsten/DPA)

Von Donald Trump war der indische Premierminister Narendra Modi sehr angetan. Nun besucht er Joe Biden, mit dem die Beziehung komplizierter ist. Helfen könnte ausgerechnet China.

Von Fabian Fellmann, Washington

So innig umarmte Narendra Modi auf dem Flughafen von Agra den amerikanischen Präsidenten, dass dessen Hand unter Modis Nehru-Jacket rutschte. Es war der Höhepunkt einer Bromance, einer engen Freundschaft zwischen zwei Männern mit vielen Gemeinsamkeiten.

Der indische Premierminister dürfte sich diese sonnigen Momente zurückwünschen, jetzt, da er zum Gegenbesuch in den Vereinigten Staaten weilt. Die besondere Beziehung pflegte er nicht etwa zum jetzigen US-Präsidenten Joe Biden - sondern zu dessen Rivalen Donald Trump, der 2020 mit seiner Frau den Taj Mahal besuchte.

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Mit Trump verband Modi vieles: der nationalistische und populistische Politikstil, das Schlechtreden von Minderheiten - besonders Einwandern. Außerdem Übertreibungen und Lügengebilde, das Aushöhlen demokratischer Standards und ein Twitter-Publikum von mehr als 80 Millionen Nutzern.

Das alles dürfte eher hinderlich gewesen sein, als Modi seine Wunschliste vortrug bei seinem aktuellen Gastgeber Joe Biden, der das Gefecht der Demokratie gegen den Autoritarismus zum entscheidenden Konflikt seiner Regierungszeit erklärt hat. Sollte man zumindest meinen. Zumal Bidens Außenministerium schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in Indien kritisiert. Und Delhi hat sich geweigert, nach dem Angriff auf die Ukraine die Sanktionen gegen Moskau mitzutragen. Im Gegenteil: Indien hat die Ölimporte aus Russland sogar um das Zehnfache gesteigert.

Bidens Regierung stimmt dem Export von Militärtechnologie zu

Der US-Präsident zeigt indes bemerkenswerte Flexibilität, wenn es den außenpolitischen Interessen seiner Regierung dient. Den saudischen Kronprinz Mohammed Bin Salman etwa erklärte er nicht wie versprochen zum Pariah, sondern besuchte ihn in Riad und entbot ihm einen kumpelhaften Faustgruß - worauf Bin Salman den Ölpreis erhöhte, was Biden erzürnte und Wladimir Putin erfreute.

Nun empfing Biden Narendra Modi gleich mehrfach im Weißen Haus; am Mittwoch zu einem Arbeitstreffen, bei dem es wesentlich weniger herzlich zuging als zwischen Modi und Trump. Am Donnerstag dann richtete Biden für den indischen Premierminister das erst dritte Ehrenbankett seiner Zeit im Weißen Haus aus.

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Der viel kritisierte Anführer der größten Demokratie der Welt erhielt dabei weitere Zugeständnisse, so stimmte Bidens Regierung dem Export wichtiger Militärtechnologie zu. Indien wird Kampfjet-Turbinen von General Electric im eigenen Land bauen, die neben der amerikanischen F/A-18 in Zukunft auch die indische Eigenentwicklung HAL Tejas Mk2 antreiben sollen.

Der Schlüssel zum Verständnis von Bidens Verhalten ist in Indiens Nachbarschaft zu suchen, wo er die "größte geopolitische Herausforderung für die USA" verortet: China. Eben erst hat Indien China als bevölkerungsreichstes Land der Welt abgelöst, doch ist es dem Nachbarn wirtschaftlich und militärisch weit unterlegen. Jahrelang hat Modi versucht, mit Machthaber Xi Jinping eine Verständigung zu finden, um die Grenzstreitigkeiten im Himalaya-Gebirge beizulegen, jedes Mal ließ Xi indische Positionen angreifen.

Biden sieht in Modis Indien einen "Swing State"

Zunehmend sucht Indien deswegen den Schutz der USA. Keine Selbstverständlichkeit angesichts der bewegten Beziehung der beiden Demokratie-Giganten. Die USA hatten jahrzehntelang Pakistan militärisch unterstützt, den Erzfeind Indiens, mit dem heute noch in der Kashmir-Region ein offener Konflikt herrscht. Indien wiederum war blockfrei, die Sowjetunion und in der Folge Russland wurden die wichtigsten Waffenlieferanten - ein wichtiger Grund dafür, dass Neu Delhi die Ukraine-Sanktionen nicht mittragen will.

Da sich Putin nun zunehmend mit Chinas Xi verbrüdert, versucht sich Indien auch aus dieser Abhängigkeit zu lösen und aufzurüsten. Indien trat etwa der Quad bei, einer Verteidigungsallianz mit Japan, Australien und den Vereinigten Staaten. Biden sieht in Modis Indien einen "Swing State", eine der unentschiedenen Mächte, die sich möglicherweise in den eigenen Einflussbereich ziehen lassen, nützlich als regionaler Widersacher Chinas. Nicht zuletzt sitzt Indien derzeit den G20 vor.

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Auch für die US-Wirtschaft bietet Indien Gelegenheiten. Unternehmer Elon Musk etwa nutzte Modis Anwesenheit für ein Treffen. Eben erst haben die USA China als wichtigsten Handelspartner abgelöst, und das Wachstumspotenzial der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt ist riesig, wie auch die Europäer bestens wissen, die nach dem Abkühlen des Verhältnisses zu China nach Alternativen Ausschau halten. Europäern wie Amerikanern sollen die Inder helfen, die Abhängigkeit von Produkten aus China und vor allem Halbleitern aus Taiwan zu verringern. Indien dient den USA darüber hinaus als Pool für Hunderttausende Fachkräfte. In all diesen Bereichen haben Biden und Modi eine engere Zusammenarbeit vereinbart.

Nach dem Treffen mit Modi sprach Biden bei einer gemeinsamen Medienkonferenz von einer "der wichtigsten Partnerschaften der Welt, die stärker, enger und dynamischer ist als je zuvor". Nur zwischen den Zeilen ließ Biden durchblicken, dass er Modi auch auf Menschenrechts- und Demokratiefragen angesprochen hatte, wie es eine Reihe von Abgeordneten aus seiner Partei in einem Brief verlangt hatte. Modi wies jegliche Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen pauschal zurück, als er von einer Journalistin danach gefragt wurde. Indien sei eine Demokratie, Menschenrechte seien eine Voraussetzung dafür, Diskriminierung habe in seinem Land keinen Platz, sagte Modi.

Die Nachsicht gegenüber Modi kann sich Biden trotz aller Kritik innenpolitisch leisten. Nach Donald Trump hat auch er sein Land auf ein konfliktreiches Verhältnis mit China eingeschworen, eben erst hat er dessen Präsidenten Xi Jinping als "Diktator" bezeichnet. Biden ist beileibe nicht der erste US-Präsident, der viel über Werte in der Außenpolitik redet, diese aber bereitwillig der Realpolitik unterordnet. Laut Umfragen wissen 40 Prozent der Amerikaner ohnehin nicht, wer Narendra Modi ist - trotz inniger Umarmung seines Freunds Donald Trump.

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