Pandemiepolitik:Impfpflicht scheitert im Bundestag

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach gibt am Donnerstag seine Stimme bei der Abstimmung über die Einführung einer Impfpflicht ab. Das Ergebnis wird für den Sozialdemokraten zum Desaster. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Mehrheit der Abgeordneten stimmt gegen einen Kompromiss aus den Reihen der Regierungskoalition, der für alle Erwachsenen ab 60 Jahren gegolten hätte. In der SPD ist der Ärger nun groß.

Von Angelika Slavik, Berlin

Die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland ist gescheitert. Im Bundestag fand am Donnerstag keiner der Anträge für eine Impfpflicht eine Mehrheit. Nach einer teils hitzig geführten Debatte wurde zunächst über einen Antrag abgestimmt, der eine Impfpflicht ab 60 Jahren und eine verpflichtende Beratung für alle nichtimmunisierte Erwachsenen vorgesehen hatte. Dieser Antrag war das Resultat eines Kompromisses von zwei Gruppen von Abgeordneten, von denen eine ursprünglich eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren vorgesehen hatte, die andere für Menschen über 50. Die Abgeordneten hinter diesem Antrag stammten mehrheitlich von SPD und Grünen, auch einige FDP-Abgeordnete waren für den Vorschlag. Allerdings wären für eine Mehrheit Stimmen aus der Union nötig gewesen. Dazu kam es nicht in ausreichendem Maß: 378 Abgeordnete stimmten gegen die Impfpflicht ab 60 Jahren, 296 stimmten dafür.

Das Scheitern wird als Niederlage für Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angesehen, die sich beide für eine Impfpflicht ausgesprochen hatten. Wegen offenkundiger Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierungskoalition hatte die Ampel aber keinen eigenen Gesetzesentwurf eingebracht. Stattdessen erarbeiteten Abgeordnete Gruppenanträge. Am Ende fand keiner eine Mehrheit.

Seit Beginn der Corona-Pandemie war eine allgemeine Impfpflicht zunächst über Parteigrenzen hinweg ausgeschlossen worden. Angesichts einer niedrigen Impfquote und zwischenzeitlich stark belasteter Krankenhäuser infolge der Delta-Variante drehte sich zum Ende des vergangenen Jahres aber das Meinungsbild, neben Kanzler Scholz sprachen sich auch die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder für eine Impfpflicht aus. Derzeit haben in Deutschland etwa 76 Prozent aller Erwachsenen mindestens zwei Impfdosen gegen das Coronavirus erhalten, die Quote bewegt sich aber kaum noch nach oben. Eine Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen ist bereits seit Mitte März in Kraft, wird in den Ländern allerdings unterschiedlich konsequent durchgesetzt.

Das Scheitern des Kompromissvorschlags führte am Donnerstag zu gemischten Reaktionen. Gesundheitsminister Lauterbach sagte, die Bekämpfung der Pandemie im Herbst werde nun deutlich schwerer. Sein Parteikollege, der SPD-Abgeordnete Axel Schäfer, zeigte sich empört vom Stimmverhalten der Union, die dem Kompromissantrag nicht zugestimmt, sondern stattdessen einen eigenen Antrag für eine Impfpflicht vorgelegt hatte, der ebenfalls ohne Mehrheit blieb. Dass die Union "mit Weidel, Kubicki und Wagenknecht" gegen den Gesetzesentwurf gestimmt habe, sei unverantwortlich und nicht zu entschuldigen, sagte er der SZ. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge twitterte hingegen: "Die Strategie der Regierung, ihre Uneinigkeit über Gruppenanträge zu kompensieren, war unglücklich." Die vier grünen Landesgesundheitsminister Manfred Lucha aus Baden-Württemberg, Kai Klose aus Hessen, Ursula Nonnemacher aus Brandenburg und Ulrike Gote aus Berlin nannten die Entscheidung im Bundestag "dem Ernst der Lage nicht angemessen".

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