Nahost:Ein gekapptes Internetkabel, und viele Fragen

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Unterstützer der Huthi bei einer Demonstration in Sanaa, Jemen. (Foto: Osamah Abdulrahman/AP)

Den Huthi wird vorgeworfen, das Seekabel Asia-Africa-Europe 1 im Roten Meer durchtrennt zu haben. Ein von den Rebellen versenkter Frachter könnte zudem Umweltprobleme auslösen.

Von Hanno Charisius, Bernd Dörries und Ben Heubl, Kairo, München

Mehr als 25 000 Kilometer ist es lang, etwa so dick wie ein Arm, und wohl um die 70 Kilogramm schwer, auf der Länge von einem Meter. Das Asia-Africa-Europe-1-Seekabel verbindet 19 Länder von Frankreich bis Hongkong mit rasend schnellem Internet, bis zu 40 Terabyte in der Sekunde. So war es zumindest die vergangenen knapp sieben Jahre. Mittlerweile ist der Datenverkehr im Asia-Africa-Europe 1 zum Erliegen gekommen, gekappt irgendwo im Roten Meer zwischen Jemen und Dschibuti. Etwa fünfzehn Kabel laufen hier von Asien nach Europa, vier davon sind nach Angaben des Netzbetreibers HGC aus Hongkong derzeit nicht mehr funktionstüchtig, was ein Viertel des Datenverkehrs in dieser Region betreffe.

Unterseekabel (Foto: SZ-Grafik/TeleGeography)

Israelische Medien hatten schon seit einigen Tagen darüber berichtet, dass die Kabel im Roten Meer zerstört worden seien und spekuliert, die islamistische Huthi-Miliz könnte dahinterstecken. Die beschießt seit Monaten den Schiffsverkehr im Roten Meer, was schließlich dazu führte, dass nur noch etwa die Hälfte der Frachtschiffe die Route durch den Suezkanal fährt, die andere nimmt lieber den sicheren Umweg über das Kap der Guten Hoffnung vor Südafrika, der aber deutlich teuer und länger ist. Für die Huthi ist diese drastische Behinderung des Welthandels ein großer Erfolg. Ihre Begründung: Schiffe aus Ländern, die den Krieg gegen Gaza unterstützen, dürfen nicht mehr durch ihre Gewässer.

Die Huthi verfügen weder über Taucher noch U-Boote

In Wahrheit haben die Huthi bisher recht wahllos auf Frachtschiffe und Tanker gefeuert, sogar solche, die Waren für die eigene hungernde Bevölkerung an Bord haben. Große Teile der arabischen Welt feiern sie dennoch, als einzige Gruppe, die sich wirklich auf die Seite der Palästinenser schlägt.

Die Unterbrechung von wichtigen Internetverbindungen wäre ein weiterer großer Propagandaerfolg. Die international anerkannte Regierung Jemens, mit der sich die militanten Islamisten einen langen Bürgerkrieg lieferten, warnte bereits Anfang Februar davor, dass die Huthi Kabel kappen könnten. Die sprachen wenig später von dem bevorstehenden Einsatz einer "Unterseewaffe". Am 24. Februar kamen die ersten Meldungen über ein gekapptes Kabel. Die Puzzleteile schienen Sinn zu ergeben. Mindestens ein israelisches Medium machte sofort die Huthi verantwortlich.

Eine Frage aber blieb: Wie sollen die Huthi die Kabel erreicht haben, die vermutlich in mehreren Hundert Metern Tiefe liegen? Sie verfügen weder über Taucher noch U-Boote. Wahrscheinlicher erscheint Experten, dass die Unterseekabel durch einen Schiffsanker gekappt wurden. "Unser Team hält es für plausibel, dass das Kabel durch das Ziehen des Ankers in Mitleidenschaft gezogen wurde, da in der Region viel Schiffsverkehr herrscht und der Meeresboden in vielen Teilen des Roten Meeres niedrig ist", sagte ein Sprecher von Seacom, einem Unternehmen, das eines der Kabel betreibt. Aufklärung könne aber erst ein Reparaturschiff vor Ort bringen. Von der SZ analysierte Satellitenbilder zeigen, dass sich die Rubymar zu jenem Zeitpunkt dort befunden haben könnte, wo die Kabel vermutlich gekappt wurden.

Mit der "Rubymar" sanken 20 000 Tonnen Dünger

Das unter der Flagge von Belize fahrende Schiff war am 18. Februar von einer Rakete der Huthi getroffen worden und ist mittlerweile gesunken, davor war es etwa 70 Kilometer führerlos durch die See gedriftet, da die Besatzung in Sicherheit gebracht worden war. Das Kappen der Kabel wäre aber nicht der einzige Schaden, der aus der Raketenattacke der Huthi resultierte. Denn mit der Rubymar sanken 20 000 Tonnen Dünger.

Die sinkende "Rubymar". (Foto: Yemeni government/dpa)

Die ökologischen Folgen der gesunkenen Düngerfracht abzuschätzen, ist auch für Fachleute nicht einfach, solange die Gegebenheiten vor Ort unklar sind. In welcher Tiefe liegt das Schiff? Wie schnell wird das Düngemittel freigesetzt und wie setzt es sich genau zusammen? Wie stark ist die Strömung? Wenn Düngemittel rasch in großer Menge ins Oberflächenwasser gelange, könne es regional zu einer Algenblüte kommen, sagt der Chemiker Hermann Bange vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Das Rote Meer sei generell eher nährstoffarm, sodass Algen an der Oberfläche vom Nährstoffschub profitieren und sich in der Folge wahrscheinlich schlagartig vermehren würden.

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Ob das negative Folgen habe, hänge vor allem von den Arten ab, die sich dann durchsetzen, das lasse sich nicht vorhersagen. Wenn das Düngemittel hingegen langsam in die Tiefe gelangt, werde es sich wahrscheinlich durch die Strömung rasch verteilen, sodass es kaum zu einem spürbaren Effekt komme. Boran Kartal, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-In­sti­tu­t für ma­ri­ne Mikro­bio­lo­gie in Bremen, geht davon aus, dass der Dünger nicht schlagartig freigesetzt wird und es demnach wahrscheinlich keine langfristigen Veränderungen des Ökosystems durch den Untergang der Rubymar geben werde.

Die Folgen einer möglichen Blüte schädlicher Algen in der Region seien jedoch schwer abzuschätzen. "In der nährstoffreichen Ostsee treten schädliche Algenblüten regelmäßig auf, im nährstoffarmen Roten Meer jedoch praktisch nie." Je nach Verlauf der Blüte könnten die Fischbestände in der Region beeinträchtigt werden, zumindest vorübergehend. Die Nährstoffmengen, die voraussichtlich um das Wrack freigesetzt werden, seien vergleichbar mit Nährstoffeinträgen in dicht besiedelten Küstenregionen am Roten Meer.

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