Holocaust-Prozess: Adolf Eichmann:Als Adenauer in Panik geriet

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Adolf Eichmann, einer der Architekten des Holocaust, stand vor 50 Jahren in Jerusalem vor Gericht. Neue Dokumente belegen nun, wie die Adenauer-Regierung damals versuchte, einen Skandal zu verhindern.

Willi Winkler

Vor fünfzig Jahren, am 11. April 1961, begann in Jerusalem der Prozess gegen Adolf Eichmann. Der ehemalige SS-Obersturmbannführer, der vor gleichgestimmten SS-Männern gern mit seiner logistischen Großtat prahlte, für den Tod von sechs Millionen Juden gesorgt zu haben, war 1945 einfach verschwunden. Wie sich viel später herausstellte, tauchte er unter dem Namen Otto Heninger im friedlichen Niedersachsen unter, genauer gesagt in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen, wo er Holz für den Revierförster schlug und von den Eiern lebte, die er an die Überlebenden seines Vernichtungswerks verkaufte. Erst 1950 wagte er sich aus seinem Versteck. Nach Stationen in Innsbruck und Tramin, wo aus Heninger der Südtiroler Ricardo Klement wurde, verließ er Europa und verschwand nach Argentinien. Dort, so die bis heute unendlich oft wiederholte Geschichte , spürte ihn ein Mossad-Trupp auf und brachte ihn im Mai 1960 nach Israel.

Der ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann wird in Jerusalem zum Tode verurteilt.  (Foto: AP)

Der Spiegel berichtet jetzt auf der Basis von bisher nicht freigegebenen "Unterlagen des BND", welche Panik bei der Bonner Regierung unter Adenauer ausbrach, als der verschwundene Schreibtischmörder plötzlich wieder auftauchte. Es sei möglich, so wird ein Staatssekretär zitiert, "dass belastendes Material gegen Bedienstete der Verwaltung des Bundes und der Länder bekannt werden wird". Belastendes Material gab es bis dahin nicht und wenn doch, war es leicht als "Ost-Propaganda" zu denunzieren. Das größte Problem stellte der Bedienstete Hans Globke dar. Der zum Staatssekretär im Kanzleramt avancierte Verwaltungsjurist hatte 1936 einen Kommentar zu den "Nürnberger Gesetzen" verfasst und war damit der sichtbare Beweis, dass in der jungen Bundesrepublik weiter die alten Kräfte regierten.

In der nächsten Folge seiner Serie will der Spiegel darstellen, wie Konrad Adenauer "mit allen Mitteln" versucht habe, seinen Staatssekretär aus dem Prozess herauszuhalten. Ganz unbekannt ist diese Einflussnahme allerdings nicht (SZ vom 8. Juni 2006). Wegen seiner Vorgeschichte hatte Globke nämlich die Annäherung der Bundesrepublik an den Staat Israel betrieben und dafür gesorgt, dass 1952 das erste Wiedergutmachungsabkommen zustande kam. Es fiel der israelischen Regierung also nicht schwer, dem Begehren aus Deutschland zu folgen.

Im Nachlass Globkes findet sich reiches Material, das belegt, wie genau die deutschen Prozessbeobachter in Jerusalem überwacht wurden. Wichtiger als die Journalisten war jedoch das Gericht. In einem Schreiben vom 16. März 1962 wendet sich BND-Chef Reinhard Gehlen unter dem Betreff "Beabsichtigte Namhaftmachung Staatssekretärs Globke als Zeuge in der Berufungsverhandlung gegen A. Eichmann" an ebendiesen Globke, um ihm mitzuteilen, dass der Prozess den geplanten harmlosen Verlauf nehme: "Entsprechende Maßnahmen sind eingeleitet." Dank Gehlens Intervention werde, heißt es in dem Schreiben, "die israelische Verhandlungsleitung in der bisherigen Weise" verfahren und "eine Ausweitung zu verhindern" trachten.

Sieben Tage später stellt Eichmanns Verteidiger Robert Servatius den Antrag, Globke als Zeugen zu vernehmen. Der Antrag wird vom Gericht abgelehnt. "Die Israelis haben", wie es in einer unbezahlbaren Formulierung des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß heißt, "extreme Hetze gegen uns verhindert."

© SZ vom 28.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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