Deutschland und China:Brisante Premiere

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Der Übergangscampus der "Hainan Bielefeld University of Applied Sciences", im Vordergrund ihr Präsident Jürgen Kretschmann. (Foto: Ziwei Du/BiUH)

Die Hochschule Bielefeld gründet einen Ableger in China. Trotz der zunehmenden Kontrolle Pekings über Bildungseinrichtungen versprechen die Deutschen, dass "Wissenschaftsfreiheit großgeschrieben wird".

Von Lea Sahay, Peking

Als einen "Paukenschlag in der akademischen Welt" kündigt die Hochschule Bielefeld (HSBI) an, was ihr in China gelungen ist: Die Gründung einer eigenen Hochschule auf der Tropeninsel Hainan im Südchinesischen Meer. Sie trägt den Namen "Hainan Bielefeld University of Applied Sciences", abgekürzt BiUH. Bereits zum Wintersemester sollen 140 Studierende dort Computer Science und Digital Technologies auf Bachelor studieren.

Seit 2003 ist es ausländischen Hochschulen in China möglich, eine Uni zu eröffnen. Dafür mussten diese aber bislang mit einer chinesischen Hochschule kooperieren und dieser 51 Prozent der Anteile überlassen. Die BiUH ist insofern eine Premiere. Der Campus liegt in einer Wirtschaftsentwicklungszone, in der Sonderregeln gelten: Ausländische Universitäten dürfen dort ohne Partner "unabhängige" Bildungseinrichtungen für Ingenieurwissenschaften, Landwirtschaft und Medizin gründen.

Die HSBI verspricht eine Hochschule, "in der Wissenschaftsfreiheit großgeschrieben wird", das sei "fest vereinbart" mit den chinesischen Partnern. Auf Anfrage der SZ heißt es, "um mögliche Konflikte transparent zu machen und zu lösen", sei eine Clearingstelle geplant. "In der BiUH wird Wissen ausgetauscht und es werden internationale Fachkräfte ausgebildet. Davon können Deutschland als auch China profitieren", sagt Ingeborg Schramm-Wölk, Präsidentin der HSBI.

Peking hat die Kontrolle über heimische Hochschulen verstärkt

Hochschulen in China unterstehen immer stärker der Parteikontrolle. Die Bielefelder wünschen sich eine "transparente und freundliche" Zusammenarbeit; kritische Forscher werden in China jedoch bedroht und verhaftet, unliebsame Wissenschaftler aus dem Ausland ausgesperrt. Für Studierende sieht es nicht besser aus: Freie Debatten sind kaum möglich, 2021 ließ die Regierung an vielen Unis LGBT-Gruppen schließen. Neben Marxismus und Maoismus wird nun das "Xi-Jinping-Denken" gelehrt.

Ein Grund, warum sich China gegenüber der HSBI großzügig zeigt, könnte in Inhalt und Aufbau der Studiengänge liegen: Nach der Startphase wird unter anderem auch Elektrotechnik und Maschinenbau unterrichtet. Die Fächer sind nicht nur weniger politisch sensibel als Geisteswissenschaften. Peking hat sie zu Zukunftssektoren erklärt. Die Studiengänge sind zudem praxisintegriert, die Hälfte der Zeit verbringen die Studierenden bei Unternehmen. Peking hat seit Jahren großes Interesse an dem deutschen Ausbildungsmodell.

Unterstützt wird das Projekt mit 3,5 Millionen Euro durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), Mittel des Bundesforschungsministeriums. Die Baukosten, die Miete der ersten fünf Jahre und alle anderen Ausgaben "bis zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit" übernehmen die Provinzregierung Hainan und die Stadt Danzhou.

Die HSBI schwärmt von Hainan als touristischem Ziel. Gleichzeitig ist die Insel auch Standort einer Marinebasis, auf der Chinas Angriffsunterseeboote versteckt liegen. Einige sollen mit Raketen bestückt sein, die imstande sind, die USA zu erreichen, ohne das Südchinesische Meer zu verlassen. Eben jenes Gewässer, auf das Peking zu 90 Prozent Anspruch erhebt. Seit Jahren baut Peking dort Atolle zu Militärbasen aus.

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