Rotes Meer:"Härtetest" für die Bundeswehr

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Die Besatzung der Fregatte "Hessen" winkt in Wilhelmshaven beim Auslaufen aus dem Hafen. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Die Fregatte "Hessen" soll helfen, Handelsschiffe vor Angriffen der Huthi-Milizen zu schützen. Der Einsatz ist gefährlich und bringt die Marine an ihre Kapazitätsgrenzen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Als am Donnerstag um zehn Uhr die Fregatte Hessen mit etwa 250 Besatzungsmitgliedern von Wilhelmshaven Richtung Mittelmeer in See stach, war ihre Mission formell noch gar nicht beschlossen. In Brüssel waren die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gerade noch dabei, im Umlaufverfahren den Beschluss für die Operation "Eunavfor Aspides" zu fassen. Wenige Stunden nach dem Auslaufen wurde Vollzug gemeldet.

Ein Mandat des Bundestages für den bewaffneten Einsatz ist allerdings noch in Arbeit. Es steht für den 21. Februar auf der Tagesordnung. Sobald die Mission beschlossen ist, soll die Hessen an Ort und Stelle sein. Im Roten Meer soll sie von Ende Februar an mit Einheiten aus anderen EU-Ländern Handelsschiffe vor den permanenten Angriffen der jemenitischen Huthi-Miliz schützen. "Das ist der ernsthafteste Einsatz einer deutschen Marineeinheit seit vielen Jahrzehnten", sagte der Inspekteur der Marine, Jan Christian Kaack, am Donnerstag in Berlin.

"Wir rechnen mit dem gesamten Spektrum von direkten und indirekten Angriffen."

"Bewegend", schrieb die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), im Kurznachrichtendienst X. Sie war nach Wilhelmshaven gekommen, um die Besatzung zu verabschieden. Ihre Nachricht versah sie mit den Worten "Alles Gute" und drei grünen Kleeblättern. Tatsächlich wird der Einsatz angesichts der schweren Bewaffnung der von Iran hochgerüsteten Huthi-Miliz als außerordentlich gefährlich eingestuft.

"Wir rechnen mit dem gesamten Spektrum von direkten und indirekten Angriffen", stellte Kaack klar. Das reiche von ballistischen Flugkörpern mit großer Reichweite über Drohnen bis zu "ferngesteuerten Überwassereinheiten im Kamikazebetrieb". Die Huthi-Miliz begründet ihren Terror gegen die Handelsschifffahrt mit dem Krieg Israels gegen die Hamas und angeblicher Solidarität mit den Menschen in Gaza.

Auch Frankreich, Italien und Griechenland werden beteiligt sein

Im Unterschied zum von den USA geführten Einsatz gegen Stellungen der Miliz soll die Operation Aspides ausschließlich dem Schutz des Seeweges dienen. Im erweiterten Sinne handele es sich um Landes- und Bündnisverteidigung, betonte Kaack. Freie Handelswege seien "die Grundlage unserer Industrie, aber auch unserer Verteidigungsfähigkeit". Beteiligt sein werden auch Frankreich, Italien und Griechenland. Gesteuert werden soll die Mission voraussichtlich von der griechischen Stadt Larisa aus. Geplant ist der zeitgleiche Einsatz von zunächst drei Schiffen. Ihre Aufgabe wird es sein, Handelsschiffe in großer räumlicher Nähe als Goalkeeper (Torwart) vor Beschuss zu bewahren.

Auf die Besatzung der Hessen kommt somit ein Einsatz unter den harten Bedingungen des Ernstfalls zu. Die Rede ist von einem "Härtetest". So wird die Besatzung im "Kriegsmarsch" fahren. In Sechs-Stunden-Schichten ist in diesem Fall immer die Hälfte der Besatzung im Dienst, um jederzeit schnell reagieren zu können. Dies könne über einen längeren Zeitraum durchgehalten werden, erklärte Kaack, müsse aber von "gewissen Ruhephasen" unterbrochen werden. In jedem Fall sei die Einheit "durchhaltefähig". Sie soll bis voraussichtlich Ende April im Einsatz sein und dann von einem Schwesterschiff abgelöst werden. Das Mandat des Bundestages wird sich voraussichtlich auf ein Jahr erstrecken.

Für die gefährliche Mission ist sowohl die modern bewaffnete Fregatte als auch die Besatzung nach Darstellung von Kaack besonders gut geeignet. "Es war uns von vorneherein klar, dass wir nur eine besonders durchhaltefähige und gut ausgebildete Einheit dorthin entsenden können. Die Hessen ist dieses Schiff", sagte er. Es gebe keine Einheit in der Deutschen Marine, "die besser vorbereitet, besser ausgebildet und besser ausgestattet ist".

Die Besatzung sei gut vorbereitet, sagt der Marine-Inspekteur

Auch wegen ihrer jüngsten Einsätze etwa als Flaggschiff im Rahmen der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), der sogenannten Speerspitze der Nato, sei die Besatzung gut vorbereitet. Hinzu kämen moderne Radaranlagen und Waffensysteme. Die Hessen ist mit Leichtgewichtstorpedos, Spezialflugkörpern, Maschinenkanonen und diversen Flugabwehrraketen ausgestattet. Mit an Bord sind zwei Hubschrauber.

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Kaack räumte ein, dass die Marine sich mit dem Einsatz ihrer Kapazitätsgrenze nähert. "Die Decke wird kurz", sagte er. Großbritannien verfüge über sechs, Frankreich über acht und Italien über zwölf mit der Fregatte Hessen vergleichbare Einheiten. Bei der Deutschen Marine seien es insgesamt drei. Sie müsse daher mit ihren "Kräften haushalten". Normalerweise befinde sich ein Schiff in der Werft und ein weiteres auf dem Weg zur Gefechtsbereitschaft. "Hilfreich" sei daher ein "moderater Aufwuchs". Bei der Beteiligung am internationalen Krisenmanagement sei überdies "Priorisierung" und "Flexibilisierung" notwendig, um bei Bedarf schnell reagieren zu können.

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