Nachruf:Ein freier Geist

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Hans-Ulrich Klose (1937 - 2023) (Foto: Regina Schmeken/SZ Photo/laif)

Hans-Ulrich Klose war Bürgermeister von Hamburg und Chef der SPD-Bundestagsfraktion. Aber politisch festzurren ließ er sich nie. Nun ist er mit 86 Jahren gestorben.

Von Jan Bielicki

"Das mit der Karriere ist schnuppe", hat Hans-Ulrich Klose 1981 gesagt, mit der nonchalanten Koketterie, die ihm zeit seiner politischen Laufbahn eigen war. Da stand er gerade davor, sie an den Nagel zu hängen. Vorerst allerdings nur, wie sich später herausstellen sollte.

Erster Bürgermeister Hamburgs war er damals. Als 37-Jähriger und jüngster Landeschef in der Bundesrepublik hatte er das Amt sieben Jahre zuvor übernommen und mit seiner SPD 1978 die absolute Mehrheit in der Bürgerschaft glanzvoll zurückgewonnen. Doch weil die Parteirechte im Streit um den Atommeiler Brokdorf seinen kernkraftkritischen Kurs sabotierte, trat er nun zurück.

Zum kühlen Hanseaten wurde er als Student

Klose war kein früher Grüner. Er war ein Sozialdemokrat, der sich nie so richtig festzurren ließ, ein ziemlich freier Geist, der mal die Parteilinken, mal die Parteirechten verärgerte. Er war ein guter Redner, aber "kein lauter Typ", wie er über sich sagte. Er fremdelte gern ein wenig mit den Regeln des politischen Geschäfts und beherrschte sie meisterhaft. Klose war ein Insider, der die Fähigkeit hatte, wie von außen durch den Rauch seiner Pfeife klug und oft spöttisch auf den eigenen Betrieb zu blicken.

Als kühler, klarer Hanseat wurde er oft beschrieben, kam aber in Breslau zur Welt, erlebte als Vertriebenenkind Hunger und Elend, ehe es seine Familie nach Bielefeld verschlug. Hamburger wurde er erst während seines Jurastudiums.

Politisch zurück kam er nach seinem Sturz in Bonn, wo er von 1983 an im Bundestag saß, freilich nicht in vorderster Reihe. Doch als Hans-Jochen Vogel 1991 seinen Rückzug vom Fraktionsvorsitz erklärte, warf Klose überraschend seinen Hut in den Ring und gewann gegen seine Mitbewerberin Herta Däubler-Gmelin.

Dann wurde er zum Elder Statesman

Es war eine schwierige Zeit für die ganz und gar nicht einige SPD. Klose hatte alle Mühe, seine Abgeordneten auf Linie zu halten - erst recht als er die Zustimmung seiner Fraktion zur Einschränkung des Asylrechts im Grundgesetz durchsetzte, die wichtigste und umstrittenste Entscheidung seiner Amtszeit. Schon 1994 räumte er den Fraktionsvorsitz wieder.

Fortan war er Elder Statesman, erst Bundestagsvizepräsident, dann kenntnisreicher Außenpolitiker. Er nahm sich die Zeit fürs Schöne, zu malen, zu zeichnen, zu schreiben. Denn wenn er nur Politik mache, so sagte er einmal, wäre er "am Ende ein verkürzter Mensch". Am Mittwoch ist Hans-Ulrich Klose mit 86 Jahren in Berlin gestorben.

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