Urteil:RWE darf Hambacher Forst nicht roden

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Der Tagebau Hambach schiebt sich an den Hambacher Forst. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst verfügt. (Foto: dpa)
  • Der Energiekonzern RWE darf den Hambacher Forst vorerst nicht roden. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden.
  • Der Konzern erwartet, dass sein Betriebsgewinn vom nächsten Jahr an um einen "niedrigen dreistelligen Millionenbetrag" niedriger ausfallen wird.
  • Zu einer Großdemonstration werden am Samstag mehr als 20 000 Teilnehmer erwartet. Das Verwaltungsgericht Aachen hat die Demonstration genehmigt und ein Verbot gekippt.

Von Benedikt Müller und Christian Wernicke, Düsseldorf

Der Energiekonzern RWE darf den Hambacher Forst bei Köln vorerst nicht roden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster am Freitag in einem Eilverfahren entschieden. Damit stoppten die Richter die umstrittene Abholzung im letzten Moment. Von Mitte Oktober an wollte RWE 100 Hektar des alten Waldes roden, um den Braunkohletagebau Hambach zu erweitern. Umweltschützer protestieren seit Monaten dagegen.

An diesem Samstag werden mehr als 20 000 Teilnehmer zu einer Großdemonstration für den Erhalt des Forstes erwartet. Zwar hatte die Polizei Aachen die Veranstaltung zunächst wegen Sicherheitsbedenken untersagt. Das Verwaltungsgericht Aachen hat dieses Verbot jedoch am Freitagnachmittag gekippt und eine Demonstration in Waldnähe genehmigt. Die Polizei legte keinen Widerspruch ein.

RWE darf keine "vollendeten Tatsachen" schaffen

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat gegen den Hauptbetriebsplan des Tagebaus Hambach geklagt, den die Bezirksregierung Arnsberg genehmigt hatte. Der Plan erlaubt RWE bis ins Jahr 2020, mit dem Tagebau in den Forst vorzurücken. Umweltschützer argumentieren hingegen, dass der Wald die Voraussetzungen eines Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebietes (FFH) erfülle, und verweisen auf seltene Fledermausarten.

Wie dieses Verfahren in der Sache ausgehe, sei weiter offen, betonte das OVG. Doch seien die Rechtsfragen derart komplex, dass man sie nicht in einem Eilverfahren klären könne. Die Unterlagen fassten mehrere Kisten. Bis über die Klage des BUND entschieden sei, dürfe RWE im Hambacher Wald keine "vollendeten Tatsachen" schaffen, urteilten die Richter.

Zudem hätten weder der Konzern noch die Bezirksregierung ausreichend belegt, dass "die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre", falls der Konzern auf die Hambacher Kohle verzichten müsste. Nach der Eilentscheidung darf RWE zwar weiter Kohle im Tagebau Hambach abbauen, er darf dafür allerdings keine Bäume fällen.

RWE teilte mit, dass in den nächsten Monaten nun keine Rodungen möglich seien. Eventuell könnte eine rechtskräftige Entscheidung auch erst Ende 2020 vorliegen. Der Konzern erwartet, dass sein Betriebsgewinn vom nächsten Jahr an um einen "niedrigen dreistelligen Millionenbetrag" niedriger ausfallen wird.

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Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, dass der Hambacher Wald nun "in absehbarer Zeit" nicht gerodet werde: "Es ist jetzt der Raum für Gespräche, und den sollten alle Beteiligten nutzen." Aus Naturschutzgründen darf RWE den Wald nur zwischen Oktober und März roden.

Umweltschützer fordern einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, weil bei keinem anderen Energieträger so viele CO₂-Emissionen pro Kilowattstunde Strom anfallen. Im Auftrag der Bundesregierung sondiert eine Kohlekommission derzeit einen möglichen Ausstiegspfad. Sie soll noch in diesem Jahr einen Vorschlag vorlegen. Vor diesem Hintergrund begrüßen Naturschützer die Entscheidung des OVG. "Das Urteil ist historisch", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger der SZ. "Es macht klar, wie bedeutend europäisches Naturschutzrecht ist, und wie haltlos das Argument der Unverzichtbarkeit von RWE war." Zugleich rief der BUND Aktivisten auf, keine weiteren Bäume zu besetzen, da sich der Wald nun erholen sollte.

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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