"Neue Grundsicherung":Sozialverbände üben scharfe Kritik an Bürgergeld-Plänen der CDU

Lesezeit: 2 min

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, übt scharfe Kritik an dem Vorschlag der Union. (Foto: IMAGO/Metodi Popow)

Die Partei will Menschen, die eine "zumutbare" Arbeit ablehnen, den Anspruch auf Grundsicherung entziehen. Die Debatte schüre nur Vorurteile, sagen Sozialverbände.

Die kirchlichen Sozialverbände Diakonie und Caritas kritisieren die Pläne der CDU zum Umbau des Bürgergeldes. Die angekündigte Verschärfung der Sanktionen bei Arbeitsverweigerung sei "populistisch", sagte Diakonie-Vorstand Maria Loheide am Montag. "Das ist verantwortungslos." Sie bezog sich auf das von der CDU beschlossene Papier "Neue Grundsicherung". Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, haben laut Loheide mit erheblichen Problemen zu kämpfen und benötigen wirksame Unterstützung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. "Die ständigen Debatten über Sanktionen auf dem Rücken der Schwächsten gehen an der Realität vorbei", rügte die Vorständin.

Die CDU hat vor, das Unterstützungssystem des Bürgergeldes im Fall eines Siegs bei der Bundestagswahl 2025 radikal umzubauen. Lehnt ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne sachlichen Grund eine "ihm zumutbare Arbeit ab ('Totalverweigerer'), soll zukünftig davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig ist", heißt es in einem Beschluss der Oppositionspartei.

CDU
:Kein Geld für "Totalverweigerer"

Die CDU will Arbeitsunwilligen das Bürgergeld streichen - und zwar vollständig und dauerhaft. Die Sorge, dass der Vorschlag verfassungswidrig sein könnte, plagt die Partei nicht.

Von Robert Roßmann

Der Deutsche Caritasverband betonte, dass eine faktenbasierte Debatte über die Zukunft der sozialen Sicherung nötig sei. "Ein Großteil der Grundsicherungsempfänger ist entweder nicht erwerbsfähig oder steht dem Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung", sagte Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Sie verwies auf die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom Februar 2024: Danach ist für 700 000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte (18 Prozent) eine Arbeit derzeit nicht zumutbar, weil sie zum Beispiel kleine Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder zur Schule gehen.

"Wichtig ist dem Deutschen Caritasverband, dass in der Debatte zur Grundsicherung der befähigende Charakter des Leistungssystems zum Ausdruck kommt", erklärte Welskop-Deffaa. Womöglich sei der Begriff der Grundsicherung hier besser geeignet als der des Bürgergeldes, räumte sie ein.

Loheide wies zudem auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hin. Das habe 2019 das klare Urteil gesprochen, dass das Existenzminimum besonders geschützt sei. "Dieses Urteil wurde mit dem Bürgergeld umgesetzt. An dieses Urteil wäre jede Bundesregierung gebunden." Insgesamt sei das Bürgergeld kaum älter als ein Jahr - viele Jobcenter seien noch mitten in der Umsetzung, die Wirkung der Reformen könnte noch nicht belastbar bewertet werden.

"So schürt man nur Unfrieden in unserer Gesellschaft"

Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) kritisiert das Signal, das von den Plänen der CDU ausgehe. "Es ist unsäglich, dass mit dieser Debatte wieder Vorurteile gegen Menschen im Grundsicherungsbezug geschürt werden", sagte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Statt für bessere Löhne zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass sich Arbeit wirklich lohne, spiele die CDU die Ärmsten der Gesellschaft gegeneinander aus. "So schürt man nur Unfrieden in unserer Gesellschaft und leistet den Feinden der Demokratie Vorschub."

SZ PlusArbeitsmarkt
:"Da kann man nur beten"

Andrea Nahles, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, kritisiert die Sparpläne der Ampelkoalition. Sie verteidigt Sanktionen gegen unkooperative Bürgergeldbezieher - und blickt zurück auf die Zeit, als sie selbst arbeitslos war.

Interview von Roland Preuß

Wer Menschen in Arbeit bringen wolle, brauche vor allem mehr Mittel für die Aktivierungs- und Vermittlungsangebote der Jobcenter, sagte Engelmeier. "Bedürftigen Familien das ihnen verfassungsrechtlich zustehende Existenzminimum zu verweigern, ist der falsche Weg."

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Ich habe den Eindruck, dass hier sehr frühzeitig der Wahlkampf mit populistischen Angriffen gegen das Bürgergeld eingeläutet wird." Weiter kritisierte sie: "Dabei werden auch Vorschläge gemacht, die verfassungswidrig sind, wie zum Beispiel eine politisch gesetzte Begrenzung bei den Regelsätzen. Das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum lässt das aber nicht zu."

Das Bürgergeld hatte nach einer Reform der Ampelkoalition Anfang 2023 die vorherige Grundsicherung Hartz IV (Arbeitslosengeld II) abgelöst. Es soll Menschen den Lebensunterhalt sichern, die arbeiten können, deren Einkommen aber nicht zum Leben reicht. Betroffenen soll mit Beratung, Aus- und Weiterbildung geholfen werden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

© SZ/dpa/epd/nta - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungSozialpolitik
:Vorsicht vor dem Realitäts-Check, liebe CDU

Die Partei wünscht sich einen neuen Namen fürs Bürgergeld und strengere Regeln für die Auszahlung. Doch was in der Opposition ersonnen wird, kann für eine Regierung schnell zu Wählerfrust führen.

Kommentar von Henrike Roßbach

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: