Nordrhein-Westfalens Sozialminister:"Lasst uns das nicht wieder kaputtreden"

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Karl-Josef Laumann, 61, gelernter Maschinenschlosser, ist seit 2017 Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in der CDU/FDP-Koalition in Düsseldorf. Die CDA, den Arbeitnehmerflügel der Union, leitet er bereits seit 2005. (Foto: picture alliance / Britta Peders)

CDU-Politiker Laumann unterstützt Bundessozialminister Heil im Streit um die Grundrente. Das Konzept decke sich zum Teil mit dem Programm der Union.

Interview von Thomas Öchsner

Wer 35 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, aber trotzdem nur eine Mini-Rente bekommt und deshalb derzeit beim Sozialamt um Aufstockung bitten muss, der soll künftig eine Grundrente bekommen. Das hat Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagen. Doch viele in der Union, bei der FDP und in der Wirtschaft halten nichts davon. Ihnen widerspricht Karl-Josef Laumann, Sozialminister in Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender des CDU-Arbeitnehmerflügels.

SZ: Herr Laumann, Heils Grundrente wird heftig kritisiert. Ist sie keine gute Idee?

Karl-Josef-Laumann: Ich finde, das ist eine Grundlage, um darüber zu diskutieren. Heils Konzept deckt sich zum Teil mit dem Programm der Union. Auch wir sagen, wer 35 Jahre morgens aufgestanden ist, der hat es verdient, einen Aufschlag auf die Rente zu bekommen, wenn die Rente andernfalls nicht reicht. Wir sind für einen Aufschlag von zehn Prozent, wir bewegen uns dann in solchen Fällen bei etwa 900 Euro. Damit sind wir auf dem Niveau, das auch Heil vorschwebt. Ich appelliere deshalb an alle: Lasst uns das Vorhaben nicht wieder kaputtreden, wie das schon bei der früheren Arbeitsministerin Ursula von der Leyen war.

An wen denken Sie, wenn Sie für eine Grundrente sind?

Es geht darum, die Lebensleistung zu belohnen. Für einen Arbeiter ist es völlig unverständlich, dass einer, der 35 Jahre oder mehr gearbeitet hat, am Ende zum Sozialamt muss - genauso wie jemand, der keine 35 Jahre gebuckelt hat. Sicher, ein Sparkassendirektor leistet sehr viel und kassiert deshalb ein sehr gutes Gehalt. Aber wer morgens um fünf Uhr aufsteht und die Sparkasse putzt, ist auch ein Leistungsträger in unserer Gesellschaft. Diese Menschen müssen auch im Alter zurechtkommen - und zwar besser als jemand, der morgens nicht so früh aufgestanden ist.

Die Grundrente nach den Vorstellungen von Hubertus Heil führt aber zu neuen Ungerechtigkeiten. Die Reinigungskraft, die 34 Jahre gearbeitet, geht leer aus, weil ihr ein Jahr fehlt. Die Arzthelferin, die mit einem Orthopäden verheiratet ist, Kinderziehungszeiten für zwei Kinder bekommt und 30 Jahre 15 Stunden die Woche in der Praxis gearbeitet hat, erhält fast 450 Euro Rente zusätzlich, obwohl ihr Mann die Ärzteversorgung im Alter hat. Kann das richtig sein?

Es gibt immer Bruchstellen, irgendwo muss man die Grenzen ziehen. Das kann bei 35 oder auch bei 30 Jahren sein. Was aber bei dem Konzept von Heil fehlt, ist die Bedürftigkeitsprüfung. Genau deshalb kommt es zu solchen Ungerechtigkeiten wie in dem von Ihnen beschriebenen Fall des Arzt-Ehepaars. Ich finde daher schon, dass wir prüfen müssen, wie die laufenden Einkommen im Rentenalter sind. Wir können nicht das Geld mit der Gießkanne verteilen, das ist auch nicht gegenüber den Menschen richtig, die hart arbeiten müssen, um die Steuern für eine Grundrente aufzubringen.

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Der Arbeits- und Sozialminister will aber keine Bedürftigkeitsprüfung. Zieht für Sie nicht das Argument, dass es beschämend sei, im Amt quasi die Hosen herunterlassen zu müssen?

Das muss man eben so machen, dass das mit Augenmaß und nicht erniedrigend ist. Deshalb bin ich dafür, das komplizierte System der Bedürftigkeitsprüfung zu vereinfachen und den Menschen dabei auch mehr entgegenzukommen.

Was bedeutet das konkret?

Wir sollten auf das laufende Einkommen schauen und nicht mehr so auf das Vermögen oder Immobilieneigentum. Denken Sie an die Witwe mit einer mageren Rente, die in der Eifel in einem womöglich 50 Jahre alten Haus mit einem großen Grundstück lebt. Der können wir doch nicht zumuten, noch mit 75 auszuziehen. Nicht jeder, der eine Immobilie besitzt, lebt in München und ist Millionär. Auch das, was die Menschen noch an Barvermögen behalten dürfen - bis zu 5000 Euro -, hat mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun. Wenn Sie mehr haben, bekommen Sie keine Grundsicherung. Davon können Sie aber vielleicht nicht mal alle Beerdigungskosten bezahlen. Also müssen wir das erhöhen.

Wer soll die Bedürftigkeitsprüfung vornehmen? Die Rentenversicherung will das ja nicht übernehmen.

Nein. Die Rentenversicherung ist kein Sozialamt. Die muss mit den Sozialämtern zusammenarbeiten, die sollen so wie bisher klären, ob einer bedürftig ist. Aber am Ende zahlt die Rentenversicherung die Grundrente aus, weil das für die Menschen vom Gefühl her besser ist.

Und wer soll das bezahlen? Bundesfinanzminister Olaf Scholz rechnet wegen der langsameren Wirtschaftsentwicklung ohnehin mit fünf Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen pro Jahr.

Die Grundrente ist über Steuern zu finanzieren. Alles andere ist eine Frage der Prioritäten. Als Sozialpolitiker sage ich klar: Die Grundrente ist wichtiger, als den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Und wenn wir uns auf eine neue Bedürftigkeitsprüfung einigen, wird das viel weniger kosten, als die Milliarden, die Heil veranschlagt. Wir haben mehr als 500 000 Empfänger von Grundsicherung im Rentenalter. Nur ein Teil von ihnen, vor allem in Westdeutschland, hat 35 Jahre gearbeitet.

Die Arbeitgeberverbände schimpfen trotzdem. Sie halten das Paket für nicht finanzierbar.

Die sollten mal etwas vorsichtiger werden. Die Unternehmen profitieren doch von dem riesigen Niedriglohnbereich, den wir in Deutschland haben - mit Löhnen, die zu einer Rente führen, von der man im Alter nicht leben kann. Die Arbeitgeber sollten auch mal darüber nachdenken, warum vor allem Niedriglöhner mit einem Verdienst von weniger als 2000 Euro brutto in der Regel keine Betriebsrente bekommen.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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