Hubertus Heil verspricht den Rentnern nicht das Paradies. Er verwandelt kleine Renten auch nicht in stattliche Pensionen. Aber er verspricht den kleinen Rentnern eine Rente, von der sie einigermaßen leben können. Zu diesem Zweck will er sehr niedrige Renten aus Steuermitteln aufstocken. Das ist ein richtiges, ein wichtiges, ein sozialstaatliches, also ein wunderbares Vorhaben; es ist ein Vorhaben, das den Debatten über soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit einen neuen Schub gibt.
Aber es ist, so sagen die Kritiker, ein systemwidriges Vorhaben. Sie haben recht. Das System, dem die Heil'sche Grundrente widerspricht, ist das System der gesetzlichen Rentenversicherung. Renten werden aus Beiträgen finanziert, nicht aus Steuern, wie Heil das für den Rentenzuschlag will. Weil die Renten bisher beitragsfinanziert sind, sind sie auch verfassungsrechtlich von der Eigentumsgarantie geschützt. Eine Steuerfinanzierung eines Teils der Rente würde diese Garantie beschädigen.
Bedürftigkeitsprüfung würde den Grundansatz von Hubertus Heil diskreditieren
Indes: Es gibt in Deutschland drei bis vier Millionen Rentner, die jahrzehntelang zu niedrigen Löhnen geschuftet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben. Sie können auf eine respektable Lebensleistung verweisen und bekommen trotzdem nur eine mickrige Rente. Diese Rentner können von der Eigentumsgarantie nichts herunterbeißen; diese Garantie macht die mickrige Rente nicht höher, sondern nur sicher. Der Verweis auf die Eigentumsgarantie, die von der Heil'schen Grundrente tatsächlich gefährdet würde, verhöhnt letztlich die Kleinrentner. Sie werden mit einem Prinzip abgespeist; Steine statt Brot, hat man da früher gesagt.
Man muss sich entscheiden, was wichtiger ist: das bisherige Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung, das rein beitragsfinanziert ist und bleiben soll. Oder das Sozialstaatsprinzip, das danach trachtet, den Menschen soziale Sicherheit zu geben und dies auch praktiziert.
Heil macht streng genommen nicht Rentenpolitik, sondern Armutspolitik. Ist das schlecht? Es ist nur ungewöhnlich. Zugegeben: Die Überlegungen, die Hubertus Heil umtreiben, sind eigentlich eher im Bereich von Hartz IV zu Hause. Aber Hartz IV ist vergiftet, und es wäre sehr ungut, einen Rentner nach jahrzehntelanger Arbeit dorthin zu verweisen. Viele Rentner, denen Sozialleistungen zustünden, genieren sich ja schon heute, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Es ist konsequent, wenn Heil für seine Grundrente auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichtet. Mit einer Bedürftigkeitsprüfung würden Millionen von Rentnern zu Fürsorgeempfängern. Die Schwierigkeiten, mit denen die Jobcenter im Rahmen der Leistungen von Hartz IV zu kämpfen haben, all die elende und zum Teil diskriminierende Prüferei, würde künftig nicht nur bei der Gewährung von Arbeitslosengeld, sondern auch bei der Gewährung von Rente stattfinden. Der bürokratische Aufwand wäre ungeheuer. Der Feststellungsaufwand wäre von der Rentenversicherung kaum zu leisten, sie hat ja schon mit der Feststellung der Rentenversicherungszeiten genügend zu tun.
Eine Bedürftigkeitsprüfung würde den Grundansatz von Hubertus Heil diskreditieren: Es geht ihm zu Recht um Respekt vor der Lebensleistung der Rentner, nicht um Schnüffelei im Leben der Rentner. Es geht richtigerweise darum, einer Lebensleistung zu entsprechen, die in 35 Beitragsjahren und in Erziehungs- und Pflegezeiten abgebildet wird. Wenn die Wirtschaft darüber lamentiert, was Grundrenten kosten werden - die Grundrente wird wohl meist nicht auf die hohe Kante gelegt werden, sie geht in den Konsum. Die Grundrente tut somit auch der Wirtschaft gut - und der gesamten Gesellschaft ohnehin.