Grünen-Parteitag in Bonn:"Dieser Winter wird hart werden", sagt Habeck, "auch für unsere Partei"

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Vizekanzler Robert Habeck spricht auf dem Parteitag in Bonn. (Foto: Benjamin Westhoff/Reuters)

Die Grünen führen auf ihrem Parteitag in Bonn harte Debatten - besonders beim Thema Atomkraft. Die erste Entscheidung dürfte der FDP nicht gefallen.

Von Constanze von Bullion, Bonn

Es dauert nicht lange, dann springen sie schon auf und jubeln bei diesem Selbstertüchtigungsprogramm. "Nie habe ich mich so zu Hause gefühlt wie in dieser Phase. Und nie war ich so stolz auf diese Partei", ruft Robert Habeck am Freitagabend in den Saal. "Schon jetzt stellen wir unter Beweis, wie wir über uns hinauswachsen." Streit in der Koalition in Berlin, Krieg in der Ukraine, Angst im Land, Zank mit der FDP - und wenn schon, lässt der grüne Wirtschaftsminister wissen. "Wir gehen dahin, wo es wehtut."

Weh tut es beim Grünen-Parteitag in Bonn schon am Freitagabend. Im Leitantrag zur Atomenergie heißt es, zur Stabilisierung der Stromnetze im Winter seien die Grünen bereit, die beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim bis Mitte April 2023 betriebsbereit zu halten. Umweltministerin Steffi Lemke nennt den Antrag zwar eine Zumutung, weil er den Atomausstieg verzögere, bittet aber um Zustimmung. Auch Wirtschaftsminister Habeck bittet um ein Ja.

Im Frühjahr aber soll endgültig Schluss sein mit der Atomkraft: Aus dem Leitantrag folgt, dass die Bundestagsfraktion der Grünen keinem Gesetzentwurf zustimmt, der zur Anschaffung neuer Brennstäbe führen würde. Auf diese klare Festlegung hat unter anderem Jürgen Trittin gedrungen, der frühere Bundesumweltminister. Am späten Freitagabend stimmen die Delegierten diesem Vorschlag mit großer Mehrheit zu. Nimmt man alle Wortmeldungen zusammen, demonstriert die Partei mit diesem Beschluss ihre Kompromissbereitschaft, legt sich aber auch auf ein klares Ende der Atomkraft fest.

Für die Koalition in Berlin wirft dieser Beschluss allerdings einen ganzen Berg offener Fragen auf. Denn die Ampel hat sich in dieser Frage festgefahren. FDP-Chef Christian Lindner will alle drei noch aktiven Atomkraftwerke weiterlaufen lassen, nicht nur die beiden süddeutschen. Und weiterlaufen sollen sie nach seiner Vorstellung nicht nur bis April 2023, sondern bis 2024. Dazu müssten die Kraftwerksbetreiber neue Brennstäbe kaufen.

In Berlin drängt der Kanzler auf eine Beilegung des Atomstreits, der Druck ist hoch, auch der auf Habeck. "Dieser Winter wird hart werden, für ganz Deutschland", sagt er in Bonn, "auch für uns, auch für unsere Partei". Der letzte Halbsatz ist vielleicht der wichtigste an diesem Abend.

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In der Ampelkoalition müssen die Grünen eine Menge Kompromisse eingehen. Darum gibt es beim Bundesparteitag besonders viel Redebedarf - und vielleicht auch besonders viel Streit.

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Auch der grüne Nachwuchs will sich Gehör verschaffen. Die Grüne Jugend etwa fordert, dass Deutschland schon 2035 klimaneutral wird, zehn Jahre früher als geplant. Andere treten für den "Erhalt aller Dörfer in den Braunkohletagebauen" ein. Habeck hat mit dem Energiekonzern RWE vereinbart, den Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen auf 2030 vorzuziehen. Das Symboldorf Lützerath aber soll den Baggern weichen. Die Grüne Jugend lehnt das ab, sie fordert ein "Räumungsmoratorium". Überhaupt, nicht wenige jüngere Grüne sind entsetzt über das Revival der Kohlekraft. Zwei Atomkraftwerke bis zum Frühjahr weiter laufen zu lassen, erscheint manchen als kleineres Übel.

Die Parteichefin Ricarda Lang wünscht sich eine selbstbewusste Debatte

Nur Zuspruch für die Regierungsmannschaft jedenfalls steht nicht zu erwarten bei diesem Parteitag. Parteichefin Ricarda Lang kündigte vor dem Treffen an, sie wünsche sich eine selbstbewusste Debatte, die sich aus Sachzwängen des Regierens in Berlin möglichst befreit - und auch Forderungen stellt, die in der Ampel-Regierung nicht mehrheitsfähig sind.

Als sie am Freitagabend dann auf der Bühne steht, kommt - nein, nichts zu Atomkraft, auch kein böses Wort über die FDP - sondern ein Plädoyer für Gerechtigkeit. Sie sei das, was grüne Generationen verbinde, sagt Lang. Die Grünen seien auch keine Partei der Illusionisten: "Wir machen Politik für die Realität, die da ist." Grüne Verantwortung, Gestaltung der Wirklichkeit, das werden Schlüsselworte bei diesem Parteitag. "Ja, wir schaffen das", sagt Lang irgendwann, frei nach Angela Merkel. "Wir schaffen das, aber nicht, weil alles so bleibt, wie es ist. Wir schaffen das, weil wir handeln."

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