Am Ende dann gibt es hochzufriedene Gesichter und Applaus - ganz so, als habe man sich kein schöneres Wahlergebnis vorstellen können. Mit 41 von 67 Stimmen ist Katrin Göring-Eckardt am Dienstag als Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag bestätigt worden. Ihr Kompagnon Anton Hofreiter kommt auf 39 der Stimmen. Das Ergebnis ist zwar noch schlechter als vor zwei Jahren. Angesichts der Umstände aber hätte es schlimmer kommen können.
Und noch etwas lässt die Grünen hörbar aufatmen: Auch den Unterlegenen ist ein Gesichtsverlust erspart geblieben. "Das ist ein deutliches Signal, dass wir den Kurs der Geschlossenheit fortsetzen", sagt Katrin Göring-Eckardt, als sie am Dienstag vor die Fraktionstür im Bundestag tritt, als wiedergewählte Fraktionschefin. Neben ihr steht Anton Hofreiter, auch er darf im Amt verbleiben und hat den ehemaligen Grünenchef Cem Özdemir aus dem Feld geschlagen. Er danke seinem Rivalen für die "faire Auseinandersetzung", sagt Hofreiter, bevor er lospoltert über die "lasche, schlaffe Koalition", der die Grünen nun heimleuchten wollten, vor allem in der Klimapolitik.
Ein Kampf der Musketiere geht da zu Ende im Bundestag. Die Grünen haben einen Fraktionsvorstand gewählt - und bekräftigt, was vielen das Wichtigste ist derzeit: ein Weiter-so ohne Streit. Dass Göring-Eckardt und Hofreiter sich gegen ihre Herausforderer, die Parteilinke Kappert-Gonther und Ex-Parteichef Özdemir, durchsetzen würden, galt als wahrscheinlich, aber nicht als gewiss.
Im Zentrum des Geschehens: Cem Özdemir. Der Schwabe gehört bei den Grünen zu den Reformern und zu denen, die Brücken gebaut haben: ins ehemalige Feindesland. Kaum ein Parteitag verging, an dem Özdemir nicht ausgiebig die Sicherheitskräfte lobte, welche die Veranstaltung bewachten. Oder er lud demonstrativ Daimler-Chef Dieter Zetsche ein. Die Botschaft: Nehmt Abschied von Feindbildern. Özdemir gehört zu den besten Rednern seiner Partei. Und als die Jamaika-Sondierungen scheiterten, soll er als einer der Letzten vom Tisch aufgestanden sein. Weil regieren, Ministersein, ganz oben ankommen für einen Mann mit seiner Biografie eine Genugtuung ganz besonderer Art gewesen wäre.
Der Özdemir-Effekt bewirkt, dass sich alle hinter der bisherigen Spitze sammeln
Özdemir schob seither Dienst im Verkehrsausschuss, bevor er nach dem Fraktionsvorsitz griff. Genau dort aber wollten viele Grüne ihn zuletzt nicht sehen. Denn Özdemir hat bei allem rhetorischen Talent den Ruf, persönlich schwierig zu sein, kein Teamplayer. In miserabler Erinnerung war vielen Grünen, wie Özdemir als Parteichef seine - ohnehin schwächere - Mitparteichefin Simone Peter öffentlich demontierte. Parteispitze und Fraktion fuhren sich in bitteren Streitereien fest. Nach einem Wiederaufflammen der Flügelkämpfe sehnt sich kaum einer bei den Grünen.
Özdemir - nein danke, hieß es deshalb kurz vor der Wahl unter linken Grünen. Und auch die Realos in der Bundestagsfraktion hielten sich zurück. Hier sehen viele in Özdemir zwar einen Politiker von Ministerformat. Gleichzeitig befürchteten nicht wenige, er könne den Parteivorsitzenden in die Quere kommen. Annalena Baerbock und Robert Habeck prägen seit ihrer Wahl das öffentliche Bild der Partei. Die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter haben ihnen diese Rolle nie streitig gemacht.
Bloß die grünen Erfolge nicht gefährden, bloß kein Zank - so lässt sich die Stimmung am Wahltag zusammenfassen. Zuletzt bewirkte der Özdemir-Effekt vor allem eines: die Sammlung der Fraktion hinter ihren amtierenden Vorsitzenden. Und das, obwohl Katrin Göring-Eckardt schon vor zwei Jahren nur mit 67,7 Prozent wiedergewählt worden war, Anton Hofreiter mit 66,1 Prozent. Das war ein Ergebnis wie ein Fragezeichen.
Hofreiter wiederum gilt als unangefochtener Experte in Sachen Klima
Als unanfechtbar galten die Amtsinhaber diesmal also nicht, trotz Favoritenrolle. Göring-Eckardt, einzige Ostdeutsche an der Grünen-Spitze, kämpft gegen den Ruf, ewig in der ersten Reihe zu stehen, nicht unbedingt wegen glänzender Reden oder besonderer Leidenschaft, sondern wegen geschickten Taktierens und auch Proporz. Anton Hofreiter wiederum gilt als unangefochtener Experte in Sachen Klima und hat die linke Strömung hinter sich. Hält er allerdings Reden, leiden auch Grünen-Abgeordnete still. Vieles wirkt da behäbig, holzschnittartig, arg erwartbar.
Besiegt hat er seinen Konkurrenten am Ende doch. Özdemir nahm seine Niederlage sportlich. Mit 27 von 67 Stimmen brachte er ein ansehnliches Ergebnis nach Hause. "Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren", sagte der ehemalige Grünenchef. "Die Erde wird sich vermutlich weiterdrehen." Und auch seine Mitstreiterin Kirsten Kappert-Gonther, für die 19 Abgeordnete gestimmt hatten, zeigte sich nach der Wahl versöhnlich. "Wir gehen gestärkt aus dieser Vorstandswahl hervor", sagte sie. Dann gab es Umarmungen von den Parteivorsitzenden. So viel Versöhnlichkeit war selten. Man ist jetzt froh, dass es vorbei ist.