Liveblog zur Krise in Großbritannien:Sunak verteidigt Ernennung seiner Innenministerin

Sunak während seiner ersten Fragestunde als Premierminister (Foto: AFP)
  • Der neue Premierminister Rishi Sunak stellt sich seiner ersten Fragerunde im Unterhaus - und vor Innenministerin Braverman.
  • In seinem neuen Kabinett ändert sich auf zentralen Positionen nichts: Jeremy Hunt (Finanzen), Ben Wallace (Verteidigung) und James Cleverly (Außen) bleiben im Amt.
  • Dass Suella Braverman, die erst vor einer Woche zurückgetreten war, nun wieder Innenministerin wird, löst einige Aufregung aus.
  • Die Vorstellung des neuen Finanzplans lässt Sunak von Ende Oktober auf Mitte November verschieben.

Wer wird nach dem Rücktritt von Liz Truss der neue Premierminister oder die neue Premierministerin von Großbritannien? Alle Entwicklungen hier im Liveblog:

Juri Auel
Juri Auel

Sunak stellt sich seiner ersten Fragestunde im Parlament 

Die wöchentliche Befragung des Premierministers ist ein fester Bestandteil auf der Agenda des britischen Unterhauses. Rishi Sunak wird zu seiner ersten Befragung mit Applaus und so lautem Getrampel der Abgeordneten empfangen, dass Speaker Lindsay Hoyle halb im Spaß dazu ermahnt, die Einrichtung des Parlaments nicht kaputtzumachen.

In der ersten Frage geht es um die Energieversorgung des Landes. Sunak unterstreicht, dass seine Regierung diese sicherstellen werde. Das bedeute neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien mit mehr Offshore-Windanlagen auch die Investition in mehr Atomenergie.

Keir Starmer, Oppositionsführer der Labour-Party, begrüßt Starmer zunächst mit schmeichelnden Worten. Dass Großbritannien nun den ersten Premierminister mit britisch-asiatischen Wurzeln hat, sei ein "herausragender Moment in der Geschichte unserer Nation“. Anschließend geht Starmer zum Angriff über. Er fragt Sunak, warum Suella Braverman als Innenministerin ernannt wurde. Braverman war unter Liz Truss von dem Posten zurückgetreten, weil sie ein offizielles Dokument von einem persönlichen Konto verschickt hatte. Die Ministerin habe einen Fehler gemacht und dies eingesehen, erwidert Sunak. Deshalb sei sie nun Teil einer neuen "Regierung der Einheit und Erfahrung“. Mit Bravermans Ernennung will sich Sunak nach Ansicht von Beobachtern eine möglichst breite Unterstützung in der tief gespaltenen Tory-Partei sichern.

Starmer geht Sunak außerdem persönlich an. Er spricht über das Problem reicher Menschen, die zwar im Vereinigten Königreich lebten, ihre Steuern jedoch in anderen Ländern zahlten. Er müsse das dem Premier nicht im Detail erläutern, der kenne sich ja aus, sagt Starmer - womöglich eine Anspielung auf Sunaks Frau, die angeblich selbst dieses Steuerschlupfloch nutzte. Starmer fordert Sunak auf, es zu schließen und sein Geld nach Hause zu holen (“put his money where his mouth is“). Sunak antwortet allgemein: Es werde harte Schritte geben müssen, um die Wirtschaft des Landes zu stabilisieren. Mehr dazu soll im Herbst bekanntgegeben werden.

Neuwahlen erteilt Sunak erwartungsgemäß eine Absage, dabei verweist er auf den großen Wahlerfolg der Tories bei der Wahl im Jahr 2019 . Auch die Bitte der Scottish National Party über ein neues Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands bleibt unter dem neuen Premier wohl ungehört. Sunak erinnert an das Ergebnis des gescheiterten Referendums im Jahr 2014 und verspricht, sich konstruktiv dafür einzusetzen, dass die Menschen in Schottland im Vereinigten Königreich ein gutes Leben haben. 
Claudia Koestler
Claudia Koestler

Scholz telefoniert mit Sunak: Hoffnung auf gute Beziehungen zur EU 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den neuen britischen Premierminister Rishi Sunak ermuntert, konstruktiv mit der Europäischen Union zusammenzuarbeiten. Der Sozialdemokrat und der Tory-Politiker telefonierten am Donnerstag miteinander, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit und eine Sprecherin der britischen Regierung am späten Abend mitteilten. Aus der Downing Street hieß es, beide eine der Wunsch nach einer engen Kooperation zwischen Großbritannien und der EU. In dem Gespräch ging es auch um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Beide waren sich einig, die Ukraine weiter umfassend zu unterstützen und den Druck auf Russland zur sofortigen Beendigung der Kampfhandlungen aufrechtzuerhalten.
Nach Angaben der Sprecherin der Downing Street verwiesen Scholz und Sunak auf ihre engen Beziehungen aus ihrer Zeit als Finanzminister. Sie hofften, darauf in ihren Funktionen als Regierungschefs aufbauen zu können. Beide werden voraussichtlich beim anstehenden G20-Gipfel Mitte November auf Bali in Indonesien persönlich aufeinander treffen. 
Claudia Koestler
Claudia Koestler

Britische Automobilhersteller fordern Plan von Sunak

Der neue britische Premierminister Rishi Sunak und seine Regierung wird von den Automobilherstellern des Landes aufgefordert, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs zu verbessern, nachdem die Autoproduktion im Land erneut zurückgegangen ist. Der Verband der Automobilhersteller und -händler (Society of Motor Manufacturers and Traders) berichtet von lediglich 63 125 produzierten Fahrzeugen im September, was etwa der Hälfte der monatlichen Produktion vor der Pandemie entspreche. Mike Hawes, der Vorstandsvorsitzende der Handelsgruppe, erklärt dies unter anderem mit den Energiekosten und Unterbrechungen in der Lieferkette. "Stabilität in Verbindung mit einem Plan, der den kritischen Fachkräftemangel behebt, Rechtssicherheit schafft und die Energiekosten langfristig senkt, kann dazu beitragen, dass Großbritannien an der Spitze der nächsten Generation der Automobilherstellung steht", so Hawes. 

Die britische Automobilindustrie tut sich nach dem Brexit schwer und hat Probleme bei der Umstellung auf Elektrofahrzeuge. Die BMW AG hat in diesem Monat bestätigt, dass sie die Produktion des batteriebetriebenen Mini in England einstellen und stattdessen das Modell in China herstellen wird.
Oliver Klasen
Oliver Klasen

Neuer Haushalt erst am 17. November 

Wie viel Geld kann die neue britische Regierung ausgeben und für welche Projekte? Darüber gibt es nun erst später als geplant Klarheit. Finanzminister Jeremy Hunt werde seine mit Spannung erwartete Finanzstrategie nun erst am 17. November bekanntgeben und nicht am kommenden Montag, teilt Downing Street mit. Darauf habe sich Hunt mit dem neuen Premierminister Rishi Sunak geeinigt. Es sei wichtig, die richtigen Entscheidungen zu treffen und diese vom Kabinett bestätigen zu lassen, heißt es zur Begründung. Sunak und ein Großteil seiner Regierungsmannschaft sind erst seit Dienstag im Amt.

Das Herbst-Statement werde darlegen, wie die öffentlichen Finanzen tragfähig gemacht und die Verschuldung mittelfristig abgebaut werden soll. Hunt hat bereits angedeutet, dass es deutliche Einsparungen geben wird. Ebenfalls Mitte November, so heißt es nun von der Regierung, werde Aufsichtsbehörde Office for Budget Responsibility eine ausführliche Konjunkturprognose vorstellen. 

Um das Datum für den Haushaltsplan gibt es seit Wochen Ärger. Der ursprüngliche Termin war der 23. November. Nachdem Sunaks Vorgängerin Liz Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng mit Plänen für eine radikale und nur mit Schulden finanzierte Steuerreform erhebliche Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst hatten, zogen sie die Vorstellung unter dem Druck der eigenen Partei auf den 31. Oktober vor. Damit wollten sie das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen. Das gelang aber nicht, und Truss feuerte Kwarteng. Dessen Nachfolger Hunt kündigte an, fast die gesamten Finanzpläne von Truss zurückzunehmen - und die Märkte beruhigten sich. 
Laurenz Gehrke

Einen oder spalten - Zankapfel Braverman

Er werde Land und Partei einen, verspricht der frisch ernannte britische Premierminister Rishi Sunak am Dienstagnachmittag vor 10 Downing Street, doch schon tags darauf rumpelt es schon wieder in Westminster. Amtsantritte geben schöne Bilder her, vor allem in Großbritannien. Doch sie ziehen auch "schwierige Entscheidungen" nach sich, wie es Sunak in seiner Antrittsrede selbst formuliert hat.

Eine davon wird wohl die Besetzung des Innenministeriums gewesen sein. Sunak setzt die erst vergangene Woche zurückgetretene Suella Braverman wieder ein - sie hat als Hardlinerin, die der illegalen Migration den Kampf angesagt hat, besonderes Spaltpotenzial und sie hat vertrauliche Informationen von ihrem privaten E-Mail-Konto verschickt.

"Er hat die Partei über das Land gestellt. Sicherheit ist zu wichtig für dieses unverantwortliche Tory-Chaos", so meldet sich etwa Yvette Cooper zu Wort, Abgeordnete von Labour und Innenministerin in deren Schattenkabinett.

Außenminister James Cleverly muss die Personalie bei Sky News verteidigen, wo ein Journalist fragt, "ob der Mangel an Talenten in den Reihen der Konservativen heutzutage so groß ist, dass Suella Braverman wirklich die einzige Person ist, die den Job als Innenministerin machen kann?"
Claudia Koestler
Claudia Koestler

Sunak telefoniert mit Biden und Selenskij 

An seinem ersten Abend als britischer Premierminister hat Rishi Sunak mit den Präsidenten der USA und der Ukraine eine enge Zusammenarbeit vereinbart. Sunak telefonierte erst mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und sicherte ihm weitere Unterstützung zu, dann mit US-Präsident Biden. Man habe die enge Verbindung der USA und Großbritannien betont und eine enge weitere Kooperation unter anderem in der Sicherheitspolitik vereinbart, hieß es nach dem Telefonat aus der Downing Street. Auch die komplizierte Situation in der britischen Provinz Nordirland, die Biden als Präsident mit irischen Wurzeln besonders am Herzen liegen soll, kam zur Sprache. In der Mitteilung aus London hieß es, Biden und Sunak seien sich einig, dass das als Karfreitagsabkommen bekannte Friedensabkommen für die ehemalige Bürgerkriegsregion gewahrt und geschützt werden müsse.

Sunak telefonierte am Abend außerdem mit der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon und dem walisischen Regierungschef Mark Drakeford - was Sunaks Vorgängerin Liz Truss während ihrer gesamten siebenwöchigen Amtszeit nicht getan hatte und von den Regionalregierungen kritisiert worden war. 
Léonardo Kahn
Léonardo Kahn

Wie sieht die neue britische Regierung aus?

Die Downing Street No. 10 will Jeremy Hunt als Finanzminister beibehalten. Der konservative Politiker gilt als Pragmatiker, er war in den vergangenen zwölf Jahren Kultur- und Sportminister, Gesundheitsminister und Außenminister. Doch vor allem ist er nun als der Mann bekannt, der die Wirtschaft nach den von Liz Truss verursachten Turbulenzen stabilisiert hat. Am 14. Oktober hat Hunt seinen Amtsvorgänger Kwasi Kwarteng abgelöst und fast alle von ihm angekündigten Steuermaßnahmen rückgängig gemacht. Auf Twitter schreibt der Politiker, dass die Zeit "hart" werde, aber dass er den "Schutz der Schwachen" in den Vordergrund stelle. Der neue Finanzminister soll am kommenden Montag einen mittelfristigen Finanzplan vorlegen.

James Cleverly bleibt weiterhin Außenminister in der von Sunak berufenen Regierung. Er gilt als ein enger Verbündeter des ehemaligen Premiers Boris Johnson. Auf Twitter betont der Minister die britische Verbundenheit zur Ukraine. Auch der Verteidigungsminister Ben Wallace behält seinen Posten.

Im Justizministerium gibt es hingegen einen Wechsel. Hier übernimmt Dominic Raab den Posten, er wird zudem zum Vize-Premierminister ernannt. Raab gilt als wichtigster Verbündeter des neuen Premiers Rishi Sunak. Er war vor Liz Truss Außenminister unter Johnson, bevor er von 2019-2021 Vizepremierminister wurde. Er hat in Truss' Kabinett allerdings kein Mandat bekommen. Der 48-Jährige stand wegen seines Vorhabens in der Kritik, mit einer sogenannten Bill of Rights den Einfluss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf die britische Gesetzgebung zu verringern.

Die wegen Regelbruchs geschasste britische Innenministerin Suella Braverman ist weniger als eine Woche nach ihrem Rücktritt schon wieder im Amt. Braverman war zwei Tage vor dem Truss' Rücktritt aus deren Kabinett ausgeschieden, nachdem sie entgegen der ministeriellen Regeln ein offizielles Dokument mit ihrer privaten Emailadresse weitergeleitet hatte. Die Politikerin verband den wohl erzwungenen Rücktritt mit scharfer Kritik am Kurs der Truss-Regierung. Braverman aus dem rechten Flügel der Partei steht für einen extrem harten Kurs in der Einwanderungspolitik. 
Die rechtskonservative Suella Braverman ist weniger als eine Woche nach ihrem Rücktritt schon wieder Innenministerin.
Die rechtskonservative Suella Braverman ist weniger als eine Woche nach ihrem Rücktritt schon wieder Innenministerin. Leon Neal/Getty Images
Neuer Generalsekretär von Sunaks Konservativer Partei wird Nadhim Zahawi, der sich zuletzt für eine Rückkehr Johnsons in die Downing Street stark gemacht hatte. Sowie bei Außenminister Cleverly gilt die Ernennung als Versuch, das Lager um Johnson einzubinden, dessen Verhältnis zu Sunak schwer belastet ist.

Im Gegenzug verlassen mindestens elf Minister und Staatssekretäre der Truss-Regierung das Kabinett. Darunter sind mit dem exzentrischen Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg, Bildungsminister Kit Malthouse und dem bisherigen Tory-Generalsekretär Jake Berry auch drei enge Verbündete Johnsons. 
Laurenz Gehrke

Unterstützung und Häme: Reaktionen aus dem Inland

Ex-Premierminister Boris Johnson gratuliert Rishi Sunak zu dem "historischen Tag" auf Twitter. "Dies ist der Moment für jeden Konservativen, unserem neuen Premierminister seine volle und uneingeschränkte Unterstützung zu geben", schreibt Johnson, dem ein ausgesprochen schlechtes Verhältnis zu Sunak nachgesagt wird, da dieser mit seinem Rücktritt als Finanzminister im Sommer zu Johnsons Fall als Premierminister beigetragen hat.

Der Oppositionsführer und Labour-Chef Keir Starmer gratuliert ebenfalls und betont, dass Sunak als erster britisch-asiatischer Premierminister Geschichte schreibe. Dann aber ist auch schon Schluss mit den Wohlfühlworten. "Die Tories haben die Wirtschaft zum Absturz gebracht, mit niedrigen Löhnen, hohen Preisen und einer Lebenshaltungskostenkrise", "Die Öffentlichkeit braucht einen Neuanfang", sagt Starmer, und meint damit vorgezogene Neuwahlen.

Überhaupt kein Blatt vor den Mund nimmt indes Caroline Lucas, die einzige Abgeordnete der Grünen im Unterhaus. "Es ist unverschämt, dass Rishi Sunak versucht, sich von Johnsons chaotischer Regierung zu distanzieren, wo er doch mittendrin war", schreibt Lucas auf Twitter und erinnert an Sunaks Bußgeld für eine illegale Party, die er trotz Corona-Pandemie besuchte. Zudem unterstützte er den "die Wirtschaft zerstörenden Brexit", wettert Lucas, "dieses Chaos geht auch auf sein Konto."

Laurenz Gehrke

Gratulation und Ermahnung: Reaktionen aus dem Ausland

"Ich gratuliere Rishi Sunak zu seiner Ernennung zum Premierminister des Vereinigten Königreichs.", schreibt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. Doch sie fügt hinzu: "In diesen schwierigen Zeiten für unseren Kontinent zählen wir auf eine starke Beziehung zum Vereinigten Königreich, um unsere gemeinsamen Werte unter voller Einhaltung unserer Vereinbarungen zu verteidigen." Eine nicht sehr subtile Anspielung auf Diskussionen innerhalb des Königreichs, ob das mit der EU ausgehandelte Nordirland-Protokoll nicht einfach ignoriert werden soll.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij wiederum, dessen Land seit der Invasion durch Russland maßgeblich von Großbritannien unterstützt wird, schickt keine mahnenden Worte nach London. "Ich wünsche Ihnen, dass Sie alle Herausforderungen, vor denen die britische Gesellschaft und die ganze Welt heute stehen, erfolgreich meistern. Ich bin bereit, die ukrainisch-britische strategische Partnerschaft gemeinsam weiter zu stärken!", schreibt er.

Der nicht für seinen Redeschwall bekannte deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz fasst sich gewohnt kurz in seinen Glückwünschen auf Twitter. "Ich freue mich auf unsere weitere Zusammenarbeit und Partnerschaft in der NATO und G7 als enge Freunde." heißt es bei ihm. Darunter ermahnt den Kanzler der ehemalige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, dass er die bilaterale deutsch-britische Verhältnis nicht vergessen möge.

Weiter südlich in Rom findet die selbst erst seit Stunden im Amt befindliche italienische Premierministerin Giorgia Meloni ebenfalls warme Worte für Sunak. "Gratulation", schreibt sie auf Twitter. "Ich bin bereit, mit ihm und seinem Kabinett bei der Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen zusammenzuarbeiten und für unsere gemeinsamen Werte von Freiheit und Demokratie einzutreten." Italien und Großbritannien waren in den vergangenen Wochen oft miteinander verglichen worden, weil beide einen hohen Verschleiß an Premierministern hatten.
Carina Seeburg
Carina Seeburg

Sunak: "Vertrauen muss man sich verdienen – und ich werde mir Ihres verdienen"

Kurz nachdem König Charles III. Rishi Sunak zum britischen Premierminister ernannt hat, steht er auch schon am Rednerpult vor der Hausnummer 10 in der Londoner Downing Street und verbreitet Optimismus in seinem ersten Statement an die Bevölkerung: "Ich werde für wirtschaftliche Stabilität und Vertrauen sorgen", sagt Sunak und erinnert gleich zu Beginn an seine Verdienste als Finanzminister während der Corona-Pandemie. "Sie haben gesehen, wie ich während der Pandemie alles getan habe, was ich konnte, um Menschen und Unternehmen zu unterstützen“, mit demselben Mitgefühl werde er den aktuellen Krisen begegnen.  

"Ich werde unser Land vereinen, nicht mit Worten, sondern mit Taten“, verspricht Sunak. Er wolle zudem die Schäden reparieren, die vorherige Regierungen angerichtet haben, und verspricht mehr Stabilität in der "ernsthaften Wirtschaftskrise", in der sich das Land befinde. Dafür müssten jedoch auch "schwierige Entscheidungen" getroffen werden, sagt der 42-Jährige. Er werde tagein, tagaus für das britische Volk arbeiten, "Vertrauen muss man sich verdienen – und ich werde Ihres verdienen“, kündigt Sunak an. 

"Bessere Schulen, sicherere Straßen, die Kontrolle unserer Grenzen, der Schutz unserer Natur", diese Punkte stünden im Zentrum seiner Prioritäten. Genauso wie die Unterstützung der Armee und das Ziel, eine Wirtschaft aufzubauen, die die Chancen, die der Brexit mit sich bringe, nutzt, in der Unternehmen investieren, innovativ sind und auf diese Weise Arbeitsplätze schaffen.

Die Zeiten seien schwer inmitten eines Kriegs in Europa und er habe Arbeit zu tun, verlorenes Vertrauten zurückzugewinnen, sagt Sunak. "Ich weiß um die hohe Verantwortung des Amts – und ich hoffe den Anforderungen gerecht zu werden." Und als Premierminister will Sunak das schaffen, was ihm die Mitglieder der Tories vor sieben Wochen mehrheitlich noch nicht zugetraut haben, als sie sich für Liz Truss und gegen ihn entschieden haben: Er will die Partei vereinen und als verlässliche Regierungspartei neu aufstellen.
Daniel Leal / AFP
Philipp Saul
Philipp Saul

Sunak ist neuer Premierminister

Großbritannien hat einen neuen Regierungschef: Nur wenige Minuten nach der Entlassung von Liz Truss beauftragt König Charles III. den 42-Jährigen Rishi Sunak als ersten gläubigen Hindu und indischstämmigen Politiker mit der Regierungsbildung. Er ist zudem der jüngste Premierminister seit mehr als 200 Jahren.

Der neue Premierminister hat einen beispiellosen Aufstieg hingelegt. 2015 erstmals ins Parlament gewählt, zieht er nur sieben Jahre später bereits in die Downing Street ein – so schnell ging es bei keinem Premierminister der jüngeren Geschichte. Allerdings musste der verheiratete Vater zweier Töchter einige Hindernisse meistern. So wurde er in der "Partygate"-Affäre um Lockdown-Feiern in der Downing Street wegen Bruchs der Corona-Regeln zu einer Geldstrafe verdonnert. Für Kritik sorgte auch, dass Sunak als Regierungsmitglied jahrelang eine Green Card für die USA hielt und seine wohlhabende Ehefrau Akshata Murty dank eines legalen Schlupflochs Millionen Pfund Steuern sparte.

Mit Spannung wird erwartet, wen Sunak nun in sein Kabinett beruft. Da die Regierung bereits kommende Woche ihre Finanzpläne vorlegen will, dürfte der frisch berufene Finanzminister Jeremy Hunt im Amt bleiben. Als Kandidaten für Kabinettsposten gelten zudem die Sunak-Unterstützer Dominic Raab, Stellvertreter des damaligen Premiers Boris Johnson, Mel Stride oder Victoria Atkins. Erwartet wird zudem, dass Sunak – anders als Truss – in einem Versuch, die Konservative Partei zu versöhnen, auch auf parteiinterne Kritiker setzen wird. Einen wichtigen Posten könnte Penny Mordaunt bekommen, die sich ebenfalls um das Premierminister-Amt beworben, aber nicht ausreichend Unterstützung in der Fraktion erhalten hatte.
Reuters
Carina Seeburg
Carina Seeburg

Truss sagt Goodbye

Ruhig und gefasst steht Liz Truss in ihren letzten Minuten als britische Premierministerin am Rederpult, das vor der Downing Street 10 aufgebaut wurde. "Es war mir eine große Ehre, Premierministerin dieses großartigen Landes zu sein", sagt Truss und geht auf die wenigen Wochen ein, in denen sie die Nation als Regierungschefin angeführt hat. Diese sei geprägt gewesen von der Trauer um die verstorbene Queen Elisabeth II. und dem Antritt des neuen Königs Charles III.

In ihrer sehr kurzen Zeit im Amt habe ihre Regierung hart gearbeitet, Millionen Haushalte in der Energiekrise mit ihren Rechnungen unterstützt und Tausende Unternehmen vor dem Bankrott bewahrt, behauptet Truss. Die Regierung habe Schritte in die Wege geleitet, um Großbritannien unabhängiger von ausländischen Energiequellen zu machen. Nie wieder solle Großbrittanien abhängig von ausländischer Energie sein, sagt Truss, und zitiert den römischen Philosoph Seneca: "Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwierig."

In ihren Schlussworten an die Nation betont die Brexit-Befürworterin noch einmal den Vorteil, den Großbritannien nun aus ihrer Sicht nach dem Brexit habe, nämlich Dinge anders und unabhängig zu entscheiden und anzugehen. Das bedeute mehr Freiheit für die Bürger und mehr Macht für die demokratischen Institutionen des Landes.

Demokratien sollten fähig dazu sein für ihr eigenes Volk zu arbeiten und zu liefern, sagt die 47-Jährige und geht auch auf den Krieg im Osten Europas ein. "Jetzt ist es wichtiger als jemals zuvor, die Ukraine zu unterstützen in ihrem Kampf gegen Putins autoritäres Regime", sagt Truss. Diese Unterstützung sei der Ukraine auch in Zukunft sicher.

Nach ihrer kurzen Rede geht Truss von Applaus begleitet davon und begibt sich zum nahegelegenen Buckingham Palace. Dort reicht sie offiziell ihren Rücktritt ein bei König Charles III. ein, der sie offiziell aus dem Amt der Premierministerin entlässt.

Die letzte Rede von Liz Truss als Premierministerin können Sie hier nachlesen.
Reuters
Philipp Saul
Philipp Saul

So geht es heute weiter

In Großbritannien ist heute mal wieder Tag der Machtübergabe. Innerhalb weniger Monate übernimmt der dritte konservative Politiker die Geschäfte als britischer Premierminister. Nach Boris Johnson und Liz Truss kommt nun Rishi Sunak in Amt und Würden. Wir begleiten den Tag hier im Liveblog und per Stream:

Zunächst steht noch einmal die scheidende Regierungschefin im Fokus. Auf den Tag genau sieben Wochen nach Beginn ihrer Amtszeit scheidet Truss als Premierministerin schon wieder aus. An diesem Vormittag begeht sie die letzten Stunden ihrer Amtszeit und hat dabei ein volles Programm: Nachdem sie zunächst ihre letzte Kabinettssitzung als Premierministerin geleitet hat, tritt sie vor die berühmte Tür von Downing Street Nummer 10, um sich mit einem Abschiedsstatement an die britische Öffentlichkeit zu wenden.

Anschließend wird sich Truss auf den Weg zum Buckingham Palace machen, ihren Rücktritt bei König Charles III. einreichen und von ihm offiziell entlassen werden. In der Residenz des Monarchen geben sich die 47-Jährige und ihr designierter Nachfolger Sunak dann quasi die Klinke in die Hand. Wenn Truss entlassen ist, fährt auch der neue Vorsitzende der Konservativen Partei zum Buckingham Palace und wird dort von Charles zum Premierminister ernannt. Anschließend fährt der 42-Jährige als neuer Premier in die Downing Street, um dort gegen 12.35 Uhr seine Antrittsrede zu halten.
Kassian Stroh
Kassian Stroh

"Indiens Sohn erhebt sich über das Kolonialreich"

Ein britischer Premier mit indischen Wurzeln, der sich ausgerechnet am Tag des hinduistischen Lichterfests Diwali durchsetzen konnte: Viele Menschen in Indien sind begeistert, dass in Großbritannien künftig Rishi Sunak die Regierung anführen wird. Indiens Premierminister Narendra Modi schickt dem 42-Jährigen "warme Glückwünsche". Er twittert: "Spezielle Diwali-Wünsche zur "lebenden Brücke" von britischen Indern, während wir unsere historischen Bindungen in eine moderne Partnerschaft verwandeln." 

Das Lichterfest Diwali symbolisiert den Sieg des Guten über das Böse. Der örtliche Fernsehsender NDTV feiert Sunak mit den Worten: "Indiens Sohn erhebt sich über das Kolonialreich". Viele Menschen in Indien feiern in den sozialen Netzwerken eine Quasi-Umkehr der Machtverhältnisse - Indien machte sich vor 75 Jahren von der britischen Kolonialherrschaft unabhängig. Viele freut auch, dass Sunak ein praktizierender Hindu ist. Menschen in Indien sind oft sehr stolz über Menschen mit indischen Wurzeln, die im Ausland Karriere machen. Sie feierten auch die US-Vizepräsidentin Kamala Harris oder den Alphabet-Chef Sundar Pichai. Sunaks Familie kam in den 1960er-Jahren nach Großbritannien.
Claudia Koestler
Claudia Koestler

Biden über Sunak: Ein bahnbrechender Meilenstein

Der amtierende US-Präsident Joe Biden bezeichnet die Wahl von Rishi Sunak zum nächsten britischen Premierminister als einen "bahnbrechenden Meilenstein". Biden bewundert nach eigener Aussage den Aufstieg Sunaks, der am Dienstag nach einem Treffen mit König Charles III. der erste indischstämmige Premierminister werden wird, und bezeichnet die Nachricht als wichtigen Durchbruch inmitten einer Zunahme rassistisch motivierter Angriffe. 

Sunak wird der erste hinduistische Regierungschef des Landes, der dritte Premierminister innerhalb von zwei Monaten und der jüngste in mehr als 200 Jahren. "Ein bahnbrechender Meilenstein, und er ist wichtig, er ist wichtig", sagt Biden. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, erklärt, der Präsident werde mit seinen offiziellen Glückwünschen bis nach dem Treffen Sunaks mit dem König warten: "Präsident Biden freut sich darauf, in den kommenden Tagen mit Sunak zu sprechen und unsere enge Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich fortzusetzen."

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg

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