Österreich:Sp*innen die?

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Ein Verbot des Genderns sei ein Rückschritt, heißt es in einem offenen Brief, der als Reaktion auf Markus Söders Regierungserklärung zum Thema verfasst wurde. (Foto: Christian Ohde/Imago)

Zwischen Verbot und rein weiblicher Form: Der Streit ums Gendern nimmt Fahrt auf.

Von Cathrin Kahlweit

Die Kanzleiverordnung des Landes Niederösterreich hat eine neue Bestimmung. Auf "Gender-Stern", "Gender-Gap", "Gender-Doppelpunkt" und "Binnen-I" wird in Behördentexten künftig verzichtet. Warum das gut ist, weiß die freiheitliche Frauen- und Familiensprecherin, Rosa Ecker: Die Arbeit ihrer Partei sei der "Beweis, dass die FPÖ ihr Ohr voll und ganz beim Volk hat und sich als einzige Partei um die Themen kümmert, die der Bevölkerung ein Anliegen sind".

Ob die Bevölkerung mit Gendern befasst - oder eher nicht befasst werden möchte, sei dahingestellt. Fraglich ist auch, ob der jüngste Vorstoß des Wiener Justizministeriums eine Retourkutsche, ein kecker Sommerlochfüller oder eine Prinzipienfrage ist: Die grüne Ministerin Alma Zadić hat ein Gesetz zu "flexiblen Kapitalgesellschaften" vorgelegt, das in rein weiblicher Form daherkommt. Also mit "Gesellschafterinnen", "Mitarbeiterinnen" oder "Geschäftsführerinnen". Natürlich seien alle Männer mitgemeint. "Sprache", so Zadić, "beeinflusst unser Denken, unsere Wahrnehmung und unser Handeln."

Die Reflexe in Form von Denken und Handeln waren wenig überraschend. Die ÖVP kann keinen Beitrag zur Geschlechtergleichheit erkennen. Die FPÖ beklagt, dass die "deutsche Sprache verunstaltet" werde; schließlich seien bei der männlichen Form die Frauen inkludiert, bei der weiblichen Form die Männer aber nicht. Das Gesetz sei eine "sprachliche Absurdität". Die SPÖ begrüßt den Vorstoß, fordert aber mehr Inhalt statt Form bei der Frauenförderung. Und die Neos erkennen Sprache "als Machtfaktor" an, wollen aber lieber weiter "Gesellschafter und Gesellschafterinnen" schreiben.

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Und so hat Österreich nach 1) FPÖ-Chef Herbert Kickl als Gottseibeiuns der Politik, 2) der Frage, wer nicht mehr normal ist, und 3) der Bedeutung des Schnitzels für die kulturelle Identität der Konservativen einen 4) neuen Aufreger, den der renommierte Verfassungsjurist Heinz Mayer, kein Fan feministisch gegenderter Schriftsätze, als "Ausdruck eines seltsamen Zeitgeistes" bezeichnet.

Die grüne Ministerin Alma Zadić ist, was ihr Vorgehen angeht, immerhin sehr konsequent. Sie hatte unlängst in einem Video für die "Europäische Gesellschaft für Geschlechtergleichheit" gefordert, dass 1) die Glasdecke, die Frauen am Aufstieg hindert, durchbrochen wird, dass 2) Männer mehr "Frauenarbeit" übernehmen und dass 3) Frauen solidarisch sind: "Sagen Sie, wie toll die Ideen anderer Frauen sind." In diesem Sinne: Chapeau.

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