Gedrosselte Gas-Lieferungen:Habeck ruft zum Energiesparen auf

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"Jede Kilowattstunde hilft in dieser Situation": Robert Habeck appelliert an Bürger und Unternehmen, Gas einzusparen. (Foto: IMAGO/Chris Emil Janssen/IMAGO/Chris Emil Janßen)

Das russische Energieunternehmen Gazprom reduziert die Lieferungen drastisch. Wirtschaftsminister Habeck stimmt auf harte Zeiten ein, die Bundesnetzagentur regt eine Absenkung der Mindesttemperatur für Mietwohnungen an.

Nach der Drosselung von Gasliefermengen durch den russischen Gazprom-Konzern hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erneut zum Energiesparen aufgerufen. In einem am Mittwochabend über Twitter verbreiteten Video dankte der Grünen-Politiker der Bevölkerung und den Unternehmen für ihre bisherigen Bemühungen. Habeck appellierte mit Blick auf das Energiesparen zugleich: "Es ist jetzt der Zeitpunkt, das zu tun. Jede Kilowattstunde hilft in dieser Situation." Die Situation sei ernst, sie gefährde die Versorgungssicherheit in Deutschland aber nicht.

Habeck mahnte: "Wir müssen wachsam sein. Wir müssen konzentriert weiterarbeiten. Vor allem dürfen wir uns nicht spalten lassen. Denn das ist das, was Putin vorhat."

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Gazprom hatte am Mittwoch wieder die Gasliefermengen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland reduziert. Von der Nacht zu Donnerstag an sollten täglich nur noch maximal 67 Millionen Kubikmeter durch die Leitung gepumpt werden, hatte Gazprom angekündigt. Erneut begründete das Staatsunternehmen diesen Schritt mit Verzögerungen bei Reparaturarbeiten.

Bereits am Dienstag hatte Gazprom die Reduktion des bisher geplanten Tagesvolumens von 167 Millionen um rund 40 Prozent auf 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag verkündet und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen. Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hatte daraufhin mitgeteilt, dass eine in Kanada überholte Gasturbine aufgrund der Russland-Sanktionen derzeit nicht aus Montréal zurückgeliefert werden könne. Die neuerliche Reduktion auf 67 Millionen Kubikmeter bedeutet eine Drosselung um rund 60 Prozent innerhalb von zwei Tagen.

Nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will Russland mit den Lieferkürzungen Unruhe stiften. "Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben. Es ist offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben", hatte der Grünen-Politiker gesagt. Aktuell könnten die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen. Es werde aktuell noch eingespeichert: "Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet."

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Die Gasspeicher in Deutschland waren zuletzt zu rund 56 Prozent gefüllt. Für Deutschland ist Nord Stream 1 die Hauptversorgungsleitung mit russischem Gas. Zuvor war schon die Leitung Jamal-Europa, die durch Polen führt, nicht mehr befüllt worden. Reduziert ist auch die Durchleitung von russischem Gas durch die Ukraine. Unter anderem durch die bisherigen Einschränkungen hatten sich die Energiepreise erhöht, weil insgesamt weniger Gas von Russland nach Europa fließt.

Netzagentur schlägt Absenkung der Mindesttemperatur in Mietwohnungen vor

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, will derweil den Druck auf private Haushalte und Firmen erhöhen, Gas zu sparen. "Im Mietrecht gibt es Vorgaben, wonach der Vermieter die Heizungsanlage während der Heizperiode so einstellen muss, dass eine Mindesttemperatur zwischen 20 und 22 Grad Celsius erreicht wird. Der Staat könnte die Heiz-Vorgaben für Vermieter zeitweise senken. Darüber diskutieren wir mit der Politik", sagte Müller der Düsseldorfer Rheinischen Post. Es sei wichtig, so viel Gas zu sparen wie möglich, um über den nächsten Winter zu kommen. Unternehmen sollen mit Prämien zum Gassparen animiert werden: "Wir möchten Mechanismen etablieren, um Unternehmen, die freiwillig Gaskontingente abtreten, mit einer Prämie zu belohnen. Es ist immer besser, wenn Anpassungen über Preise geschehen als über dirigistische Vorgaben", so Müller weiter.

Der Netzagentur-Chef erwartet weiter steigende Gaspreise und kräftige Nachzahlungen: "Schon jetzt haben sich die Gaspreise für private Haushalte gegenüber der Vorkriegs-Zeit vervielfacht. Für Mieter kann es eine böse Überraschung geben, wenn hohe Nachzahlungen fällig werden. Das können schnell mehr als tausend Euro sein, da werden Schockwellen durch das Land gehen. Banken werden ihre Geschäfte mit Ratenkrediten hochfahren, angeschlagenen Firmen droht die Insolvenz."

Nach Angaben von Verbraucherschützern und Mieterbund geben Energieversorger schon jetzt die stark gestiegenen Kosten an Verbraucher weiter. "Viele Kundinnen und Kunden erleben derzeit enorme Preissteigerungen für Öl, Gas und Strom", sagte Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Ob Abschläge oder Tarife - auf Haushalte komme gerade ein Preiserhöhungswelle zu, sagte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Auch Stadtwerke hätten die Gaspreise teils um 100 Prozent und mehr erhöht. "Nach unserer Auffassung erzielen nicht wenige Anbieter Mitnahmeeffekte", sagte Sieverding. Er forderte die Kartellbehörden zu Untersuchungen bei Versorgern auf, "um Signale in die Branche zu geben, bei den Preiserhöhungen Maß zu halten". Überdies müsse die Politik zusätzliche Entlastungen auf den Weg bringen.

Auch der Mieterbund mahnte zusätzliche Hilfen der Politik an. "Statt Einmalzahlungen benötigen wir eine dauerhafte Entlastung bei Heizkosten, mindestens für die Zeit der Energiekrise", sagte Weber-Moritz. "Zudem muss sichergestellt werden, dass Mieterinnen und Mietern nicht gekündigt werden kann, wenn sie ihre hohe Nachzahlung nicht innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Nebenkostenrechnung zahlen können." Der Mieterbund sieht überdies die Vermieter in der Pflicht: Diese seien aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes angehalten, vergleichende Angebote einzuholen, also nach den preiswertesten Anbietern für Gas oder Heizöl zu suchen.

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