Nahost:Im Gaza-Konflikt ruhen die Waffen

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Inmitten der Trümmer: das Flüchtlingslager Nuseirat in Gaza am 14. Mai (Foto: MOHAMMED ABED/AFP)

Israel und der Islamische Dschihad beenden durch Vermittlung Ägyptens ihre Kämpfe. Es ist wohl nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Nach fünf Tagen war der Durchbruch endlich geschafft: Für 22 Uhr am Samstagabend wurde zwischen Israel und dem Islamischen Dschihad im Gazastreifen ein Waffenstillstand annonciert, mithilfe intensiver ägyptischer Vermittlung. Doch in der Stunde danach schrillte im Grenzgebiet noch der Raketenalarm, und Israels Luftwaffe flog eine Runde letzter Angriffe. Erst nach und nach kehrte Ruhe ein. Die Erleichterung auf beiden Seiten wird nun von dem an Gewissheit grenzenden Gefühl begleitet, dass auch dieses Abkommen nur eine Pause zwischen zwei Waffengängen markiert.

Ablesen lässt sich das auch an den offiziellen Erklärungen, mit denen Israelis wie Palästinenser auf das Waffenstillstandsabkommen reagierten. "Ruhe wird mit Ruhe beantwortet werden", hieß es aus Jerusalem vom Nationalen Sicherheitsberater Zachi Hanegbi zum Ende der Operation "Schild und Pfeil". Bei einer erneuten Bedrohung werde jedoch sofort wieder "alles getan, was nötig ist". Aus dem Gazastreifen meldete das gemeinsame Kommandozentrum der militanten Organisationen, dass die Kämpfe nun zwar vorüber seien - "aber wir bleiben bereit mit einem festen Finger am Abzug".

Eine erste Bilanz der vergangenen fünf Tage: Auf Israel waren aus dem Arsenal des Islamischen Dschihad exakt 1478 Raketen und Mörsergranaten abgeschossen worden. Die Schäden blieben gering dank des Abwehrsystems Iron Dome, das mehr als 90 Prozent aller gefährlichen Geschosse unschädlich machte. Die israelische Seite hob zudem hervor, dass erstmals das für Raketen mittlerer Reichweite aufgebaute Abwehrsystem Davids Schleuder den Praxistest bestanden habe.

Ohne Lücken ist der Abwehrschirm nicht

Ohne Lücken aber ist der Abwehrschirm nicht. Bei einem Raketeneinschlag in ein Wohnhaus in Rehovot südlich von Tel Aviv war eine 80 Jahre alte Israelin gestorben. Am Samstag gab es einen Todesfall, der die Absurdität des Konflikts unterstreicht: Splitter einer vom Islamischen Dschihad abgefeuerten Rakete töteten auf israelischem Gebiet einen 35 Jahren alten Mann aus dem Gazastreifen, sein Bruder wurde schwer verletzt. Beide hielten sich mit Arbeitserlaubnis in Israel auf.

Genau 422 Angriffe flog Israels Luftwaffe insgesamt auf Ziele im Gazastreifen. Im Visier war die militärische Infrastruktur des Islamischen Dschihad mit Waffenfabriken und -lagern sowie Abschussvorrichtungen. Das Gesundheitsministerium in Gaza gibt die Todeszahl auf palästinensischer Seite mit 33 an, darunter sechs Kinder. Gezielt getötet wurden auch sechs hohe Kommandeure der Miliz.

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In Israels Sicherheitskreisen werden die Angriffe wegen der erheblichen Schwächung des Islamischen Dschihad deshalb als Erfolg bewertet. Auch die Entscheidung der im Gazastreifen herrschenden Hamas, sich aus den Kämpfen herauszuhalten, verbucht man gern als Beleg für Israels Abschreckungskraft. Zweifellos gestärkt geht Israels Premierminister Benjamin Netanjahu aus dem Waffengang hervor. Er nutzte die Gelegenheit, sich wieder in seiner Lieblingsrolle als Garant für Israels Sicherheit zu präsentieren. Zumindest auf Zeit ist der innenpolitische Streit um den geplanten Umbau des Justizsystems in den Hintergrund geraten. Am Samstagabend war wegen der Sicherheitslage erstmals seit 19 Wochen sogar die sonst übliche Massendemonstration in Tel Aviv abgesagt worden.

Als Sieger müssen sich nun dem eingeübten Drehbuch des Konflikts folgend aber auch die schwer getroffenen Anführer des Islamischen Dschihad zeigen. Aus seinem sicheren Exil in Beirut und bisweilen Damaskus, wo er die Kontakte zur libanesischen Hisbollah und zu den Paten in Iran pflegt, schickte Siad al-Nachala eine Videobotschaft. Er erinnerte darin an die getöteten Kommandeure mit den Worten: "Eine Nation, deren Anführer als Märtyrer sterben, wird niemals geschlagen werden." Im Gazastreifen strömten die Menschen nach Verkündigung des Waffenstillstands Berichten zufolge wieder auf die Straßen. Gefeiert wurde aber wohl eher nicht die Führung. Sondern die Ruhe.

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