Nordrhein-Westfalen:Menschen statt Bagger

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Noch drehen sich die Baggerschaufeln im Braunkohletagebau Garzweiler. (Foto: Jochen Tack/IMAGO)

Die schwarz-grüne Landesregierung entwirft eine helle Zukunft für das Rheinische Revier - mit Wiesen, Landwirtschaft und naturnahen Seen, ohne Kohle und Zwangsumsiedlungen. Doch es gären Zweifel an dieser Vision.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Papier ist geduldig. Das gilt auch für die 45 Seiten, die jetzt Mona Neubaur präsentiert hat, die Wirtschafts- und Klimaministerin von Nordrhein-Westfalens schwarz-grüner Regierung: Ihre sogenannte "Leitentscheidung" beschreibt in spröder Bürokratensprache die Zukunft einer Region, die der Mensch seit 150 Jahren umgewälzt hat - ganze Wälder und zahllose Dörfer mussten den riesigen Baggern weichen, die 200 bis 400 Meter tiefe Erdlöcher gruben und vorübergehend Mondlandschaften schufen. Und wo Proteste von Klimaaktivisten - etwa 2018 im Hambacher Forst oder im Weiler Lützerath im Januar - die Republik erschütterten.

Mit ihrem Papier schreibt die grüne Ministerin nicht weniger als das allerletzte Kapitel des Rheinischen Braukohlereviers. Neubaurs Zeilen verheißen einerseits Befriedung, indem sie nun "vorzeitig und sozialverträglich" das Ende aller Zwangsenteignungen und Umsiedlungen dekretieren. Zudem malt die Ministerin dem Revier eine helle Zukunft aus, in der Bauern rekultivierte Äcker und Wiesen zurückerobern und anno 2065 "naturnahe Seen" die Narben des Kohleabbaus verdecken und Touristen anlocken.

Früheren Bewohnern wird ausdrücklich das Recht auf Wiederkehr gewährt

Antje Grothus jedenfalls, langjährige Braunkohlegegnerin, "Hambi"-Aktivistin und inzwischen grüne Landtagsabgeordnete, stellt ihrer Parteifreundin Neubaur deshalb ein wohlwollendes Zeugnis aus. Da sei "eine grüne Handschrift erkennbar", lobt Grothus die Pläne. Nicht nur seien endgültig fünf Dörfer nahe der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler II gerettet. Den früheren Bewohnern, von denen die meisten längst in eine Neubausiedlung nördlich der Stadt Erkelenz umgezogen sind, wird ausdrücklich ein Recht auf Wiederkehr gewährt: Ex-Bürger von Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath erhalten (wie auch ihre Kinder) von 2024 an die Möglichkeit, Haus, Hof und Heimat vom Energiekonzern RWE zurückzukaufen.

Die NRW-Landesregierung verspricht, aus den alten, oft seit Jahren leer stehenden Gebäuden regelrechte "Zukunftsdörfer" zu machen. Neubaur nennt die Wiederauferstehung tot geglaubter Dörfer eine "nie da gewesene Aufgabe" - und skizziert eine kleine neue Welt: mit sehr viel Bürgerbeteiligung geplant und "klimagerecht, flächensparend und/oder ressourcenschonend" gebaut. Dazu will Düsseldorf zusätzliche Fördermittel bereitstellen; die Stadt Erkelenz allein wäre damit überfordert. Wie viele Millionen da aus der Landeshauptstadt fließen werden, lässt das Papier freilich offen.

Zweifel bleiben. Zukunftsgemälde von blauen Seen mit Badesteg und Booten hält auch die lokale Abgeordnete Antje Grothus "in Zeiten des Klimawandels für bedenklich". Die nötigen Wassermassen für die Verfüllung der Reviere Hambach und Garzweiler sollen laut Leitentscheidung bei Dormagen aus dem Rhein gepumpt und per Pipeline ins Revier strömen. Längst gären Widerstände.

Die Anwohner-Initiative findet, CDU und RWE hätten sich "mal wieder durchgesetzt"

Anders als Grothus vermag die Anwohner-Initiative "Alle Dörfer bleiben" (ADB) denn auch keine "grüne Handschrift" in Neubaurs Papier ausmachen. Die CDU und das Unternehmen RWE, so schimpfen die Kohlegegner, hätten sich "mal wieder durchgesetzt". ADB bemängelt, dass die Leitentscheidung eine Hintertür offen hält, zur Wahrung der Versorgungssicherheit mit Strom den Braunkohleabbau in Garzweiler II um drei Jahre bis 2033 zu verlängern. Die schwarz-grüne Landesregierung halte an der Kohleverstromung fest, obwohl Gutachten nachgewiesen hätten, dass die Verstromung von Kohle spätestens gegen Ende des Jahrzehnts marktwirtschaftlich wie ökologisch unsinnig sei.

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Zudem, so kritisiert ADB, habe RWE bereits heute gegen Vorschriften der neuen Leitentscheidung verstoßen: Die schreibe nämlich einen Mindestabstand des Tagebaus von 400 Metern zu Siedlungen vor, in Keyenberg seien es nur noch 355 Meter. Neubaurs Ministerium bedauert, dort sei schon 2022 gebaggert worden. In der alten Welt also.

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