Freispruch von Avigdor Lieberman:Der Poltergeist kehrt zurück

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Beten nach dem Freispruch: Der ehemalige Außenminister Avigdor Lieberman an der Klagemauer. Israels Premier Benjamin Netanjahu holt ihn nun zurück in die Regierung. (Foto: AFP)

Für Feingefühl ist Israels Ex-Außenminister Avigdor Lieberman nicht gerade bekannt. Nach seinem Freispruch kann er nun nach fast einem Jahr sein Amt wieder übernehmen. Genau das aber löst im In- und Ausland außer Gratulationen auch große Befürchtungen aus.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israels Justiz hat dem ehemaligen Außenminister Avigdor Lieberman den Weg zurück ins Amt geebnet. Ein Gericht in Jerusalem sprach den Rechtspopulisten am Mittwoch von den Vorwürfen des Betrugs und Amtsmissbrauchs frei. Lieberman, der wegen der Anklage im Dezember 2012 seinen Posten geräumt hatte, präsentierte sich anschließend in Siegerlaune und dankte der Familie, Freunden und den Richtern.

"Dieses Kapitel liegt nun hinter mir", rief er, "ich konzentriere mich nun auf die vor mir liegenden Herausforderungen." Innen- und außenpolitisch könnte das von manchen durchaus als Drohung empfunden werden. Doch Premierminister Benjamin Netanjahu gratulierte sogleich per Telefon und erklärte, "ich freue mich, dass du in die Regierung zurückkehrst, so dass wir weiter gemeinsam für das Wohl Israels arbeiten können."

Der 55-jährige Lieberman zählt seit vielen Jahren zu den mächtigsten, aber auch umstrittensten Politikern des Landes. Er hat sich als notorischer Kraftmeier positioniert - und damit immer wieder auch polarisiert. Zunächst hatte er im Likud unter anderem als Netanjahus Bürochef gedient, 1999 schuf sich der Einwanderer aus der früheren Sowjetrepublik Moldawien eine eigene Machtbasis mit der Partei "Israel Beitenu" ("Unser Haus Israel"), die vor allem die mehr als eine Million russischer Immigranten vertritt.

Anklage in einem vergleichsweise harmlosen Fall

Von Beginn an war Liebermans Karriere von Vorwürfen der Korruption, des Betrugs und der Geldwäsche sowie von Berichten über Kontakte zur russischen Mafia begleitet. Die seit 1997 laufenden umfassenden Ermittlungen gegen ihn führten jedoch schließlich aus Mangel an Beweisen vor knapp einem Jahr nur zu einer Anklage in einem vergleichsweise harmlosen Fall: Lieberman soll als Außenminister die Berufung des Diplomaten Zeev Ben-Aryeh zum Botschafter in Lettland befördert haben - als Belohnung dafür, dass ihn Ben-Aryeh zuvor mit geheimen Dokumenten vor polizeilichen Ermittlungen gewarnt hatte.

Ben-Aryeh war deshalb bereits im Oktober vorigen Jahres verurteilt worden, Lieberman selbst hatte im Falle einer Strafe seinen Rückzug aus der israelischen Politik angekündigt, wenn auch mit einigen Hintertürchen. Der Prozess war zeitweise zur Schlammschlacht ausgeartet, weil sich Liebermans früherer Stellvertreter Danny Ayalon zu einer öffentlichen Abrechnung mit seinem Ex-Chef aufgeschwungen hatte. Doch am Ende zeigten sich die drei Richter auch davon unbeeindruckt und urteilten einstimmig, dass Lieberman zwar "ordnungswidrig" gehandelt, sich jedoch keines Verbrechens schuldig gemacht habe.

Die Staatsanwaltschaft muss noch entscheiden, ob sie in die Berufung geht. Doch allgemein wird nun mit der schnellen Rückkehr Liebermans ins Außenamt gerechnet, das Netanjahu während der vergangenen elf Monate für seinen Partner frei gehalten hat. In den Chor der Gratulanten mischt sich allerdings auch Kritik. Oppositionsführerin Schelly Yachimovich von der Arbeitspartei forderte den Premier auf, Liebermans Comeback zu verhindern. "Das ist ein Außenminister, der Israel Schaden zugefügt hat", klagte sie.

Tatsächlich hatte er als Minister die Diplomatie als eine Art Kampfsport betrieben und sich dabei nicht nur Israels Feinde, sondern immer wieder gern auch die Verbündeten vorgeknöpft. Seine Rückkehr birgt also manches Risiko, zumal in diesen angespannten Zeiten, in denen israelisches Störfeuer zum Beispiel gegen die gerade begonnenen neuen Atom-Verhandlungen des Westens mit Iran international als kontraproduktiv verurteilt werden könnte.

Auch auf den Friedensprozess mit den Palästinensern dürfte Liebermans Rückkehr ins Außenministerium nicht gerade beflügelnd wirken. Er selber wohnt in einer Siedlung im Westjordanland, den Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas nennt er einen "diplomatischen Terroristen", und überhaupt hat er nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Verhandlungen derzeit für Zeitverschwendung hält.

Zu erwarten ist, dass die USA darauf dringen werden, den Poltergeist soweit wie möglich von den seit Juli laufenden Verhandlungen fernzuhalten. Dennoch könnte er Justizministerin Tzipi Livni, die in der Regierung für den Friedensprozess zuständig ist, den ohnehin nicht leichten Job erschweren. Livni konnte sich nach dem Urteil nur zu der eher schmallippigen Gratulation aufraffen, dass sie "persönlich glücklich" sei über den Freispruch.

Doch auch innenpolitisch kann Liebermans Rückkehr weitreichende Wirkung und Wirbel entfalten. Seine schiere Präsenz im Kabinett dürfte dazu führen, die Gewichte in der Koalition nach rechts zu verschieben. Er könnte sogar versuchen, die von seinem persönlichen Freund Aryeh Deri geleitete ultra-orthodoxe Schas-Partei wieder in die Regierung zu lotsen und die liberaleren Kräfte herauszudrängen.

Gefährlich wird die Rückkehr des Partners allen Freudenbekundungen zum Trotz aber nicht zuletzt für Netanjahu. Denn Liebermans Ziel war stets das Premiersamt - und auf dem Weg dorthin kann er nun befreit von juristischen Lasten wieder den Kampf um die Vorherrschaft im rechten Lager aufnehmen.

© SZ vom 07.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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