Die letzten Momente vor dem Spiel, die letzten Anweisungen vor dem Anpfiff gegen den ägyptischen Frauenfußball-Meister Wadi Degla - die kommenden 90 Minuten sind wichtig. Aber sie sind nicht das Wichtigste für die libyschen Fußballerinnen. Für sie zählt vor allem, dass sie überhaupt dabei sind beim Festival "Discover Football" im Libanon. Es gibt in Libyen keine Fußballliga für Frauen, diese Mannschaft ist das einzige offiziell existierende Frauenteam und damit eine Art Nationalmannschaft. Auch in den Herkunftsländern der anderen teilnehmenden Teams hat es der Frauenfußball in der Regel nicht leicht - wie es Frauen dort generell nicht leicht haben.
"Discover Football", ein Projekt des Berliner Vereins Fußball und Begegnung, veranstaltet deshalb seit fünf Jahren regelmäßig Turniere, bei denen Teams aus aller Welt zusammenkommen. Normalerweise finden sie in Berlin statt, diesmal aber im Libanon. In den vergangenen drei Jahren hat Discover Football schwerpunktmäßig mit Fußballerinnen und Frauenrechtsaktivistinnen aus dem Nahen Osten und Nordafrika zusammengearbeitet, außerdem ist Jordanien im Oktober 2016 Austragungsort des U-17-World Cup der Frauen. "Wir wollten die Wahrnehmung von Frauenfußball im arabischen Raum stärken", sagt Dana Rösiger von DFC. Deshalb wurde das diesjährige Festival Anfang August nach Libanon verlegt. Eine Woche lang zog es von Beirut aus in mehrere Städte und wieder zurück in die Hauptstadt. Im Bild: Johanna und Vicky vom Team "Discover Football Club" vor einem Spiel gegen die Jordanierinnen. Vorher haben sie noch Workshops und Fußballtraining für Mädchen in Sour gegeben, einer Küstenstadt etwa 80 Kilometer südlich von Beirut.
Das Team der Girls Football Academy aus dem Libanon (im Bild: Spielerin Farah Mahdi) stand am Ende im Finale um den Titel. Es unterlag aber den Ägypterinnen. In den vergangenen 20 Jahren wurden in der sogenannten Mena-Region (Middle East and North Africa) mehrere Frauenfußballvereine gegründet. In vielen Ländern kämpfen die Fußballerinnen aber immer noch gegen große Widerstände. Eine Förderung des Frauenfußballs von staatlicher Seite, von öffentlichen Institutionen und auch von der Zivilgesellschaft gibt es oft nicht.
Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern der Region: Das Nationalteam Jordaniens beispielsweise wird mittlerweile recht gut gefördert (im Bild: die Torfrau des teilnehmenden Teams Al batraa, das in Jordanien in der dritten Liga spielt), auch die Fußballerinnen in Palästina genießen immer mehr Anerkennung - im Libanon dagegen fehlt es fast gänzlich an Unterstützung.
Die Fußballerinnen der Girls Football Academy feiern ihren Einzug ins Halbfinale nach einem spannenden Spiel gegen das jordanische Team. Ob der Ligabetrieb im Libanon aufrechterhalten werden kann, ist fraglich: Von den zehn Klubs, die 2006 in der Liga spielten, sind nur noch fünf Klubs übrig. Die Vereine werden durch hohe Gebühren und Sportplatzmieten belastet, der Zugang zu Fußballplätzen für Frauenteams ist extrem eingeschränkt. Die Frauenteams erhalten so gut wie keine materielle und strukturelle Unterstützung vom Verband. Die schlechte Situation des Sports hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass er wenig Anerkennung in der libanesischen Gesellschaft erfährt. Zum einen gibt es Vorbehalte gegenüber Frauen und Mädchen, die einen "Männersport" ausüben. Zum anderen ist es - vor allem in ländlichen Regionen - wenig bekannt, dass Fußball weltweit und in Libanon überhaupt von Frauen und Mädchen gespielt wird.
Dabei ist die Begeisterung von Spielerinnen und Zuschauerinnen beim Festival groß und zeigt das Potenzial des Sports, Geschlechtergerechtigkeit und Begegnungen über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg zu fördern. In fast allen Frauenfußball-Teams der libanesischen Liga beispielsweise spielen griechisch-orthodoxe, christlich-protestantische, römisch-katholische, sunnitische, schiitische und drusische Spielerinnen zusammen. Im Bild: die ägyptische Abwehrspielerin Noura - gerade als Zuschauerin.
Musik spielt beim Festival traditionell eine wichtige Rolle. Das Rahmenprogramm besteht aus Auftritten von regionalen Bands, einem Fotowettbewerb zum Thema Frauenfußball, Infoständen zu allen Ländern der Welt und Filmvorführungen.
Nicht nur die Workshop-Teilnehmerinnen in Sour verfolgten die offiziellen Turnierspiele, sondern auch der männliche Nachwuchs des dortigen Fußballvereins. Die männlichen Profispieler in Libanons erster Liga verdienen mehrere Tausend US-Dollar im Monat - bei den Frauen gibt es in der Regel für ein Erstligateam ein paar hundert Dollar als Reisekostenerstattung für Auswärtsspiele.
Vormittags, vor den Turnierpartien, trainierten alle Spielerinnern interessierte junge Frauen, von denen manche noch nie zuvor einen Ball am Fuß hatten, und brachten ihnen die Grundlagen des Sports bei. Dafür hatten sie zuvor die Grundlagen des Trainerberufs erlernt. Das Wissen darüber sollten sie wiederum in ihre Heimatländer tragen.
Die Nachwuchsspielerinnen feierten ihre Tore, als hätten sie die WM gewonnen. Am Finaltag in Beirut spielten sie ihrerseits um den "Mädchencup".
Diese Teilnehmerin des Camps in Bhamdoun nahe Beirut ist noch keine fünf Jahr alt, steckt aber voller Energie. "Sie kam zwar nicht immer mit den Anweisungen zurecht, aber wenn sie den Ball spielen konnte, dann war sie einfach happy", erzählt Dana Rösiger von Discover Football.
Halema, die libysche Torhüterin, bereitet sich mental auf die Partie ums Halbfinale gegen Diyar aus den palästinensischen Gebieten vor. Beide Teams hatten es nicht leicht, zum Turnier zu kommen: Fünf Stunden hingen die Libyerinnen am Flughafen in Beirut fest und wussten nicht, ob sie einreisen dürfen; die Visa der Palästinenserinnen kamen so spät und die Ausreise zog sich so lange hin, dass sie ihren Anschlussflug in Jordanien verpassten und zwei Tage zu spät eintrafen - nämlich erst am Tag ihrer ersten Partie.
Reni aus Deutschland und Rayan aus Libanon hatten sich zuletzt beim "Discover Football Festival" 2013 in Berlin gesehen - entsprechend musste das Wiedersehen begossen werden.
In den ersten Tagen präsentierte sich das libysche Team eher ruhiger - auch, weil stets zwei Verbandsoffizielle dabei waren. Im Laufe des Turniers tauten die Spielerinnen aber auf. Die Mannschaft aus Libyen belegte am Ende den fünften Platz - von sechs Teilnehmern. Aber um den Sieg ging es hier nun wirklich nicht.