Rentenreform in Frankreich:Franzosen sollen bis 64 arbeiten

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Der Sonnenuntergang auf der Insel Ile d Oléron muss warten. Die französischen Regierung möchte das Renteneintrittsalter anheben. (Foto: alimdi/Arterra/IMAGO/imagebroker)

Die Regierung von Emmanuel Macron stellt die Pläne für ihre Rentenreform vor. Das Vorhaben ist umstritten - aber es gibt auch ein paar Zugeständnisse.

Von Kathrin Müller-Lancé, Paris

Emmanuel Macron hat diesen Tag lange vor sich hergeschoben. Eigentlich wollte der französische Präsident die umstrittene Rentenreform schon in seiner ersten Amtszeit angehen, dann kamen die Gelbwesten, dann kam Corona. Auch in seiner zweiten Amtszeit verzögerte sich die Präsentation der Reformpläne. Der Auftritt, den seine Premierministerin Élisabeth Borne am Dienstag absolvierte, hätte eigentlich schon im Dezember stattfinden sollen. Aber es gab noch Abstimmungsbedarf mit den Oppositionsparteien - und ein Fußball-WM-Finale zu spielen.

Nun also hat die französische Regierung verkündet, welche Pläne sie für die Reform des Rentensystems hat. Vor allem sollen die Französinnen und Franzosen künftig länger arbeiten. Das Renteneintrittsalter, das bisher bei 62 Jahren liegt, soll bis 2030 schrittweise auf 64 Jahre erhöht werden. Außerdem soll die Beitragsdauer schneller steigen. Eine frühere Reform sah bereits vor, dass Französinnen und Franzosen ab 2035 nur noch volle Rentenbezüge erhalten, wenn sie mindestens 43 Jahre gearbeitet haben. Das soll jetzt schon ab 2027 gelten.

Die Mindestrente steigt von 980 auf 1200 Euro

Nach wie vor früher abschlagsfrei in Rente gehen können alle, die schon besonders früh angefangen haben zu arbeiten. Wer zum Beispiel schon mit 16 begonnen hat zu arbeiten, soll mit 60 Jahren mit vollen Bezügen in Rente gehen können. Die Sonderregelungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmter Branchen, unter anderem der Pariser Verkehrsbetriebe RATP, will die Regierung auf lange Sicht abschaffen. Das soll aber erst die künftigen und nicht die aktuellen Jahrgänge betreffen. Außerdem wollen Macron und seine Minister die Mindestrente von 980 auf 1200 Euro erhöhen.

Die Rentenreform gilt als das wichtigste und umstrittenste Vorhaben von Macrons zweiter Amtszeit. Schon seit Wochen machen die Gewerkschaften und Oppositionsparteien Stimmung gegen das, was der Präsident und seine Regierung planen. In Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Französinnen und Franzosen gegen die Reform aus. Die Maßnahmen seien notwendig, um langfristig Defizite bei der Finanzierung der Rente zu verhindern, argumentiert hingegen die Regierung. "Es ist eine Tatsache, um die alle wissen. Die Zahl derer, die Beiträge zahlen, sinkt im Vergleich zur Zahl derer, die Rente beziehen", sagte Premierministerin Borne am Dienstag.

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In seinem Wahlprogramm hatte Macron noch dafür plädiert, das Rentenalter auf 65 Jahre anzuheben. Dass die Regierung nun 64 Jahre anstrebt, ist ein Zugeständnis an die Opposition, vor allem an die konservativen Republikaner. Ein Entgegenkommen ist auch die Entscheidung der Regierung, die Mindestrente nicht erst für künftige, sondern schon für die aktuellen Rentnerinnen und Rentner zu erhöhen. Der Parteichef der Republikaner, Éric Ciotti, hatte vor Kurzem angekündigt, dass er für eine "gerechte Reform" stimmen werde - machte dafür aber diese beiden Punkte zur Bedingung.

Die Regierung könnte auch am Parlament vorbei entscheiden

Ob die konservativen Abgeordneten die Reform tatsächlich unterstützen, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Im Februar soll die Nationalversammlung über das Gesetz diskutieren. Da Macron und seine Regierung seit den Parlamentswahlen im vergangenen Sommer keine absolute Mehrheit mehr haben, sind sie auf Stimmen aus anderen politischen Lagern angewiesen.

Sollte am Ende trotzdem eine Mehrheit gegen die Reform stimmen, bleibt der Regierung der umstrittene Paragraf 49-3 der französischen Verfassung. Mit ihm könnte sie das Gesetz am Parlament vorbei verabschieden. Das dürfte den Unmut der Opposition und der Gewerkschaften allerdings erst recht befeuern. Noch am Dienstagabend riefen die acht größten französischen Gewerkschaften zu einem ersten Streik am 19. Januar auf.

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