Frauen in hohen Ämtern sind in Frankreich nicht vorgesehen. Zumindest sprachlich: Immer wieder wird diskutiert, ob "Madame le président" (Frau Präsident) oder "Madame la présidente" (Frau Präsidentin) die korrekte Anrede für eine Frau an der Spitze ist. Möglicherweise macht sich auch Marine Le Pen schon Gedanken darüber. Die resolute Chefin des rechtsextremen Front National (FN) möchte im Mai 2017 Frankreichs erste Präsidentin werden, Umfragen sehen sie schon in der Stichwahl. Doch will sie auch dort bestehen, muss sie vor allem bei einer Wählergruppe deutlich zulegen: den Frauen.
Deshalb versucht sich Marine Le Pen verstärkt an Themen, die für eine Rechtsextreme nicht unbedingt auf der Hand liegen: Frauenrechte, gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, körperliche Selbstbestimmung. Meist bleibt Le Pen dabei im Vagen. "Die Frauenrechte in diesem Land werden zurückgedrängt", beklagte sie am Tag der Arbeit. "Es ist eine Selbstverständlichkeit, die aber heute oft vernachlässigt wird: Frauen und Männer sind einander ebenbürtig, überall, in jedem Punkt", sagte sie beim Wahlkampfauftakt im Sommer. Sie betont auch, dass Frauen das Recht hätten abzutreiben. Die Kostenerstattung für diesen Eingriff will sie aber abschaffen.
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert
Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.
Auch die Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht hat Le Pen genutzt, um sich als vermeintliche Frauenrechtlerin zu positionieren. "Ich denke an die Worte von Simone de Beauvoir: 'Vergesst nie, dass es nur zu einer politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Krise kommen muss, um die Frauenrechte in Frage zu stellen.' Und ich befürchte, dass die Flüchtlingskrise der Anfang vom Ende der Frauenrechte ist", schrieb Le Pen in der Tageszeitung L'Opinion.
Dass sie sich die Worte der bekannten Philosophin und Frauenrechtlerin zu eigen machte, erzürnt viele Französinnen. "Hier wird der feministische Diskurs instrumentalisiert, um Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu verbreiten", sagt Suzy Rojtman, Sprecherin der Nationalgemeinschaft für Frauenrechte. Mit etwa zehn anderen Vertreterinnen feministischer Organisationen bietet Rojtman seit Kurzem eine Art Faktencheck im Internet an - für Aussagen von Marine Le Pen und ihren Parteigenossen, aber auch anderer Bewegungen wie der homophoben La Manif pour tous. "Wir Feministinnen stehen hier in der Verantwortung", sagt Rojtman zur SZ. "Wir müssen ihre populistischen und demagogischen Ansichten offenlegen."
Bisher liefert die Seite "Frauenrechte gegen Rechtsextreme" vor allem Hintergrundinformationen. Es wird aufgezählt, in welchen Fällen FN-Abgeordnete in der Nationalversammlung und im Europaparlament Gesetzentwürfe abgelehnt haben, die Frauen mehr Rechte eingebracht hätten. Man erfährt, wo FN-Verantwortliche das kostenlose Schulessen für Kinder schlecht verdienender Eltern streichen und wer im Falle eines Wahlsieges Einrichtungen, die über Abtreibung informieren, die finanzielle Unterstützung entziehen möchte.
"Familie" ist ein zentraler Begriff im FN-Parteiprogramm
Denn tatsächlich vertritt der Front National bei den Themen Gleichstellung, Abtreibung und Leihmutterschaft äußerst konservative Ansichten, "Familie" ist ein zentraler Begriff im Parteiprogramm. Zwar ist das Frauenbild moderner geworden, seitdem Marine Le Pen vor fünf Jahren den Parteivorsitz von ihrem Vater übernommen hat. Trotzdem wird die Rolle der Frau in der Gesellschaft immer noch so traditionell interpretiert, dass Abgeordnete öffentlich über die Vorteile nicht berufstätiger Frauen schwadronieren können, "dann werden ja Arbeitsplätze frei". Marine Le Pen hat selbst schon einmal eine Art Herdprämie für Mütter vorgeschlagen.
Dabei lebt die FN-Chefin selbst im Widerspruch zu diesen politischen Ansichten und versucht auch, bei Wählerinnen damit zu punkten. Die 48-jährige Juristin ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern, sie wirkt im Gegensatz zur französischen Politikerelite bodenständig und zupackend. Nachdem sie den Parteivorsitz übernommen hat, hat sie nicht nur die alten FN-Kader in den Ruhestand geschickt, sondern auch ihren Vater mit seinen antisemitischen Ausfällen massiv in die Schranken gewiesen.
Neben Le Pens neu entdeckter Liebe für die Gleichberechtigung wirkt ihr Frausein aber noch auf einer anderen Ebene. Ihr Slogan "La France apaisée" (Das befriedete Frankreich) soll Frauen wie Männern die beruhigende Botschaft vermitteln: Vertraut dieser fürsorglichen Mutter, sie führt euer Land zurück zu Wohlstand und sozialem Frieden. Welche veraltete Rolle den Frauen in diesem Land zukommen würde, wird nicht verraten.