Frankreich:Macron arbeitet an Versöhnung mit Algerien

Lesezeit: 2 min

Emmanuel Macron bei seiner Rede im Élyséepalast. (Foto: GONZALO FUENTES/AFP)

Man müsse den Weg der Anerkennung geschehenen Unrechts weitergehen, sagt der Präsident 60 Jahre nach dem Ende des Kriegs in der ehemaligen Kolonie - "wir werden es schaffen".

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat zum 60. Jahrestag des Waffenstillstands im Algerienkrieg für weitere Versöhnung zwischen Frankreich und der ehemaligen französischen Kolonie geworben. Den Weg der Anerkennung von geschehenem Unrecht werde man nun weiter beschreiten müssen, sagte Macron in einer Rede im Élyséepalast in Paris.

"Der Algerienkrieg und das, was darüber verschwiegen wurde, waren Grundlage geworden - und sind es noch heute - ... für Groll." Er wolle bei der Gedenkfeier mit 200 Gästen - unter ihnen ehemalige Kämpfer der gegnerischen Seiten, aber kein einziger offizieller Vertreter der algerischen Regierung - die verschiedenen Sichtweisen auf den Krieg versammeln und es so ermöglichen, auf dem Weg der Aufarbeitung weiter voranzukommen. "Es wird unvermeidbar noch Momente der Gereiztheit geben, es wird noch Gefühle von Ungerechtigkeit geben, aber wir werden es schaffen."

Im Algerienkrieg kämpften zwischen 1954 und 1962 algerische Unabhängigkeitsverfechter gegen die französische Kolonialmacht, die das Land seit 1830 beherrschte und den Befreiungskampf brutal unterdrückte. In Évian am Genfer See wurde am 18. März 1962 ein Waffenstillstandsabkommen zwischen der französischen Regierung und der algerischen Nationalen Befreiungsfront FLN geschlossen; tags darauf endete der Krieg, der hunderttausende Opfer gekostet hatte.

Beziehungen noch immer gespannt

Der Konflikt war in Frankreich lange mit Tabus behaftet. Die Eingliederung der ursprünglich aus Europa stammenden Algerienfranzosen (Pieds-Noirs) verlief schwierig; bei vielen Harkis - jenen Algeriern, die für die Kolonialherren gekämpft hatten und nach 1962 vor der Rache ihrer Landsleute flohen -, gelang sie kaum. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind bis heute gespannt. Macron erkannte immerhin, wie schon sein Vorvorgänger Nicolas Sarkozy, eine historische Verantwortung Frankreichs an. Schon 2017 nannte Macron die Kolonialisierung "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eine regelrechte Barbarei. Sie ist Teil einer Vergangenheit, der wir uns stellen müssen und für die wir uns bei den Opfern entschuldigen müssen." Seither hat er mehrmals versucht, die Hand zur Versöhnung auszustrecken und das Geschehen möglichst umfassend und wahrheitsgetreu aufzuarbeiten.

Frankreich Politik
:Ungewohnt einig

Der rechtsextreme Zemmour und der linke Mélenchon finden: Krieg ist schlecht. Dass die Präsidentschaftskandidaten in der Vergangenheit viel Verständnis für Kremlchef Putin hatten, soll keine Rolle mehr spielen.

Von Nadia Pantel

Im vergangenen Jahr machte der Historiker Benjamin Stora zahlreiche Vorschläge, wie sich das Geschichtsverständnis auf beiden Seiten einander angleichen ließe. Entsprechend versucht Macron nun, mit einer Politik der Gesten das Erinnern zu "befrieden" und Wahrheiten auszusprechen. Im Élysee erzählten am Samstag etwa vier Kriegszeugen von ihren sehr unterschiedlichen Erlebnissen und Erinnerungen. Daneben hat Macron schon mehrmals die französische Verantwortung für bestimmte Morde und Massaker während des Algerienkriegs und in der Zeit danach eingestanden.

Macrons rechte und rechtsextreme Konkurrenten im laufenden Präsidentschaftswahlkampf halten diesen Kurs für grundfalsch. Es gebe keinen Anlass für Frankreich, etwas zu bereuen oder sich zu entschuldigen, betont etwa Marine Le Pen. Macron betreibe Geschichtsklitterung, sagt auch die Kandidatin der konservativen Républicains, Valérie Pécresse.

© SZ/dpa/kit - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Präsidentschaftswahl in Frankreich
:TV-Wahlkampf im Schatten des Ukrainekrieges

Frankreichs Präsidentschaftskandidaten debattieren über die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine - Energieversorgung und steigende Preise. Der Wahlkampf ist bei den Themen angekommen, für die sich die Bürger interessieren.

Von Nadia Pantel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: