Präsidentschaftswahl in Frankreich:TV-Wahlkampf im Schatten des Ukrainekrieges

Präsidentschaftswahl in Frankreich: Die Sozialistin Anne Hidalgo auf der Bühne der TV-Präsidentschaftswahldebatte "La France face à la guerre". Über ihr die Bilder aller Kandidatinnen und Kandidaten.

Die Sozialistin Anne Hidalgo auf der Bühne der TV-Präsidentschaftswahldebatte "La France face à la guerre". Über ihr die Bilder aller Kandidatinnen und Kandidaten.

(Foto: Frederic Chambert/Imago/PanoramiC)

Frankreichs Präsidentschaftskandidaten debattieren über die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine - Energieversorgung und steigende Preise. Der Wahlkampf ist bei den Themen angekommen, für die sich die Bürger interessieren.

Von Nadia Pantel, Paris

Für Menschen, denen im französischen Polit-Fernsehen eher zu viel als zu wenig gepöbelt wird, war der Montag ein angenehmer Abend. Der Sender TF1 hatte die Wahlkampf-Debatte "La France face à la guerre" (Frankreich im Angesicht des Krieges) organisiert und niemand wurde beschimpft, niemand unterbrochen. Nach dem Brüll-Duell zwischen der rechtsbürgerlichen Kandidatin Valérie Pécresse und dem rechtsextremen Kandidaten Éric Zemmour ist das durchaus eine Neuigkeit.

Die beiden sollten vergangene Woche miteinander debattieren, waren für die Zuschauer aber streckenweise akustisch nicht mehr zu verstehen, weil sie weniger in einen Wettstreit der Ideen gingen als in einen der Lautstärke.

Bei dem Wahlkampf-Format "Face à la guerre" war dies nun anders. Was schlicht daran lag, dass die Kandidaten einander nicht begegneten. Eine Bedingung, die Emmanuel Macron gestellt hatte. Der amtierende Präsident, der sich für eine zweite Amtszeit bewirbt, hat entschieden, dass er vor dem ersten Wahlgang am 10. April nicht direkt mit seinen Konkurrenten debattieren wird. Die große Macron-Debatte ist erst für die zwei Wochen vorgesehen, die zwischen erster Runde und Stichwahl liegen. Eine Strategie, die viel darüber sagt, wie sicher sich Macron ist und auch sein kann, die Stichwahl zu erreichen.

So war der Montagabend also eher ein Schaulaufen denn ein direkter Wettstreit. Acht Kandidatinnen und Kandidaten der insgesamt zwölf Präsidentschaftsbewerber hatte der Sender eingeladen. Über die Reihenfolge der Auftritte entschied das Los. Nacheinander mussten sich die rechtsextreme Marine Le Pen, der liberale Mitte-Kandidat Macron, die Sozialistin Anne Hidalgo, die Républicains-Kandidatin Pécresse, der Ex-Journalist Zemmour, der Linke Jean-Luc Mélenchon, der Kommunist Fabien Roussel und der Grüne Yannick Jadot auf eine kahle Bühne stellen und knappe Statements abgeben. Danach wurden sie von einem Moderatoren-Duo jeweils einzeln mit Stichworten versorgt, von einer kritischen Befragung war das Format recht weit entfernt. Es fehlten sowohl die Angriffe der Gegner, als auch fordernde Nachfragen von Journalisten.

Macron zeigt sich als Macher, Le Pen dominiert das rechte Lager

Wie also schlugen sich die einzelnen Bewerber an einem Abend, in dem die größte Herausforderung darin lag, nicht allzu verloren im leeren Raum zu stehen? Zunächst ein knapper Performance-Überblick, geordnet nach der Platzierung in den Umfragen, beginnend also mit Emmanuel Macron.

Wie zu erwarten, zeigt sich der präsidierende Kandidat als Macher, er spricht von seinen Telefonaten mit Wladimir Putin, von seinem Wunsch "den Krieg ohne Krieg zu beenden", davon, dass "die größten Herausforderungen bei Arbeit und Umwelt" liegen. Dass er als Wirtschaftsminister unter dem Sozialisten François Hollande noch für den Ausstieg aus der Atomkraft war und jetzt die Renaissance der Kernenergie feiert - ein schnell weggewischter Widerspruch.

Macrons bestplatzierte Konkurrentin Marine Le Pen beweist an diesem Abend, dass sie das rechte Lager dominiert. Der Ukrainekrieg hat die Aufmerksamkeit verschoben, weg von Fragen der nationalen Identität, bei denen Zemmour und Pécresse punkten, hin zu Benzinpreisen und sinkendender Kaufkraft - Themen, bei denen Le Pen deutlich stärker ist. Sie gibt sich als Beschützerin, sie will keine Sanktionen gegen Russland, weil sie die Franzosen "vor dem Krieg und vor seinen finanziellen Folgen bewahren" will.

Valérie Pécresse hingegen wirkt auch am Montag wieder, als habe sie ihre Rolle noch nicht gefunden. Die vielen Sprech-Trainings haben der Kandidatin ihre Natürlichkeit genommen, sie deklamiert eher als dass sie spricht, sie tigert ziellos umher. Putins Angriffskrieg habe die betont russlandfreundlichen Rechtsextremen Zemmour und Le Pen endgültig diskreditiert, sagt Pécresse. Doch wenigstens für Le Pen geben ihr die Umfragen da unrecht. Pécresse' eigener Ansatz? Frankreich und die EU hätten den Zeitpunkt verpasst, Putin diplomatisch einzuhegen, glaubt Pécresse. Jetzt brauche die EU eine "strategische Autonomie" - exakt Macrons Vokabular.

Mélenchon fordert weiterhin den Austritt aus der Nato

Für Éric Zemmour scheint die russische Invasion in der Ukraine beinah ein persönliches Ärgernis zu sein. Er erwähnt sie in seinem Eingangsstatement mit keinem Wort. In seiner Weltsicht ist der Krieg ein Ereignis, das ihm die Aufmerksamkeit nimmt. Das wahre Problem Frankreichs bleibe doch der "Bevölkerungsaustausch", sagt Zemmour und bemüht, wie jedes Mal, einen rassistischen Verschwörungsmythos. Auch außenpolitisch begibt sich Zemmour unwidersprochen ins Reich der Fantasie. Frankreich habe seit Charles de Gaulle "immer für sich allein" eingestanden, so Zemmour. Die amerikanischen Alliierten, die das Land im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Besatzung befreiten, erwähnt dann erst später der Grüne Yannick Jadot.

Der Linke Jean-Luc Mélenchon liefert an diesem Abend einen der selbstbewusstesten Auftritte. Während eines russischen Angriffskriegs Frankreichs Austritt aus der Nato zu fordern - Mélenchon schafft das, ohne mit der Wimper zu zucken. Und setzt dann seine inhaltlichen Schwerpunkte dort, wo auch das Interesse seiner Wähler liegt: Rente ab 60 Jahren, Mindestlohn erhöhen. Zusätzlich noch Atomausstieg und Tierschutz. "Ich habe ein klares Programm", sagt Mélenchon. Und tatsächlich hat zum Beispiel Amtsinhaber Macron seines immer noch nicht vorgestellt.

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Es gehört zu den erstaunlichen Umständen dieses Wahlkampfes, dass die Kandidatin der einstigen Volkspartei der Sozialisten, Anne Hidalgo, in Umfragen nun auf gleicher Höhe (beziehungsweise Tiefe) liegt wie der kommunistische Kandidat Fabien Roussel, bei zwei Prozent. Letzterer hat seine Formel gefunden: Er verspricht "das Frankreich der glücklichen Tage". Links und gut gelaunt: Roussel ist in diesem Wahlkampf der Einzige, der sich das traut. Hidalgo und der Grüne Jadot treten beide mit klar durchargumentierten Programmen auf: mehr Unterstützung für die Ukraine, harte Sanktionen gegen Russland, mehr Investitionen in erneuerbare Energien, Steuern für Reiche erhöhen. Klassisch sozialdemokratisch-grüne Programme, über die auch nach diesem Abend kaum wieder jemand spricht.

Einen Debattensieger gibt es nach drei Stunden ohne Debatte nicht. Doch nach Monaten, in denen der Wahlkampf sich darauf zu beschränken schien, dass Éric Zemmour gegen Einwanderer und Muslime pestet, sind nun die Themen in den Fokus gerückt, die auch die Franzosen in allen Umfragen am meisten beschäftigen: steigende Preise, Energieversorgung, Sicherheitspolitik.

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