Nach Brand in Moria:SPD und Union einigen sich auf Aufnahme von 1500 Geflüchteten

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Nach dem Feuer leben Zehntausende auf den Straßen von Lesbos, diese Familie ist auf dem Weg in ein neues Behelfslager. (Foto: AFP)

Innenminister Seehofer betont, es handle sich bei den Menschen, die zusätzlich zu bereits zugesagten Minderjährigen von griechischen Inseln geholt werden, "um Personen, die ihre Asylverfahren bereits erfolgreich abgeschlossen haben". Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Göring-Eckardt spricht von einem "Alibi-Angebot".

Von Constanze von Bullion, Berlin

Das Angebot der Bundesregierung, weitere 1500 Flüchtlinge von den griechischen Inseln zu holen, stößt in Deutschland auf Zustimmung, aber auch auf Kritik. Insbesondere in der CDU gibt es Vorbehalte gegen einen deutschen Alleingang. Dennoch verständigten sich Union und SPD am Dienstag darauf, dem Vorschlag zuzustimmen. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zeigte sich zufrieden. "Zusätzlich zu den schon zugesagten Flüchtlingsgruppen werden wir gut 400 Familien von fünf griechischen Inseln übernehmen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Dabei handelt es sich ausschließlich um Personen, die ihre Asylverfahren bereits erfolgreich abgeschlossen haben und schutzberechtigt sind."

Nach dem Brand im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos hatte Seehofer 150 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland in Aussicht gestellt. Zehn weitere EU-Staaten beteiligen sich an der Aktion. In Deutschland löste Seehofers Entscheidung Kritik aus. Angesichts der Not von mehr als 12 000 obdachlos gewordenen Geflüchteten sei das deutsche Angebot völlig unzureichend, hieß es in der SPD, bei Linken und Grünen. Etliche Städte und Bundesländer drängten auf die Erlaubnis, weitere Geflüchtete aus Moria zu übernehmen.

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Nach einer weiteren Person werde im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Brandstiftung auf der Insel Lesbos gefahndet. Tausende auf den Straßen ausharrende Geflüchtete weigern sich, in ein neu errichtetes Behelfslager zu ziehen. Sie fürchten, dass die Bedingungen dort so schlecht sein könnten wie im niedergebrannten Moria.

Seehofer lehnte dies ab, auch mit der Begründung, es dürfe in der Flüchtlingsfrage keinen deutschen Alleingang geben. Nun hat er sich mit der Bundeskanzlerin auf eine Übernahme von 1500 weiteren schutzbedürftigen Personen verständigt. Sie seien vom UN-Flüchtlingshilfswerk benannt worden, sagte Seehofer. Deutschland handle in Absprache mit Griechenland, aber ohne Unterstützung anderer Länder. "Es gibt bis zur Stunde keinen einzigen EU-Staat, der sich beteiligt", sagte Seehofer am Dienstagnachmittag. Deutschland bemühe sich um weitere Unterstützung. "Aber wir können nicht ewig warten."

Dass Deutschland nun doch allein vorangeht, obwohl die Bundesregierung dies zuvor abgelehnt hatte, führte bei CDU-Innenpolitikern im Bundestag zu Verstimmung. Sie warnten vor einer Sackgasse. Seehofer und Merkel stellten ihre Pläne am Dienstagabend der Unionsfraktion vor, und es gab keinen Widerspruch von den Abgeordneten. Auch die SPD stimmte der Lösung am Dienstagabend zu, rechnet nach Aussage von Parteichefin Saskia Esken allerdings damit, dass Deutschland bald noch viele weitere Flüchtlinge aufnehmen wird. Mit der Union sei klar vereinbart, dass Deutschland innerhalb eines möglichen europäischen Kontingents einen angemessenen Beitrag leisten werde, sagte Esken. "Der wird sich mit Sicherheit in einer ähnlichen Größenordnung bewegen, wie wir jetzt auch handeln." CSU-Chef Markus Söder lobte die Initiative der Bundesregierung als sehr guten Kompromiss. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, er sei froh, glücklich und voll des Lobes. Die grüne Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Görin-Eckardt, forderte hingegen die Übernahme von 5000 Flüchtlingen aus Griechenland. Der Plan der Regierung sei ein "Alibi-Angebot".

© SZ vom 16.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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