Manchmal ist Schweigen eindeutig besser. Das gilt zum Beispiel für CSU-Generalsekretär Andreas "Asylmissbrauch" Scheurer. Wenn der in der Flüchtlingsfrage einfach einmal eine Woche lang schweigen würde, wäre das gut für die politische Hygiene im Land.
Angela Merkel dagegen sollte nicht schweigen. Die Gefahr, dass sie sich zu den Stumpfsinnigkeiten eines Andreas Scheurer hinreißen ließe, ist gering. Groß genug hingegen sind die Probleme, über die sie sprechen sollte. Bis zu 800 000 Flüchtlinge werden Deutschland bis Ende des Jahres erreicht haben. Es gibt nicht genug Unterkünfte, nicht genug Personal, nicht genug Geld für die überlasteten Kommunen.
Es wäre an der Zeit, dass sich Merkel vor Ort ein Bild macht. Macht sie aber nicht. Oder nein, vielleicht ja doch: "Ich werde sicherlich auch ein Flüchtlingsheim einmal besuchen", sagt die Kanzlerin. "Sicherlich einmal", das kann kommende Woche oder in drei Jahren sein.
Als 2010 die Oder ihr Flussbett verließ, war Merkel schnell zur Stelle und besichtigte abgesoffene Häuser und Höfe. Da ging es um Gebäude, um materielle Existenzen. Für die meisten Flüchtlinge geht es ums nackte Überleben.
In der Flüchtlingsfrage fehlt Merkels Stimme.
Natürlich, sie sagt hin und wieder etwas dazu. Am Wochenende im Sommerinterview mit dem ZDF etwa. Aber sie sagt meist Sätze, die irgendwo beginnen und irgendwo enden. Sätze, die nichts hinterlassen, was irgendwem Halt geben könnte. Zum Beispiel:
"Die Frage, wie wir mit den Flüchtlingen umgehen, wie wir mit unseren afrikanischen Nachbarn sozusagen, mit den Ländern in Afrika umgehen, die Frage, ob es uns gelingt, diplomatische Lösungen für Bürgerkriege zu finden, diese Fragen werden uns sehr, sehr viel mehr noch beschäftigen, als die Frage Griechenland und die Stabilität des Euro."
Ja, wahrscheinlich ist das so. Und jetzt? Was folgt daraus? Was wird die Bundesregierung tun? Wenn Innenminister Thomas de Maizière (CDU) davon spricht, den Asylbewerbern das Taschengeld zu streichen, entspricht das Merkels Haltung? Oder ist sie eher auf der Seite ihrer Integrations-Staatsministerin Aydan Özoğuz (SPD), die den Vorschlag für "ärgerlich" und für eine "Scheinlösung" hält?
Merkel hält sich raus. Die Debatte über Geld- und Sachleistungen "haben wir über viele Jahre gehabt", sagte sie im ZDF. "Das muss man von Fall zu Fall entscheiden." Was immer das konkret bedeuten mag.