Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine:Finnland will Nato beitreten

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Die finnische Premierministerin und Sozialdemokratin Sanna Marin hat ihre Skepsis gegenüber der Nato binnen einiger Wochen abgelegt. (Foto: Franck Robichon/AP)

Der Aufnahmeantrag soll am Montag rausgehen. Schon in wenigen Monaten könnte das Land dann Mitglied des Militärbündnisses sein. Die russische Regierung wertet den Schritt als Bedrohung.

Von Kassian Stroh

Trotz russischer Drohungen wird Finnland vermutlich schon in wenigen Monaten Mitglied der Nato werden. Nach wochenlanger Debatte erklärten der finnische Präsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin am Donnerstag gemeinsam, das Land müsse "ohne Verzögerung" einen Beitritt anstreben. Noch diese Woche soll der Antrag formal beschlossen und vermutlich am Montag bei der Nato eingereicht werden - aller Voraussicht nach parallel mit einem entsprechenden Gesuch aus Schweden.

Ein solcher Schritt wird in Moskau als Bedrohung gewertet. Das Außenministerium kündigte am Donnerstag eine Reaktion Russlands "in militärisch-technischer und in anderer Hinsicht" an, "um den Gefahren mit Blick auf seine nationale Sicherheit Rechnung zu tragen". Eine neuerliche Ausweitung der Nato mache Europa "nicht stabiler und sicherer", sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow. Die Nato bewege sich weiter in Richtung Russland, entscheidend sei nun, welche militärische Infrastruktur an die Grenzen verlegt werde. Mit einem Beitritt Finnlands würde sich die direkte Grenze zwischen Russland und Nato-Territorium um gut 1300 Kilometer verlängern und damit in etwa verdoppeln.

Ein Beitritt zur Nato würde die Sicherheit Finnlands stärken, aber auch das gesamte Bündnis, so begründen Niinistö und Marin ihren Schritt. Dass Schweden denselben Weg nehmen wird, gilt als sicher: Dort wollen sich die regierenden Sozialdemokraten unter Ministerpräsidentin Magdalena Andersson am Wochenende offiziell positionieren, dann dürfte auch dort das Beitritts-Procedere umgehend angestoßen werden.

Bisher hat kein Nato-Mitglied einer Erweiterung im Norden widersprochen. Dessen Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet eine schnelle Aufnahme; er hat wiederholt betont, Finnland und Schweden seien im Bündnis "herzlich willkommen". Stimmen die Regierungen aller 30 Mitgliedstaaten den Mitgliedsanträgen zu, was allerspätestens auf dem Nato-Gipfel Ende Juni erfolgen dürfte, kommt es zu Beitrittsverhandlungen. Für diese setzt die Nato aber jeweils nur einen Tag an. Abschließend müssen die Parlamente aller Mitgliedstaaten die Erweiterung billigen. In Finnland wird geschätzt, dass dies vier bis zwölf Monate dauern könnte.

Die Nato sehe sich vom Moment des Antrags an in der Pflicht, hat Stoltenberg gesagt

Für diese Zwischenzeit haben diverse Nato-Mitglieder Finnland und Schweden öffentlich Sicherheitsgarantien ausgesprochen. Darunter etwa die USA und Großbritannien, dessen Premier Boris Johnson erst am Mittwoch beiden Ländern schriftlich zusagte, sie zu unterstützen, sollten sie militärisch angegriffen werden. Auch Stoltenberg hatte Schweden versichert, die Nato sehe sich vom Moment des Antrags an in der Pflicht. Unter anderem werde sie ihre Präsenz um Schweden herum und in der Ostsee verstärken.

Für die beiden nordischen Staaten wäre der Beitritt zur Nato ein historischer Schritt. Zwar wurden sie nach dem Ende des Kalten Kriegs beide Mitglieder der EU, der Nato aber blieben sie fern, auch wenn sie mit ihr eng kooperierten. Bündnisfreiheit war über Jahrzehnte ein Grundpfeiler der Außen- und Sicherheitspolitik in Schweden und Finnland - das änderte sich mit dem russischen Überfall auf die Ukraine grundlegend. Er stieß in beiden Ländern eine intensive Debatte an, zuletzt sprachen sich etwa drei Viertel der Finninnen und Finnen für einen Nato-Beitritt aus.

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