Finnische Regierungskrise:"Wenn man mir eine Waffe geben würde"

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Riikka Purra ist Vorsitzende der Partei Wahre Finnen und schrieb 2008 von "türkischen Affen". (Foto: Matti Matikainen/dpa)

Eklat um Finnlands Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Riikka Purra: Sie hat im Internet rassistische und gewaltverherrlichende Kommentare gepostet .

Von Alex Rühle, Stockholm

Die Vergangenheit der "Wahren Finnen", der rechtspopulistischen Perussuomalaiset (PS), die mit in der finnischen Regierung sitzt, gleicht momentan einer dunklen Kloake, aus der fast täglich neuer alter Unrat hervorquillt. Erst musste Wirtschaftsminister Vilhelm Junnila nach nur zehn Tagen im Amt zurücktreten wegen Verbindungen in die finnische Neonaziszene, rassistischer Anspielungen und eines Plädoyers für "Klimaabtreibungen" in Afrika. In den Tagen danach stellte sich heraus, dass mehrere Ministerinnen der "Wahren Finnen" der rechtsextremen Verschwörungslüge vom "großen Austausch" anzuhängen scheinen oder sich zumindest mehrfach im Internet darauf bezogen haben.

Und jetzt tauchen skandalöse Texte auf, die Riikka Purra geschrieben haben soll. Purra ist nicht nur die Vorsitzende der "Wahren Finnen", sie ist auch die Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Finnlands.

"Ich bin so voller Hass und purer Wut."

Die Texte wurden 2008 veröffentlicht von einer Autorin, die sich "Riikka" nennt. Sie standen in der Kommentarsektion des Blogs "Scripta", in dem der ehemalige PS-Vorsitzende Jussi Halla-aho nach eigenen Angaben "über Migration, Multikulturalismus, Toleranz, Rassismus, Meinungsfreiheit und political correctness" schrieb. Einige seiner Einträge waren so rassistisch, teils auch islamfeindlich, dass Halla-aho wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Heute ist er Parlamentssprecher der neuen Regierung.

Besagte Riikka schrieb in der Kommentarsektion rassistische Kommentare und ließ ihren Gewaltfantasien freien Lauf. Im Januar 2008 etwa: "Ich bin so voller Hass und purer Wut, dass ich auf meinem Stuhl zerschmelzen könnte. Heilige Hölle, was machst du mit meiner Psyche, Islam?" Im Juli schrieb sie: "Hey Netsit" - ein finnischer Ausdruck für einwanderungsfeindliche Netcitizen (Netzbürger), der mit der klanglichen Nähe zu "Nazis" spielt - "hat jemand Lust, heute in Helsinki auf Bettler zu spucken und N****r Kinder zu schlagen?" Im September dann: "Wenn man mir eine Waffe geben würde, gäbe es sogar in der S-Bahn Tote." Riikka schreibt von "türkischen Affen" und hetzt über Migranten, diese "dunklen männlichen Gestalten" würden permanent Frauen hinterherpfeifen, und "je eifriger Abdullah ist, desto mehr Speichel fließt mit".

Die finnischen Medien gehen davon aus , dass die Beiträge von Purra stammen. Die biografischen Übereinstimmungen zwischen der Autorin "Riikka" und Riikka Purra sind zumindest auffällig: Beide waren im August 2008 in Barcelona, beide haben in Tampere, Turku und Kirkkonummi gelebt, und beide sind mit einem Journalisten verheiratet. Es gibt viele weitere Übereinstimmungen. Die Kommentare wurden zwar mittlerweile gelöscht, wurden aber von einem Privatmann im Archiv des Internets gefunden und auf Twitter publiziert.

Ministerpräsident Orpo schwieg dröhnend laut

Die Chefin der "Wahren Finnen" gibt nicht explizit zu, die Autorin dieser Texte zu sein . Purra schrieb am Montag auf ihrem Blog: "Ich habe bereits erwähnt, dass ich in das betreffende Gästebuch (...) geschrieben habe. Es würde mir nie in den Sinn kommen, zurückzutreten oder zu bereuen, was ich vor Jahren getan und gesagt habe. Warum zum Teufel sollte ich das tun?"

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Später schrieb sie auf Twitter: "Ich akzeptiere keinerlei Gewalt und habe dies auch nie getan." Sie ergänzte, dass sie in ihrer jetzigen Position so etwas nicht schreiben würde und mit vielen Formulierungen nicht mehr einverstanden sei. Auf die schriftliche Anfrage der Süddeutschen Zeitung, ob all die auf Twitter dokumentierten Texte denn nun von ihr stammen, hat Purra nicht reagiert.

Ministerpräsident Petteri Orpo von der Nationalen Sammlungspartei schwieg zunächst so dröhnend laut, dass die Boulevardzeitung Iltalehti schrieb, Orpo könne sich nicht einfach "im Kartoffelkeller verstecken". Am Dienstagmittag ließ er dann wissen, wichtig sei doch, dass sich Purra auf Twitter von der Gewalttätigkeit ihrer früheren Aussagen losgesagt habe. Vor Junnilas Rücktritt hatte er ähnlich argumentiert: Dieser habe ja nun ein Einsehen, man könne also gut gemeinsam weiterarbeiten.

Am späten Dienstagnachmittag gab Purra dann in einer Entschuldigung auf Twitter zu, dass die Texte tatsächlich alle von ihr sind: "Ich entschuldige mich für meine dummen Social-Media-Kommentare vor 15 Jahren und für den Schaden und den Unmut, den sie verständlicherweise verursacht haben."

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