Finanzkrise:Cowens Regierung vor dem Aus - Neuwahlen in Irland

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Durch den Ruf nach Krediten ist der Druck zu groß geworden: Der irische Premierminister Cowen und sein Finanzminister kündigen Neuwahlen an.

W. Koydl, C. Gammelin und C. Hulverscheidt

Die irische Regierungskoalition steht einen Tag nach ihrem Hilfegesuch an die EU vor dem Aus. Ministerpräsident Brian Cowen kündigte eine vorzeitige Auflösung des Parlaments und Neuwahlen an, sobald "der Budget-Prozess abgeschlossen" sei. Beobachter rechnen mit einer Abstimmung im März nächsten Jahres.

Unter Druck: Irlands Ministerpräsident Brian Cowen und sein Finanzminister Brian Lenihan kündigen in Dublin Neuwahlen an. (Foto: AFP)

Zuvor hatten die Grünen, der kleinere Koalitionspartner Cowens, Neuwahlen bis spätestens Januar verlangt. Grünen-Chef und Umweltminister John Gormley hatte jedoch versichert, dass seine Partei zuvor den Haushalt mit verabschieden werde, der am 7.Dezember eingebracht wird. Auch Cowen bekräftigte, dass es wichtig sei, den Haushalt zu verabschieden, damit dem Land kein "schwerer Schaden" entstehe. Irland hatte die EU am Sonntag um Kredite gebeten, um Zahlungsprobleme abzuwenden.

Die Koalition aus der Partei Fianna Fáil und Grünen ist im Parlament in der Minderheit und kommt nur dank der Unterstützung unabhängiger Abgeordneter auf eine knappe Mehrheit von drei Mandaten. Diese dürfte bei einer Nachwahl Ende der Woche um einen weiteren Sitz schrumpfen. Die Grünen haben sechs Sitze. Es gilt als sicher, dass es bei Neuwahlen zu einer Koalitionsregierung aus der bürgerlichen Partei Fine Gael und der sozialdemokratischen Labour Party kommen wird. Cowens Fianna Fáil, die die Geschicke des Landes mehr als 50 Jahre lang bestimmt hat, ist in Umfragen auf 17 Prozent abgestürzt.

Cowen hatte zuvor nach langem Leugnen zugegeben, dass Irland in Not ist. Grund ist vor allem der Finanzbedarf des maroden Bankensektors. Zudem hatte die Furcht vieler Kapitalanleger vor einer Staatspleite die Zinsen auf irische Staatsanleihen dramatisch erhöht.

Statt bei Banken und Fonds will sich die Regierung nun vorerst bei den Euro-Partnern und beim Internationalen Währungsfonds (IWF) Geld leihen, die im Frühjahr einen 750 Milliarden Euro umfassenden Schutzschirm für den Euro aufgespannt hatten. Irland könnte davon 80 bis 90 Milliarden Euro als Kredite erhalten.

Der Steuersatz: Ein Dorn im Auge der EU-Partner

Für Teile davon müssten die Euro-Staaten, also auch Deutschland, bürgen. Im Gegenzug verlangen diese von Dublin einen harten Konsolidierungskurs, zu der eine höhere Körperschaftsteuer gehören soll. Der niedrige Satz von 12,5 Prozent ist den EU-Partnern seit Jahren ein Dorn im Auge. Er hatte nicht nur zur Ansiedlung vieler Banken geführt, sondern auch Industriebetriebe und Dienstleister dazu animiert, Teile ihres Geschäfts, etwa Call Center, nach Dublin zu verlagern.

"Es ist wahrscheinlich, dass Irland bald kein Niedrigsteuerland mehr sein wird", sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag. In Berlin sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, der Körperschaftsteuersatz sei einer von mehreren Ansatzpunkten.

Der irische Finanzminister Brian Lenihan lehnt eine Steuererhöhung jedoch ab. Die Mehrheit ausländischer Investitionen in Irland komme nicht aus EU-Staaten, sagte Lenihan der Bild-Zeitung. "Um diese Investments konkurrieren wir nicht mit anderen EU-Staaten, sondern mit dem Fernen Osten." Der Finanzminister betonte, es gebe "derzeit keinen direkten oder indirekten Druck wegen unserer Unternehmenssteuer-Sätze".

Der Streit ist auch deshalb brisant, weil Brüssel den Iren als Gegenleistung für eine Zustimmung der Bevölkerung zum EU-Reformvertrag von Lissabon zugesagt hatte, keinen Einfluss auf die Steuerpolitik zu nehmen.

Die EU-Partner hatten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Wochenende auch darüber beraten, ob Portugal als nächster Wackelkandidat innerhalb der Euro-Zone gleichzeitig mit Irland einen Hilfeantrag stellen sollte. Damit, so das Argument, hätte man die Furcht vor einer Endlos-Krise zerstreuen können. Die Regierung in Lissabon lehnte die Idee jedoch ab.

© SZ vom 23.11.2010/sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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