Am Ende, als das Ergebnis bekannt gegeben wird, sitzt sie bewegungslos auf der Zuschauertribüne des Bundestags und lässt still den Applaus über sich niedergehen. Die Publizistin Ferda Ataman, 43, ist jetzt Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. Der Bundestag wählte sie am Donnerstag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP.
Bei der Wahl war die sogenannte Kanzlermehrheit notwendig - also Zustimmung von mehr als der Hälfte aller Abgeordneten, nicht nur der anwesenden. Wegen zahlreicher Corona-Fälle und der Hochzeit von FDP-Chef Christian Lindner gab es zwischendurch Befürchtungen, die absolute Mehrheit könnte verfehlt werden. Am Donnerstagnachmittag im Bundestag stimmte dann aber eine Mehrheit von 376 Abgeordneten der Berufung zu, 369 wären nötig gewesen.
Meinung Antidiskriminierungsbeauftragte:Von deutschen Kartoffeln und Rassismus
Die Debatte um Ferda Ataman führt wieder einmal vor, wie oft mit zweierlei Maßstäben gemessen wird: Warum die Bezeichnung "Kartoffel" für Deutsche nicht dasselbe ist wie eine rassistische Beschimpfung.
"Diejenigen, die mir ihr Vertrauen noch nicht schenken konnten, möchte ich gerne mit meiner Arbeit überzeugen", sagte Ataman nach ihrer Wahl. "Ich sehe es als meine Aufgabe, Menschen, die Diskriminierung erfahren, zu unterstützen, durch Beratung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes." Als ein Ziel betrachte sie ein bundesweites Förderprogramm zum Aufbau einer flächendeckenden Beratung gegen Diskriminierung. Ataman sei eine "sehr, sehr gute Wahl", sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Die neue Beauftragte sei bekannt als engagierte Person für eine inklusive und demokratische Gesellschaft.
Die Personalie führte zu Krach zwischen Grünen und FDP
Mit der Entscheidung sind weitere Verwerfungen zwischen den Regierungsparteien vermieden worden. Denn die Personalie Ataman war heftig umstritten. Über Wochen war die Journalistin und Politologin Gegenstand öffentlicher Kritik und Polemik. Auch zwischen Grünen und FDP war es über ihre Bewerbung zum Krach gekommen. Die grüne Familienministerin Paus hatte Ataman vorgeschlagen, das gesamte Bundeskabinett hatte dem Vorschlag zugestimmt. Dann aber zögerte die FDP-Fraktion, sie zu wählen.
Nach den scharfen und teilweise herabsetzenden Debatten über ihre Person will die neue Antidiskriminierungsbeauftragte die Aufmerksamkeit nun weg von der eigenen Person lenken, hin zur Sache. Denn zu tun gibt es da genug. Die Antidiskriminierungsbeauftragte, der ein Stab von rund 35 Beschäftigten zugeordnet ist, unterstützt Menschen, die wegen ihres Alters, Geschlechts, aufgrund von Familienstand, Herkunft oder sexueller Identität benachteiligt werden, ob bei der Einstellung oder Bezahlung, bei der Wohnungssuche oder Bildung.
Rechtliche Grundlage ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, dessen Wirkung die Bundesregierung für unzureichend hält. Denn bisher darf die Antidiskriminierungsbeauftragte forschen und beraten, auch Empfehlungen aussprechen. Klagen wegen Benachteiligung müssen Privatpersonen im Ernstfall aber auf eigenes Risiko anstrengen. Vergleichsweise wenige Betroffene nutzen die Möglichkeit. Experten kritisieren auch die kurze Beschwerdefrist von acht Wochen. Insgesamt bleibe das Gesetz in Deutschland hinter den Vorgaben des EU-Rechts zurück. Die Bundesregierung will das nun ändern.
Der Posten war lange unbesetzt
Ataman ist in Stuttgart geboren und in Nürnberg aufgewachsen, ihre Eltern kommen aus der Türkei. Sie hat Politik studiert und unter anderem im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen und als Referatsleiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gearbeitet. Anschließend baute sie den Mediendienst Integration auf, eine wissenschaftliche Informationsplattform für Journalisten. Ataman, die oft kämpferisch und mit beißendem Spott gegen die Zurücksetzung von Menschen mit Migrationsgeschichte angeschrieben hat, arbeitete als Buchautorin, Journalistin und Kolumnistin. Zuletzt gründete sie ein Beratungsunternehmen für Diversität.
Für ihre Arbeit und ihr ehrenamtliches Engagement erhielt sie 2019 den "Julie und August Bebel Preis" für innovative und emanzipatorische Beiträge zur Politischen Bildung. Ihre Nominierung hat aber auch Kontroversen ausgelöst. Kritiker werfen ihr unter anderem eine Bagatellisierung des Islamismus vor. Ein Text, in dem sie für Deutsche ohne Migrationshintergrund die Bezeichnung "Kartoffeln" nahelegte, löste bei Teilen des Publikums Empörung aus. Auch Atamans Kritik an der Instrumentalisierung des Begriffs Heimat stieß auf Protest.
Der Posten der Antidiskriminierungsbeauftragten war in den letzten Jahren unbesetzt. Grund war die Klage einer unterlegenen Bewerberin, die die Arbeit über Jahre lahmgelegt hatte. Mit der Wahl der Bundesbeauftragten durch das Parlament will die Bundesregierung nun die Rechtsgrundlage für den Kampf gegen Diskriminierung stärken. Das Parlament hatte im April einer entsprechenden Änderung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes zugestimmt. Die Amtszeit ist auf fünf Jahre begrenzt, bei einmaliger Wiederwahl.