Am diesem Montag ist ein Interview von Kristina Schröder im Spiegel erschienen, das bei der Feministin Alice Schwarzer - gelinde ausgedrückt - großen Unmut hervorgerufen hat. Aber alles der Reihe nach.
Das Hamburger Magazin befragte die junge Bundesministerin zu den Themen: Feminismus, Frauenquoten (Schröder ist dagegen) und ihrer geplanten speziellen Förderung für Jungen aus bildungsfernen Schichten. Die Reporter forschten bei der Frauenministerin gegen Ende des Gesprächs auch indirekt nach, ob sie die Polit-Karriere ihrem Traum von Kindern opfern wolle - schließlich sei sie 33 und noch ohne Nachwuchs. "Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich darauf antwortete", erwiderte die Ministerin. Der Ton dürfte frostig gewesen sein.
Das brachte Alice Schwarzer allerdings nicht in Wallung, sondern eher die Passagen am Beginn des Interviews. Das startet mit einer netten Kleinigkeit, die die Reporter ausgegraben hatten: In der Abiturzeitung der jungen Christdemokratin, die vor ihrer Heirat den Familiennamen Köhler trug, heißt es, sie wolle niemals Feministin werden.
"Gar nichts" habe sie gegen Feministinnen, versicherte darauf die Ministerin, sie habe nur schon damals nicht der "Kernaussage der meisten Feministinnen" zugestimmt, nämlich Simone de Beauvoirs Satz: "Man wird nicht als Frau geboren, man wird es."
Dann sprachen die Journalisten die CDU-Politikerin auf Alice Schwarzer an: Wie sie denn die Feministin und Emma-Gründerin so finde? Kristina Köhler antwortete darauf: "Ich habe viel von ihr gelesen - Der kleine Unterschied, später dann Der große Unterschied und Die Antwort. Diese Bücher fand ich alle sehr pointiert und lesenswert", sagte Schröder. Etliches ging ihr aber zu weit: "Zum Beispiel, dass der heterosexuelle Geschlechtsverkehr kaum möglich sei ohne die Unterwerfung der Frau. Da kann ich nur sagen: 'Sorry, das ist falsch.'"
Und weiter: "Es ist absurd, wenn etwas, das für die Menschheit und deren Fortbestand grundlegend ist, per se als Unterwerfung definiert wird. Das würde bedeuten, dass die Gesellschaft ohne die Unterwerfung der Frau nicht fortbestehen könnte."
Auch die folgenden Sätze Schröders durfte die Ikone der deutschen Frauenbewegung wohl zu Recht auch auf sich beziehen: "Ich glaube, dass zumindest der frühere Feminismus teilweise übersehen hat, dass Partnerschaft und Kinder Glück spenden." Es sei ein Fehler einer radikalen Strömung gewesen, Beziehungen zwischen Männern und Frauen abzulehnen. "Dass Homosexualität die Lösung der Benachteiligung der Frau sein soll, fand ich nicht wirklich überzeugend."
Einige meinen, Kristina Schröder erfreue mit diesem Interview bewusst die konservative Klientel der Union, denen alles was nach 68er riecht mindestens suspekt ist und die mit der CDU der Angela Merkel mehr und mehr fremdeln. Das glaubt offenbar auch Alice Schwarzer: Ihre Antwort auf Schröders Äußerungen kam schnell - und wuchtig.
In einem offenen Brief, den Schwarzer auf ihrer Homepage veröffentlicht hat, kritisiert sie die Ministerin denkbar hart. "Die einzig aufregende Nachricht aus Ihrem Amt war Ihr Namenswechsel von Köhler auf Schröder", so endet der erste Absatz. Seit Schröders fast einjähriger Amtszeit habe sich weder die Lage der Familien verbessert, noch sei die Gleichberechtigung der Frau vorangekommen.
Alice Schwarzer, die bislang ihre Sympathie für Angela Merkel zeitweise unverhohlen gezeigt hat, schreibt: "Was immer die Motive der Kanzlerin gewesen sein mögen, ausgerechnet Sie zur Frauen- und Familienministerin zu ernennen - die Kompetenz und Empathie für Frauen kann es nicht gewesen sein."
Die Kölner Journalistin, Jahrgang 1942, hält Schröder, 1977 geboren, vor, sie verwende "Stammtischparolen aus den 1970er Jahren". Dabei seien "die Stammtische längst weiter, viel weiter als Sie", giftet Schwarzer in Richtung der jungen Konservativen. Die CDU-Politikerin verbreite "billige Klischees". So könne man nicht über "die folgenreichste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts" sprechen.
Wie sehr sich Schwarzer persönlich angegriffen sieht, wird an einer anderen Stelle deutlich: "Sodann bürsten Sie mich ab, klar." Schröder behaupte "hanebüchenen Unsinn" über ihre - Schwarzers - Bücher, die sie wohl nicht richtig gelesen habe. Unsinn sei der Satz, wonach sie behauptet haben soll, der "heterosexuelle Geschlechtsverkehr sei kaum möglich ohne die Unterwerfung der Frau". Richtig sei nach wie vor, dass manche Frauen unter "Liebe vor allem Selbstaufgabe" verstünden und Sexualität "noch viel zu oft mit Gewalt verbunden" sei.
Schwarzers Furor richtete sich auch gegen das von Schröder in ihrem Ressort eingerichtete Referat für benachteiligte Jungs. Die Ministerin begründete dies im Spiegel-Interview unter anderem mit dem Satz: "Ich finde, dass wir das Thema Jungen- und Männerpolitik sträflich vernachlässigen."
Dazu Alice Schwarzer: Man dürfe feministischen Pädagoginnen nicht unterstellen, dass sie Jungen vernachlässigen. Schwarzer nennt Schröders These "unmoralisch". Es sei reines Klischee, dass eine Überzahl von weiblichen Erziehern und Pädagogen Mitursache für schlechte schulische Leistungen bei einigen Jungen seien. Fakt sei dagegen, dass Männer diese schlecht bezahlten und nicht anerkannten Jobs einfach nicht machen wollten.
Schröder und die rechtskonservativen Männerbünde
Im letzten Absatz des offenen Briefes setzt Schwarzer zur finalen Polemik an. Sie spricht der jungen Ministerin jegliche Kompetenz ab, Irrtum ausgeschlossen: "Ich halte Sie für einen hoffnungslosen Fall. Schlicht ungeeignet."
Eine Job-Empfehlung gibt die Feministin der Politikerin, die bereits im Backfischalter für Helmut Kohl schwärmte, noch mit auf den Weg: "Vielleicht sollten Sie Pressesprecherin werden", schreibt Schwarzer, "Pressesprecherin der neuen, alten, so medienwirksam agierenden, rechtskonservativen Männerbünde und ihrer Sympathisanten".
Bild-Gerichtsreporterin Alice Schwarzer (Fall Kachelmann) hilft Kristina Schröder bei einem Jobwechsel sicher gerne weiter.