Verschwundener Journalist:Wie die Türkei den Fall Khashoggi aufklären will

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Tatortreiniger? Putzkräfte mit Eimer und Wischmopp vor dem Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul. (Foto: Petros Giannakouris/AP)
  • Nach dem mutmaßlichen Tod des Journalisten Jamal Khashoggi haben türkische Spezialisten das Generalkonsulat Saudi-Arababiens nach Spuren untersucht.
  • Der Fall ist zu einer schweren Belastung für das zuvor schon angespannte saudisch-türkische Verhältnis geworden.
  • Bundesaußenminister Maas und sein französischer Kollege Jean-Yves Le Drian forderten in Paris erneut eine lückenlose Aufklärung des Falles.

Von Paul-Anton Krüger und Christiane Schlötzer, Istanbul, Istanbul/München

Die türkischen Polizisten kamen um kurz nach sieben Uhr am Montagabend in das Generalkonsulat Saudi-Arabiens in Istanbul. Neun Stunden und zehn Minuten später, um 4.25 Uhr, waren sie wieder draußen. Die Durchsuchung war zuvor auf höchster Ebene mit der saudischen Regierung in Riad vereinbart worden. Die Spezialisten suchten nach DNA-Spuren, Blutresten und allem, was ein Beweis dafür sein könnte, dass der saudi-arabische Journalist und Regimekritiker Jamal Khashoggi am 2. Oktober in der diplomatischen Vertretung des Königreichs verhört, gefoltert und ermordet wurde, wovon die türkische Polizei seit Tagen ausgeht.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan berichtete am Dienstag von ersten Hinweisen, man schaue sich mögliche Spuren "giftiger Substanzen" genauer an. Diese seien überstrichen worden, sagte Erdoğan. Er hoffe auf Ergebnisse, die helfen könnten herauszufinden, was genau im Konsulat passiert sei. Etwa zur selben Zeit traf US-Außenminister Mike Pompeo in Riad König Salman, dann Außenminister Adel al-Jubeir und zuletzt Kronprinz und Königssohn Mohammed bin Salman, den starken Mann in Riad, der politisch im Zentrum der türkischen Anschuldigungen steht.

Bislang hat sich Erdoğan mit einer Bewertung von Khashoggis Verschwinden zurückgehalten; er hat sich damit alle Optionen offengehalten. Der Fall ist aber längst zu einer schweren Belastung für das zuvor schon angespannte saudisch-türkische Verhältnis geworden. Nun soll offenkundig Pompeo zwischen den beiden Staaten vermitteln - und so auch noch Donald Trumps Nahost-Politik retten samt der lukrativen Waffengeschäfte mit Riad.

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Demnach sei Khashoggi bei einem "schief gelaufenen Verhör" gestorben, soll es darin heißen. Die Affäre wirkt bis nach Berlin.

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Pompeo dankte dem König in Riad für seine Entschlossenheit

Der US-Präsident hatte Pompeo am Montag nach einem Telefonat mit König Salman losgeschickt und zugleich eine neue Version der Geschichte in Umlauf gebracht: "Wildgewordene Killer" könnten Khashoggi auf eigene Faust umgebracht haben, orakelte Trump. Wenig später berichteten führende US-Medien, Saudi-Arabien erwäge eine Erklärung abzugeben, Khashoggi sei bei einem aus dem Ruder gelaufenen Verhör im Konsulat getötet worden, ohne Billigung der saudischen Regierung oder des Kronprinzen. Am Dienstagabend twitterte Trump, er habe soeben mit dem Kronprinzen telefoniert; dieser habe ihm versichert, nichts über die Geschehnisse im Konsulat zu wissen und bereits Untersuchungen eingeleitet zu haben. "Es wird bald Antworten geben", schrieb Trump.

In Istanbul werteten die Ermittler derweil Spuren aus. Ein Polizeihund war während der Durchsuchung im Garten des Generalkonsulats unterwegs, auch Erde wurde abgetragen, so türkische Medien. Ob es so viel war, dass man dafür die zwei Müllwagen brauchte, die in der Nacht vor dem Konsulat vorfuhren, ist nicht bekannt.

Die Polizei hatte vor der Durchsuchung die Journalisten weggeschickt, die seit Tagen vor dem Konsulat ausharren. Montagnachmittag hatten Kameras aber noch aufgenommen, wie zwei Putzfrauen in weißen Kitteln und ein Mann einer Reinigungsfirma mit Eimer und Wischmopp das Gebäude betraten. Wie ein Team von Tatortreinigern sah der Putztrupp nicht aus, aber um Spuren zu beseitigen hätten die Saudis auch vorher genug Zeit gehabt.

Am Dienstagnachmittag wurde auch noch die Residenz des saudischen Konsuls durchsucht, der Diplomat reiste laut dem Außenministerium in Ankara aus. An diesem Mittwoch soll Pompeo in die Türkei kommen. Riad werde keine Erklärung abgeben, ohne vorher mit Ankara eine Einigung über das weitere Vorgehen bei den Ermittlungen erzielt zu haben, berichtete die New York Times. Allerdings haben bislang sowohl der König als auch der Kronprinz jede Beteiligung Saudi-Arabiens an Khashoggis Verschwinden kategorisch bestritten.

Medien: Der Kronprinz soll das Verhör genehmigt haben

Offen ist damit, wie eine einigermaßen glaubhafte Version der Geschichte aussehen könnte, die es allen Beteiligten ermöglichen würde, das Gesicht zu wahren. Die türkischen Behörden hatten Ermittlungsergebnisse an die Medien weitergereicht. Sie hatten gar den USA offiziell mitgeteilt, Ton- und Video-Aufnahmen zu besitzen, die belegen sollen, dass Khashoggi im Konsulat umgebracht wurde. Laut der New York Times soll der Kronprinz das Verhör genehmigt haben und auch, Khashoggi unter Anwendung von Zwang nach Saudi-Arabien zu entführen - was sich mit Erkenntnissen der US-Geheimdienste aus abgehörten Gesprächen deckt.

Mit großem Interesse registrierten Diplomaten daher, dass der saudi-arabische Botschafter in den USA, Prinz Khaled bin Salman, der jüngere Bruder des Kronprinzen, vergangene Woche nach Riad zurückbeordert wurde - und laut US-Regierungsmitarbeitern nicht nach Washington zurückkehren wird. Das befeuert Spekulationen über ein größeres Revirement im Palast. Allerdings waren schon vor Khashoggis Verschwinden Umbesetzungen wichtiger Botschafterposten geplant.

Vor allem für Riad steht viel auf dem Spiel, aber auch die Türkei könnte ein Interesse daran haben, die Krise beizulegen. So halten Sicherheitsexperten die in türkischen Zeitungen verbreitete Geschichte für unglaubwürdig, die Aufnahmen aus dem Konsulat stammten von einer Apple-Watch, die Khashoggi getragen habe. Auch regierungskritische Medien in Istanbul halten das für eine Legende, die kaschieren solle, dass das Konsulat überwacht wurde. Zum anderen kann Erdoğan saudi-arabische Investitionen ebenso dringend gebrauchen wie eine Verbesserung des gestörten Verhältnisses zu den USA.

Bundesaußenminister Heiko Maas und sein französischer Kollege Jean-Yves Le Drian forderten in Paris erneut eine lückenlose Aufklärung des Falles. "Wenn wir wissen, was geschehen ist, werden wir daraus unsere Schlüsse ziehen", sagte Maas. Man stehe dabei "in enger Abstimmung" mit den USA. Khashoggis Familie reicht das offenkundig nicht. Seine Kinder forderten in ihrer ersten öffentlichen Erklärung eine "unabhängige und unparteiische internationale Kommission, um die Umstände seine Todes zu untersuchen".

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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