Inflation:EZB erhöht Leitzins auf höchsten Stand seit 2008

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Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Die Währungshüter stellen sich auf einen jahrelangen Kampf gegen die Inflation ein. Weitere Zinserhöhungen sind fest eingeplant.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Angesichts der hohen Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent angehoben. Es handelte sich um die vierte Zinserhöhung in diesem Jahr. Der aktuelle Satz markiert den höchsten Stand seit 2008. Ein Ende ist nicht in Sicht. "Wir werden die Zinsen noch erheblich stärker anheben müssen", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag. Im Kampf gegen die Inflation befinde man sich in "einem langen Spiel". Sie erwarte, dass der Leitzins für eine gewisse Zeit um jeweils einen halben Prozentpunkt weiter steigen müsse. Die Notenbank möchte zudem ab März 2023 ihre fünf Billionen Euro schweren Anleihebestände schrittweise abbauen. Diese Ankündigungen brachten den Dax unter Druck. Der deutsche Aktien-Leitindex schloss mit minus 3,28 Prozent bei 13 986,23 Punkten.

Die Inflation in der Euro-Zone lag im November bei zehn Prozent. Zwar scheint der Höhepunkt der Preisdynamik erreicht, doch die Preise werden auf lange Zeit stärker steigen als es der EZB und der Bevölkerung lieb sein kann. Die Notenbank geht in ihrer aktuellen Prognose davon aus, dass die Inflationsrate im nächsten Jahr 6,3 Prozent beträgt; für 2024 werden 3,4 Prozent erwartet. Frühestens im Jahr 2026 werde man den selbst gesteckten Zielwert von zwei Prozent wieder erreichen.

Die sozialen Konsequenzen der steigenden Preise sind gravierend. Haushalte mit geringen Einkommen können sich angesichts der massiv steigenden Lebenshaltungskosten immer weniger leisten. Gleichzeitig reichen die nun höheren Zinsen auf Sparkonten bei Weitem nicht aus, um die hohe Inflation auszugleichen. Die Beschäftigten in Deutschland mussten zuletzt den am längsten anhaltenden Reallohnrückgang seit 2008 verdauen, so Daten des Statistischen Bundesamts.

Mit ihren beherzten Zinserhöhungen möchten die Notenbanker auch verhindern, dass sich die Rekordinflation in den Köpfen der Menschen festsetzt. Je stärker die Verbraucher daran zweifeln, dass die Inflation mittelfristig wieder auf das normale Maß zurückgeht, desto mehr könnte sich der Preisanstieg psychologisch verfestigen. Die Folgen wären dramatisch: Unternehmen verlangen auf Basis ihrer Inflationserwartungen höhere Preise für ihre Produkte - und Arbeitnehmer höhere Löhne. Es würde eine Inflationsspirale drohen.

"Ich hätte mir von der EZB einen großen Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte gewünscht. Schließlich ist die Inflation im Euroraum viel zu hoch", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Immer mehr Menschen bezweifeln, dass es der EZB gelingt, die Inflation mittelfristig wieder auf zwei Prozent zu drücken."

Der EZB-Rat drosselte das Tempo der Zinserhöhungen ein wenig, nachdem man bei den letzten Treffen zweimal hintereinander 0,75 Prozentpunkte draufgepackt hatte. Die Notenbank befürchtet - ähnlich wie die amerikanische Federal Reserve -, dass weitere allzu forsche Zinserhöhungen die Wirtschaftsentwicklung hemmen könnten. Die EZB rechnet nächstes Jahr in der Währungsunion mit einer - wenn auch milden - Rezession.

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