Extremismus:Anmelder der Islamisten-Demo unter Beobachtung

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Teilnehmer einer Islamisten-Demo halten ein Plakat mit der Aufschrift „Kalifat ist die Lösung“ in die Höhe. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Die Islamisten-Demo von Samstag treibt Hamburg und die Bundespolitik weiter um. Ein Bündnis plant nun eine Demo gegen Islamismus.

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Hamburg (dpa/lno) - Die Islamisten-Demonstration vom vergangenen Wochenende beschäftigt nicht nur Hamburg weiter. Für diesen Samstag kündigte ein Bündnis eine Demonstration gegen Islamismus an - mit Unterstützung aus der Politik. Die Kundgebung soll auf dem Steindamm im Stadtteil St. Georg stattfinden, wo eine Woche zuvor mehr als 1000 Islamisten demonstriert und ein Kalifat gefordert hatten. Das Kalifat als Herrschaftsform stammt aus der Zeit nach dem Tod des Propheten des Islam, Mohammed, im Jahr 632 n. Chr. und benennt ein System, das auf dem islamischen Recht (Scharia) basiert. Der Kalif war als Stellvertreter Mohammeds sowohl religiöser als auch weltlicher Herrscher.

Reaktionen aus der Bundespolitik

Das Thema bewegt auch weiter über Hamburg hinaus. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte harte Konsequenzen für die Initiatoren der Kundgebung. „Wer die Scharia in Deutschland einführen und ein Kalifat ausrufen will, ist ein Feind unserer Demokratie. Der Staat muss ihm mit Konsequenz und Härte begegnen“, sagte er der „Bild“. Künftig solle sich derjenige strafbar machen, der öffentlich zur Abschaffung der freiheitlich demokratischen Grundordnung aufrufe und zum Beispiel einen sogenannten Gottesstaat wolle. Anzustreben sei eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) übte scharfe Kritik an der Kundgebung. „Das ist eine Demo, die nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht“, sagte Habeck am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Seiner Ansicht nach ist diese Demonstration nichts anderes als die Infragestellung der Prinzipien dieser Republik.

Fegebank: Islamist wird in Hamburg kein Lehrer

Unterdessen hat Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank klare Worte zum Anmelder der Versammlung gefunden. Auf die Frage, ob der Hamburger Lehramtsstudent in Zukunft in der Hansestadt unterrichten werde, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag: „Extremisten werden nicht in den Hamburger Staatsdienst übernommen, werden dort nicht eingestellt. Diese Person ist bekannt, der Name ist bekannt und deshalb wird er in Hamburg kein Lehrer sein.“

Der Mann steht nach Informationen des Hamburger Verfassungsschutzes der Gruppierung Muslim Interaktiv nahe, die als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft ist.

Der Präsident der Universität Hamburg, Hauke Heekeren, bestätigte, dass er an der Universität eingeschrieben sei. „Es ist aber auch klar festzuhalten, dass bisher keine Vorfälle im universitären Kontext im Zusammenhang mit dieser Person bekannt sind“, betonte er. Es sei ihm wichtig festzuhalten, dass die Universität keinen Einfluss auf die privaten Aktivitäten und Äußerungen ihrer Studierenden in den sozialen Medien habe.

Bündnis ruft zu Demo gegen Islamismus auf

Wenige Tage nach der von Islamisten organisierten Demonstration hat sich in der Hansestadt ein Bündnis formiert, das seinerseits gegen radikalen Islamismus auf die Straße gehen will. Der Verein Kulturbrücke Hamburg meldete laut Polizeiangaben für Samstag zunächst 200 Teilnehmer für die Demonstration mit dem Tenor „Gegen Islamismus und Antisemitismus, für freiheitlich-demokratische Werte“ an. Unterstützt wird die Veranstaltung unter anderem von der Kurdischen Gemeinde Deutschland und dem Verein Säkularer Islam.

Auch aus der Politik wurde schon Unterstützung signalisiert. Kazim Abaci von der SPD sagte: „Islamisten haben in der Hamburger Innenstadt unsere Grundwerte mit Füßen getreten.“ Der Geschäftsführer des Vereins Unternehmer ohne Grenzen war Mitorganisator der Großdemonstration gegen rechts im Januar, bei der 180.000 Hamburgerinnen und Hamburger auf die Straße gegangen waren. „Es zeigt sich: Unsere Freiheit wird nicht nur von Rechtsextremisten, sondern auch von Islamisten angegriffen.“

Es brauche eine harte und klare politische Antwort - auch von muslimischen Verbänden. „Sie müssen sich klipp und klar von den Feinden unserer liberalen und demokratischen Gesellschaft distanzieren, um nicht ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen“, sagte Abaci.

Auch die CDU-Fraktion unterstützt die Demo. So will Fraktionschef Dennis Thering zu Beginn der Versammlung eine Rede halten.

Demo wird Thema im Innenausschuss - aber erst im Juni

Bei der Demonstration vom vergangenen Samstag waren auf Plakaten Slogans wie „Deutschland = Wertediktatur“ oder „Kalifat ist die Lösung“ zu lesen. Die Kundgebung löste bundesweit und parteiübergreifend Empörung aus und wird auch den Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft beschäftigen.

Der Ausschuss werde sich in seiner nächsten Sitzung am 6. Juni mit der Demonstration sowie mit der Gruppierung Muslim Interaktiv befassen, teilte die SPD-Fraktion am Dienstag mit. Die CDU-Fraktion hatte zuvor eine Sondersitzung des Ausschusses beantragt, die jedoch abgelehnt wurde.

„Die Polizei hat im Vorfeld intensiv geprüft, ob die Kundgebung verboten werden kann“, sagte Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, zu der Demonstration am vergangenen Samstag. Das sei rechtlich nicht möglich gewesen. Die Staatsanwaltschaft prüfe nun die strafrechtliche Relevanz von Parolen und Transparenten, die auf der Versammlung gezeigt wurden.

„Zudem haben die Verfassungsschutzbehörden die Aktivitäten und Social-Media-Auftritte von „Muslim Interaktiv“ fest im Blick und auch ein Verbot der Gruppierung wird geprüft. Daher läuft der Versuch der CDU, sich mit diesem Thema parteipolitisch zu profilieren ins Leere“, sagte er.

CDU-Fraktionschef Thering kritisierte indes, dass SPD und Grüne eine Befassung des Innenausschusses in einer Sondersitzung abgelehnt hätten. „Das war keine friedliche Demonstration, sondern eine islamistische Machtdemonstration und es ist ein Armutszeugnis, dass SPD und Grüne darüber noch nicht einmal in einer Sondersitzung des Innenausschusses diskutieren wollen“, sagte er.

Expertin hält strafrechtliche Aufarbeitung für schwierig

Die strafrechtliche Aufarbeitung der islamistischen Demonstration in Hamburg ist nach Einschätzung der Rechtsexpertin Marion Albers von der Universität Hamburg mit Hürden verbunden. Die Bewertung der gezeigten Parolen und Transparente bringe gleich mehrere Probleme mit sich, sagte die Professorin für Öffentliches Recht, Informations- und Kommunikationsrecht der Deutschen Presse-Agentur. So sei beispielsweise der Slogan „Kalifat ist die Lösung“ - wie er bei der Demo auf Plakaten zu lesen gewesen sei - nicht per se rechtswidrig.

„Sie müssen den Sinn einer Äußerung ermitteln, Sie müssen sie deuten. Und das Problem ist, dass die Äußerungen oft vielschichtig und vieldeutig sind“, erklärte Albers. Auch der Kontext müsse bewertet werden. Konkrete Straftatbestände würden jedoch von Teilnehmern extremistischer Veranstaltungen oft bewusst vermieden. „Die sind natürlich auch geschult, verwenden Codes und doppeldeutige Formulierungen.“

Zahl der gewaltorientierten Islamisten steigt in Hamburg

Die Zahl der von den Behörden als gewaltorientiert eingestuften Islamisten in Hamburg steigt. „Mit Stand Ende 2023 werden 1520 Personen als gewaltorientiert eingestuft“, heißt es in der Senatsantwort auf eine sogenannte Schriftliche Kleine Anfrage der Linken in der Bürgerschaft. Im letzten Verfassungsschutzbericht waren für 2022 noch 1450 gelistet - entsprechend gibt es nun ein Plus von knapp fünf Prozent.

Seit 2019 nahm die Zahl der gewaltorientierten Islamisten in der Hansestadt sogar um gut 13 Prozent zu. Damals waren 1345 Islamisten vom Verfassungsschutz entsprechend eingestuft worden.

Aktuell werden laut Senatsantwort im Bereich „religiöse Ideologien“ 19 Personen in Hamburg als Gefährder geführt - also als Menschen, denen die Polizei schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut. „Zehn der 19 Gefährder befinden sich derzeit entweder im In- oder im Ausland in Haft“, heißt es in der Antwort. Weitere vier halten sich demnach im Ausland auf.

Das islamistische Gesamtpotenzial in der Stadt gab der Senat mit 1840 Personen an. Im Verfassungsschutzbericht 2022 lag diese Zahl noch bei 1755 Personen.

Linken-Co-Fraktionschefin von Entwicklung besorgt

Cansu Özdemir, innenpolitische Sprecherin und Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, nannte die steigende Zahl gewaltorientierter Islamisten mehr als besorgniserregend. „Selbst wenn der Verfassungsschutz inzwischen genauer hinsieht und es dadurch auch zu höheren Zahlen kommt, müssen wir doch von einem realen Zulauf im Bereich Islamismus ausgehen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

© dpa-infocom, dpa:240501-99-874217/4

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