64 Millionen Deutsche sind an diesem Sonntag zur Wahl aufgerufen. Es gilt, 96 Mandate im Europäischen Parlament neu zu besetzen. EU-weite Spitzenkandidaten, europäische Fraktionen und nationale Parteilisten sind nur einige der verwirrenden Größen bei dieser Abstimmung. Die Europawahl wirkt kompliziert, dabei müssen Sie nur ein Kreuzchen machen. Wir erklären, was Sie sonst noch wissen müssen.
Wer wird gewählt?
Das Europäische Parlament ist die einzige Institution der EU, die direkt gewählt werden kann. Die Abgeordneten sind also die Vertreter der europäischen Bürgerinnen und Bürger.
Für die Europawahl stellen die großen Parteienfamilien erstmals nicht nur nationale, sondern auch EU-weite Spitzenkandidaten auf. Sie gelten gleichzeitig als Bewerber für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten, da das EU-Parlament seit dem Reformvertrag von Lissabon ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Kommissionschefs hat. Zuvor war das Amt von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten im Alleingang besetzt worden.
Gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union bildet das Parlament die gesetzgebende Gewalt innerhalb der EU. An drei Orten - Straßburg, Brüssel und Luxemburg - befassen sich die Abgeordneten mit Rechtsvorschriften und Richtlinien, der Kontrolle anderer EU-Institutionen sowie dem Haushalt der Union.
Das Europaparlament besteht in der kommenden Legislaturperiode aus 751 Sitzen, die unter den 28 Mitgliedsstaaten aufgeteilt werden. Die Europawahl umfasst also letztlich auch 28 getrennte Wahlen, da die Bürger mit ihrer Stimme nur Einfluss auf die Sitze haben, die ihrem jeweiligen Land zustehen. Auch das Wahlrecht unterscheidet sich von Land zu Land. Einige EU-Staaten haben etwa eine Prozenthürde für den Einzig ins Europaparlament, andere verzichten dagegen auf eine solche Klausel.
Kleine Staaten wie Malta können sechs Sitze mit ihren Abgeordneten besetzen, Deutschland als größtes Mitgliedsland stehen 96 Sitze zu. Im Parlament sind die Abgeordneten jedoch nach Fraktionen und nicht nach Staatsangehörigkeit gruppiert. Eine Fraktion im EU-Parlament entspricht in der Regel einer großen Europäischen Parteienfamilien, wie im Falle der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Europäischen Sozialdemokraten. Sie kann aber auch ein Zusammenschluss mehrerer Europaparteien sein, wie die Fraktion "Grüne/EFA", die sich aus den Europäischen Grünen Partei und der Europäischen Freien Allianz, sowie einigen Abgeordneten anderer Parteien zusammensetzt.
Wer darf wählen?
In der Bundesrepublik sind alle Deutschen wahlberechtigt, die mindestens 18 Jahre alt sind. Des Weiteren können auch Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedsstaaten in Deutschland wählen, sofern sie seit mindestens drei Monaten hier leben ( Details hier als pdf). Auch Deutsche, die in einem anderen EU-Staat wohnen, können entscheiden, ob sie in ihrem Gastland oder in der Bundesrepublik wählen wollen.
Im Gegensatz zu Ländern wie Belgien und Luxemburg, in denen gewählt werden muss, besteht in Deutschland keine Wahlpflicht.
Wie wird gewählt?
Für die Europawahl stehen in Deutschland 25 Parteien und Vereinigungen zur Wahl. Jeder Wähler hat eine Stimme. Diese vergibt er an die Liste einer Partei.
Mit Ausnahme der Deutschen Ska Keller und Martin Schulz findet man in Deutschland keine der EU-weiten Spitzenkandidaten auf dem Stimmzettel, da sie nur in ihren jeweiligen Herkunftsländern in den Kandidatenlisten auftauchen. Um sie zu unterstützen, muss der deutsche Wähler den nationalen Ableger der europäischen Partei wählen: Wer also beispielsweise Jean-Claude Juncker unterstützen will, muss demnach CDU/CSU wählen, denn es ist ihre europäische Parteienfamilie - die EVP - für die Juncker als Spitzenkandidat antritt. Vordergründig wählen die Deutschen aber nur die nationale Liste der Partei, die sie unterstützen möchten.
Die Wahl erfolgt über ein geschlossenes Listensystem, die Reihenfolge der Kandidaten ist also von den Parteien bereits festgelegt. Die Wähler haben darauf keinen Einfluss. Praktisch alle Parteien treten mit einer bundesweiten Liste an, einzig die Unionsparteien haben für die verschiedenen Bundesländer jeweils eigene Kandidaten aufgestellt.
Gesetzliche Sperrklauseln gibt es in Deutschland nicht mehr, nachdem die Dreiprozenthürde im Februar 2014 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Damit sehen viele kleinere Parteien Chancen auf einen Einzug ins Europaparlament.
Europaweit findet die Wahl vom 22. bis 25. Mai statt. Während in Deutschland am Sonntag, 25. Mai, gewählt wird, geben Briten und Niederländer bereits am Donnerstag ihre Stimmen ab.
Parallel zur Europawahl finden in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Hamburg am 25. Mai Kommunalwahlen statt.
Wie werden die Stimmen ausgezählt?
Die Europawahlen folgen in allen Mitgliedsstaaten dem Grundsatz der Verhältniswahl, das heißt die Sitze werden entsprechend ihrem Stimmenanteil an die Parteien vergeben.
In Deutschland wird nach dem Sainte-Laguë-Verfahren (auch: Divisorverfahren mit Standardrundung/Schepers) ausgezählt. Dabei wird die Zahl der erhaltenen Stimmen bei allen Parteien durch den gleichen Divisor geteilt: die Gesamtanzahl der zu vergebenden Sitze. Rundet man das Ergebnis, ergibt sich die exakte Sitzzahl der jeweiligen Partei. Voraussichtlich genügen bei der Europawahl in der Bundesrepublik bereits 0,6 Prozent der Stimmen, um einen Sitz zu gewinnen.
Die meisten nationalen Parteien schließen sich dann im Parlament noch zu Europaparteien zusammen, wie etwa der Europäischen Volkspartei oder den Europäischen Grünen. Diese bilden dann wiederum Fraktionen.
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