Euro-Rettungsschirm:Lammert empfiehlt Zwei-Drittel-Mehrheit für ESM-Abstimmung

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Bundestagspräsident Lammert geht auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung: Er will prüfen, ob die einfache Mehrheit bei der Bundestagsabstimmung über den europäischen Rettungsschirm ESM genügt. Die Opposition spottet bereits über die Verzögerungen bei der Ratifizierung.

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat angeregt, außer dem EU-Fiskalpakt auch den Euro-Rettungsschirm ESM mit Zwei-Drittel-Mehrheit zu verabschieden. Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes müsse dahingehend geprüft werden, ob der ESM eine "indirekte Verfassungsrelevanz" habe, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel am Sonntag laut Vorabmeldung.

Bundestagspräsident Lammert will prüfen, ob der ESM eine "indirekte Verfassungsrelevanz" hat. (Foto: dapd)

In diesem Fall sollte auch der ESM-Vertrag zweckmäßigerweise mit Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Die Bundesregierung hatte dagegen betont, dies sei beim ESM nicht erforderlich.

Über den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin in der EU und den Vertrag zur Einführung des dauerhaften Rettungsschirms ESM wollen Bundestag und Bundesrat am kommenden Freitag abstimmen. Der Fiskalpakt greift in die Haushaltsrechte des Parlaments ein und wird deshalb mit verfassungsändernder Mehrheit verabschiedet. Beim ESM-Vertrag ist dagegen eine einfache Mehrheit vorgesehen.

Die Frage, mit welcher Mehrheit ein Gesetz verabschiedet wurde, könnte bei den anstehenden Verfahren in Karlsruhe eine Rolle spielen. Unter anderem hat die Linke angekündigt, nach der Zustimmung der beiden Parlamentskammern vor Gericht zu ziehen. Das Verfassungsgericht hatte Bundespräsident Joachim Gauck deshalb gebeten, mit seiner Unterschrift unter die Gesetze noch zu warten.

Gabriel wirft Merkel ihr Zögern vor

Unterdessen spottet die Opposition über die Verzögerungen in der Euro-Krisenpolitik, deretwegen der ESM nicht wie geplant am 1. Juli in Kraft treten kann. "Die Bundesregierung hechelt den Ereignissen hinterher. Immer größere Rettungsschirme werden gespannt, ohne dass sich strukturell etwas ändert", kritisierte SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Passauer Neuen Presse. Der Kanzlerin warf er erneut vor, die Verabschiedung des Fiskalpakts verschleppt zu haben. "Wir haben monatelang angemahnt, dass die Kanzlerin auf die Opposition zugehen soll. Sie hat gezögert und am Ende muss alles hoppla hopp gehen, nach dem Motto: Am Abend werden die Faulen fleißig."

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir sagte zu der Verschiebung: "Das ist sehr peinlich für Frau Merkel, man hätte sich das alles sparen können. Die Verknüpfung zwischen ESM und Fiskalpakt ist ja zustande gekommen wegen Problemen innerhalb der Koalition", sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Wir hatten angeboten, den ESM deutlich früher zu beschließen." Es sei kein gutes Signal, wenn die größte Volkswirtschaft in Europa bei der ESM-Ratifizierung unter Zeitdruck komme. "Frau Merkel hat zum wiederholten Male ein 'ungenügend' vom Verfassungsgericht bekommen."

Gabriel und Trittin kündigen Zustimmung zu Fiskalpakt an

Merkel unterrichtete am Samstag die Spitzen von Koalition und Opposition in einer Telefonkonferenz über die Ergebnisse des Vierergipfels in Rom. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte mit, die europäische Wachstumsagenda und die Finanztransaktionssteuer hätten im Mittelpunkt des Gesprächs gestanden. Nach der Telefonkonferenz kündigten SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin an, dass sie ihren Abgeordneten für das Bundestagsvotum die Zustimmung empfehlen werden. Bis dahin müsse die Regierung aber noch sicherstellen, dass Länder und Kommunen von zusätzlichen Belastungen durch den Fiskalpakt freigestellt würden, sagte Gabriel.

Auch die CSU dringt weiter auf Finanzspritzen für die Kommunen. "Wenn man in Berlin stur bleiben sollte, tritt eine schwierige Situation ein", sagte der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident der Bild am Sonntag. Er verwies auf die einstimmige Forderung der Länder an den Bund, schrittweise in die Finanzierung der Eingliederungshilfen für Behinderte einzusteigen, die 13 Milliarden Euro pro Jahr ausmacht. Am Sonntagnachmittag kommen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) sowie Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) im Kanzleramt mit Vertretern der Länder zusammen, um über eine Zustimmung des Bundesrates zum Fiskalpakt zu beraten.

Die Länder werden bei dem Treffen im Kanzleramt verlangen, dass es durch den Fiskalpakt keine zusätzlichen Sparauflagen gibt und der Bund für alle Risiken haftet. Daneben geht es um die finanziellen Zugeständnisse.

© Süddeutsche.de/Reuters/dpa/dapd/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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