Europäische Union:Baerbock unzufrieden mit EU-Entscheidung

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"Das iranische Regime, die Revolutionsgarden terrorisieren ihre eigene Bevölkerung jeden Tag", mahnt Annalena Baerbock am Montag in Brüssel. (Foto: Kira Hofmann/Imago)

Die EU billigt das vierte Sanktionspaket gegen Iran, setzt aber die Revolutionsgarden nicht auf die Terrorliste. Die Bundesaußenministerin kritisiert das.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Die Europäische Union bestraft weitere Personen und Organisationen in Iran wegen des brutalen Vorgehens gegen oppositionelle Demonstranten. Allerdings sieht die Union im Moment keine Möglichkeit, die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste zu setzen.

Bei einem Treffen am Montag in Brüssel billigten die Außenministerinnen und Außenminister der 27 EU-Länder wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen ein viertes Sanktionspaket gegen Iran. Dadurch werden etwaige Vermögenswerte von weiteren gut drei Dutzend Individuen und Organisationen in der EU eingefroren, die betroffenen Personen dürfen nicht mehr in die Union einreisen. Einige der nun sanktionierten Regimevertreter sind ranghoch - etwa der Minister für Jugend und Sport oder der Anführer der sogenannten Sittenpolizei.

Die EU hat nur einzelne Kommandeure der Revolutionsgarden sanktioniert

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell stellte vor dem Treffen jedoch klar, dass die Union im Gegensatz zu den USA nicht in der Lage sei, die Revolutionsgarden als Gesamtorganisation zu einer Terrororganisation zu erklären, obwohl sie maßgeblich für die Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich ist. Diesen Schritt hatten unter anderem Deutschland und Frankreich gefordert. Das EU-Parlament hatte vorige Woche in einer Resolution ebenfalls verlangt, die Revolutionsgarden auf die Terrorliste zu setzen.

Borrell zufolge fehle dafür aber eine juristische Voraussetzung: Zu einer Terrororganisation könne die EU nur Gruppierungen erklären, die in einem Mitgliedsstaat von einem Gericht wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt worden sei oder gegen die aus diesem Grund offiziell ermittelt werde. Das ist bei den Revolutionsgarden bisher offenbar nicht der Fall. "So etwas kann man nicht ohne ein Gericht, ohne die vorherige Entscheidung eines Gerichts beschließen", sagte Borrell. "Man kann nicht sagen, ich halte dich für einen Terroristen, weil ich dich nicht mag."

Dem widersprach die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Im Iran stehe ein brutales Regime gegen das Volk, sagte sie in Brüssel. "Das iranische Regime, die Revolutionsgarden terrorisieren ihre eigene Bevölkerung jeden Tag." Die EU behalf sich am Montag damit, mehrere Kommandeure der Revolutionsgarden sowie eine Reihe regionaler Einheiten der Truppe auf die neue Sanktionsliste zu setzen. Sie alle seien für "schwere Menschenrechtsverletzungen" verantwortlich, heißt es in dem Beschluss. Der Vorwurf, Terrorakte zu verüben, wird hingegen nicht erhoben.

Diplomaten hoffen noch auf eine Wiederbelebung des Atomabkommens

Die juristischen Probleme sind allerdings wohl nur ein Grund, warum Brüssel zögert, die Revolutionsgarden pauschal zu Terroristen zu erklären. Europäische Diplomaten lassen in Gesprächen auch immer wieder durchblicken, dass sie die Hoffnung nicht aufgegeben haben, doch noch irgendwann das Atomabkommen mit Teheran wiederbeleben zu können. Durch den Vertrag soll das iranische Nuklearprogramm beschränkt und Teheran am Bau von Atomwaffen gehindert werden. Da dieses Programm unter der Kontrolle der Revolutionsgarden steht, wäre es kontraproduktiv, sie auf die EU-Terrorliste zu setzen.

Zudem kontrollieren die Revolutionsgarden einen wesentlichen Teil der Politik und der Wirtschaft in Iran. Sie zu Terroristen zu erklären, wäre ein Schlag gegen das Regime in Teheran. Es könnte darauf mit geheimdienstlichen oder paramilitärischen Aktionen in Europa oder gegen europäische Einrichtungen im Nahen Osten reagieren. Das iranische Regime hat Borrell ausdrücklich vor einem solchen Schritt gewarnt.

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