Vom EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wird, so viel ist sicher, kein Wundermittel gegen die Flüchtlingskrise zu erwarten sein. Es wird am Ende sogar, horribile dictu, in den Schlussfolgerungen nichts wesentlich Neues stehen. Stattdessen werden die Staats- und Regierungschefs einander zur "schnellen Umsetzung" des längst Beschlossenen aufrufen und weitere "entscheidende Anstrengungen" fordern. Vorsorglich dämpft man die Erwartungen in Brüssel. Man müsse eben weiterhin "dicke Bretter bohren", heißt es.
Und doch könnte es demnächst zu einem "game-changer" kommen, wie Briten sagen, zum Moment, in dem das Spiel kippt. Von negativ auf positiv in diesem Fall. Das bisherige Scheitern der EU symbolisierte der Plan, 160 000 Flüchtlinge von Griechenland und Italien in Europa zu verteilen. Er will nicht funktionieren. Nach Monaten sind erst ein paar Hundert Flüchtlinge verschickt worden, noch immer stehen nicht alle Aufnahmezentren bereit.
Stattdessen richten sich nun alle Hoffnungen auf den Deal mit der Türkei, der in Umrissen steht. Er soll schaffen, was bisher nicht ansatzweise gelungen ist: das Migrationschaos in einen geordneten, beherrschbaren Strom umzuwandeln. Die Idee ist, diesen Strom an der griechisch-türkischen Grenze abzuschneiden und stattdessen von der Türkei aus direkt nach Mitteleuropa zu lenken. Vor dem Gipfel hatten die Chefs von zwölf EU-Staaten, auch Frankreichs, darüber ursprünglich mit Premier Ahmet Davutoğlu reden wollen.
Die Kooperation mit den Türken trage schon jetzt Früchte, heißt es in Brüssel
Dieses Treffen wurde wegen des Anschlags in Ankara zwar am Mittwochabend abgesagt, man wird es aber sicher bald nachholen. Bezeichnenderweise agiert hier nicht die EU als Ganze, auch wenn die Spitzen der Brüsseler Institutionen am Tisch sitzen. Die EU hat zwar die Annäherung an Ankara eingeleitet, die Verhandlungen führten maßgeblich deutsche Emissäre, wenn auch im Beisein von EU-Beamten.
Die Kooperation mit den Türken trage schon jetzt Früchte, heißt es in Brüssel. Bei aller Vorsicht sei in den vergangenen Wochen ein Rückgang der Zahlen zu erkennen (knapp 2200 Flüchtlinge täglich waren es im Januar, nach fast 7000 im Oktober), der nicht nur am Winterwetter liegen könne. Nun komme es darauf an, den Zustand im Frühjahr stabil zu halten. "Das wäre eine Größenordnung, mit der wir umgehen können." Was die Türken machen? Stark wirkt offenbar die Visa-Pflicht, die Ankara für Syrer eingeführt hat, die auf dem Luft- und Seeweg kommen.
Dasselbe ist nun auch für Iraker in Planung, und auch Nordafrikaner sollten nach Ansicht der EU nicht mehr so leicht in die Türkei einreisen können. Daneben beseitige die Öffnung des türkischen Arbeitsmarktes für Flüchtlinge einen wesentlichen Push-Faktor Richtung EU, lobt man in Brüssel. Und auch gegen die Menschenschmuggler gehe die Türkei nun wirksamer vor, allerdings nur die Küstenwache. Nun müsse auch die Gendarmerie im Inneren des Landes mitziehen.