EU-Asylpolitik:Grünen-Mitglieder kritisieren Kurs der Parteispitze

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Wollen die Grünen inhaltlich öffnen: Annalena Baerbock und Robert Habeck. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die grüne Basis rebelliert gegen eine Verschärfung der EU-Migrationspolitik: Es sei "schwer nachvollziehbar, warum die deutsche Verhandlungsposition nicht annähernd den Inhalten des Koalitionsvertrags entspricht", heißt es in einem offenen Brief.

Bei den Grünen gibt es deutliche Kritik an den Plänen für die Reform des EU-Asylrechts - und auch am Kurs des eigenen Spitzenpersonals in der Debatte. Mehr als 700 Grünen-Mitglieder sollen einen Brief an führende Politiker der Partei unterzeichnet haben. Das berichtete der Spiegel am Montagabend. Die Parteibasis wirft ihrer Führung offenbar vor, von den Grundsätzen der Partei abzurücken.

In dem Brief heißt es: "Auch wenn die Verhandlungssituation in Brüssel sicherlich schwierig ist und wir sicher sind, dass Ihr für die Umsetzung des Koalitionsvertrags kämpft, so ist es doch schwer nachvollziehbar, warum die deutsche Verhandlungsposition nicht annähernd den Inhalten des Koalitionsvertrags entspricht."

Die Basis sei "erschüttert" über die Prioritäten der Bundesregierung, heißt es in dem Brief und zählt dann jene Maßnahmen auf, die aus Sicht vieler Parteimitglieder eine Zumutung sind: "die Ausweitung sicherer Drittstaaten, schlechterer Rechtsschutz, verpflichtende Grenzverfahren in Haftlagern und eine massive Verschärfung des gescheiterten Dublin-Systems".

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Der Brief wurde dem Bericht zufolge an Außenministerin Annalena Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Familienministerin Lisa Paus, die beiden Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour sowie die Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge geschickt. Die EU-Innenminister beraten am Donnerstag in Luxemburg über die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Es geht um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Außengrenzen geben soll.

Die Absender fordern die Parteispitze zu mehr Selbstbewusstsein in der Debatte auf

Die Bundesregierung hat sich dafür offen gezeigt, will aber durchsetzen, dass Minderjährige und Familien mit Kindern diese Verfahren nicht durchlaufen müssen. Entsprechend hatten sich auch Baerbock und Habeck geäußert. Die Außenministerin sagte, Grenzverfahren seien hochproblematisch - der EU-Kommissionsvorschlag sei aber die einzige Chance, auf absehbare Zeit zu einem "geordneten und humanen Verteilungsverfahren" zu kommen.

Die Absender des Briefs fordern die Grünen in Regierung, Bundestag und an der Parteispitze zu mehr Selbstbewusstsein in der Asyldebatte auf. "Wir erwarten nicht, dass sich die schwierige Lage in der europäischen Asylpolitik von heute auf morgen ändert. Aber wir erwarten, dass Ihr gemeinsam mit viel Rückenwind aus der Partei, Zivilgesellschaft und der Wissenschaft dazu beitragt, dass Populismus nicht in Gesetzesform gegossen wird und wir die Hegemonie in der Debatte zurückgewinnen." Unter den Unterzeichnern sind demnach die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina, die Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Astrid Rothe-Beinlich, und Grüne-Jugend-Co-Chef Timon Dzienus.

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