Erdoğans Wahlsieg:"Mich interessiert, was in Deutschland los ist"

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Anhänger des türkischen Präsidenten Erdoğan feiern dessen Wahlsieg am Sonntag in Duisburg mit einem Autokorso. (Foto: Christoph Reichwein/DPA)

In Deutschland kann sich der türkische Präsident wieder über besonders große Zustimmung freuen. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir kritisiert das - und erntet Widerspruch.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es war eine kalte Dusche für alle, die auf einen politischen Richtungswechsel gehofft hatten. Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei haben die in Deutschland lebenden Türkinnen und Türken sich erneut mit deutlicher Mehrheit für Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan entschieden.

Der Amtsinhaber kam auf 67,4 Prozent der Stimmen, als am Sonntag etwa 95 Prozent der Wahlurnen aus Deutschland ausgezählt waren, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. In der Bundesrepublik fiel die Zustimmung für den autoritär regierenden türkischen Staatschef - bei einer Wahlbeteiligung von knapp 50 Prozent - erneut deutlich höher aus als in der Türkei. Erdoğans Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu kam hier lediglich auf 32,6 Prozent der Stimmen.

Özdemir machte seiner Enttäuschung auf Twitter Luft

Die 1,5 Millionen Türkinnen und Türken, die in Deutschland zu Hause sind, sind also weiterhin in großer Mehrheit dem strukturkonservativen, auch religiös geprägten Lager zuzurechnen - auch wenn Erdoğan-Kritiker seit Jahren auf einen politischen Generationswechsel hoffen. Einer von ihnen, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, machte seiner Enttäuschung über das Wahlergebnis am Sonntagabend Luft, auf Twitter.

"Mich interessiert, was in Deutschland los ist, wo die Anhänger von #Erdogan feiern, ohne für die Folgen ihrer Wahl einstehen zu müssen", schrieb der Grünen-Politiker. In der Türkei müssten viele Menschen für dieses Votum aus Deutschland "mit Armut und Unfreiheit" bezahlen. "Darüber wird zu reden sein."

Beim Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, erntete Özdemir damit prompt Widerworte. Mit "Bashing gegenüber den Wählerinnen und Wählern" komme man nicht weiter, sagte Sofuoğlu am Montag. Die Politik müsse türkischen Menschen in Deutschland ein besseres Angebot machen, dann änderten sich auch Wahlverhalten und politische Partizipation.

Warum sich in Deutschlands türkischer Community so viele hinter Erdoğans autoritär-repressivem Weltbild versammeln, obwohl sie in einem freiheitlich-demokratischen Land leben, erklärte der Migrationsforscher Burak Çopur kürzlich im WDR mit der "Informationsblase", in der sich viele befänden. Çopur forscht am Institut für Turkistik an der Universität Duisburg-Essen zur türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland. Sie werde einerseits "massiv beeinflusst" durch AKP-Propaganda in Medien, so Çopur. Andererseits gelinge es Erdoğans Partei, Ausgewanderten ein "Wir-Gefühl" zu vermitteln, das ihnen in Deutschland fehle.

In Berlin war die Zustimmung für Erdoğan schwächer als in Essen

Allerdings zeigten sich bei der Stichwahl klare Unterschiede zwischen urbanen türkischen Wählergruppen in Berlin - und wirtschaftlich schlechtergestellten Regionen wie dem Ruhrgebiet. In Essen haben knapp 79 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme am Sonntag Erdoğan gegeben. In Berlin waren es mit rund 51 Prozent deutlich weniger, hier lag Erdoğan nur knapp vor seinem Herausforderer Kılıçdaroğlu.

Erdoğan-Fans feierten am Sonntag mit einem Hupkonzert auf dem Berliner Ku'damm. Auch in NRW rollten etliche Autokorsos los. In Dortmund soll ein Erdoğan-Fan einen Polizisten angegriffen haben, es kam zum Schlagstockeinsatz, so die Polizei. Es habe Strafanzeigen und 82 Platzverweise gegeben.

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