Energie:Forscher: Nord Stream 2-Sanktionen betreffen auch Handwerk

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Michael Sack spricht zu den Medien bei der Wahlparty der CDU in der Orangerie im Schloss. (Foto: Christian Charisius/dpa/Archivbild)

Die Sorge um wirtschaftliche Nachteile ließ nach den Sanktionsdrohungen der USA viele Firmen Abstand nehmen vom Projekt Nord Stream 2. Die Diskussionen darum, ob auch Zulieferer aus MV bedroht waren, hält bis heute an.

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Schwerin (dpa/mv) - Die Sanktionsdrohungen der USA gegen Beteiligte am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 sind nach Einschätzung des Wismarer Wirtschaftsrechtlers Professor Andreas Steininger auch eine Gefahr für Unternehmer und Handwerker in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Das habe er seinerzeit in einem Gutachten für den Ostausschuss des Bundestags zu den gesetzgeberischen US-Reaktionen auf den Bau der umstrittenen Gasleitung deutlich gemacht, sagte Steininger am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zur Aufklärung der Vorgänge um die Klimaschutzstiftung MV.

„Dieses Gesetz wäre auch eine Grundlage dafür gewesen, um den Bäcker in Stralsund, der Brötchen für die Pipeline liefert, mit zu sanktionieren“, betonte der Leiter des Ostinstituts in Wismar, das den umstrittenen Russlandtag mit aus der Taufe gehoben hatte.

Die Klimaschutz-Stiftung war Anfang 2021 gegründet worden, um die Fertigstellung der Erdgasleitung Nord Stream 2 unter Umgehung von US-Sanktionen zu ermöglichen, was auch gelang. Allerdings ging die Pipeline wegen des Vorgehens Russlands gegen die Ukraine nicht in Betrieb und wurde später sabotiert.

Allerdings blieb auch nach der Befragung der beiden Vorpommern-Landräte offen, ob neben dem Hafen Sassnitz/Mukran weitere Firmen in Mecklenburg-Vorpommern von den Sanktionsdrohungen auch direkt betroffen waren. „Ich hatte keine Gespräche mit Unternehmen, die Gefahren für sich sahen“, sagte Michael Sack (CDU) vor dem Untersuchungsausschuss. In seinem Landkreis Vorpommern-Greifswald, in Lubmin, kommt die russisch-deutsche Ostsee-Pipeline an.

Sack hatte sich nach eigenen Angaben auf Beschluss des Kreistags im November 2020 mit einem Schreiben an die Landesregierung gewandt. Dem Vernehmen nach wurden die Sanktionsdrohungen auf das Schärfste verurteilt und Bund und Land aufgefordert, sich für die Fertigstellung der Pipeline einzusetzen. Er habe hinter dem Beschluss gestanden, über die möglichen Bedrohungen einheimischer Firmen aber nur aus den Medien erfahren, sagte Sack.

Auch er sei nicht aktiv von Firmen auf die Gefahren angesprochen worden, sagte Stefan Kerth (SPD). Doch habe es auch im Landkreis Vorpommern-Rügen „eine greifbare Sorge und Empörung“ über die in einem Schreiben von drei US-Senatoren angedrohten Sanktionen gegeben. Ganz deutlich sei dies bei einem Treffen mit Beschäftigten im Hafen Mukran geworden, der als Dreh- und Angelpunkt des Pipelinebaus direkt betroffen gewesen sei.

Die Landesregierung in Schwerin hatte drohende Nachteile für Firmen in Mecklenburg-Vorpommern als wesentlichen Grund für die Gründung der umstrittenen Klimaschutzstiftung des Lands angeführt. Kritiker bezweifeln diese Argumentation und werfen der Landesregierung um Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vor, sich mit ihrem Vorgehen zum Handlanger des russischen Präsidenten Wladimir Putin gemacht zu haben, der mit den Erlösen aus Gas- und Ölexporten seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine vorbereitet habe.

Der SPD-Abgeordnete Thomas Krüger sah nach der Zeugenbefragung bestätigt, dass es massive Ängste bei Menschen und Unternehmen vor den Sanktionsfolgen der Trump-Regierung gegeben habe. „Sowohl die Gefahr von persönlichen Konsequenzen, als auch negative Folgen für unternehmerische Tätigkeiten prägten die Grundstimmung im Landkreis Vorpommern-Rügen in Bezug auf die völkerrechtswidrigen Drohungen der USA“, betonte er. Es habe die klare Erwartungshaltung von Bürgern und Unternehmen gegeben, die Sanktionsdrohungen abzuwehren und Maßnahmen zu ergreifen, um den Pipelinebau abzuschließen.

Der CDU-Abgeordnete Sebastian Ehlers hob die Rolle des von Steininger geleiteten Instituts in Wismar hervor. „Das Ostinstitut ist wichtiger Bestandteil eines Netzwerks, das über Jahre politische Vorfeldarbeit für Russland geleistet hat.“ Die Zusammenarbeit mit Ex-Regierungschef Erwin Sellering (SPD) sei stets eng und vertrauensvoll gewesen. „Zugleich fungierte das Institut als eine Art besonderes Konsulat, das der Nebenaußenpolitik von Erwin Sellering und später Manuela Schwesig den nötigen Glanz verlieh“, sagte Ehlers. Steininger hatte allerdings Darstellungen zurückgewiesen, dass die Arbeit des Instituts von Russland beeinflusst worden sei. Der SPD warf Ehlers vor, „weiterhin alte antiamerikanistische Stereotype“ zu bedienen.

Michael Meister von der AfD warf der Landesregierung vor, „Mecklenburg-Vorpommern bereitwillig wie blauäugig zu einem Stützpunkt des russischen Auslandsgeheimdienstes gemacht“ zu haben. So seien bekannte ehemalige Stasi-Leute in der Staatskanzlei ein- und ausgegangen. An einer 2018 von SPD-Landrat Kerth organisierten Podiumsdiskussion in Stralsund habe ein mutmaßlicher russischer Spion teilgenommen.

Der von der Opposition initiierte Sonderausschuss soll unter anderem klären, wie groß der Einfluss der russischen Geldgeber auf die damalige SPD/CDU-Landesregierung bei der Stiftungsgründung war. Nord Stream 2, Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Gazprom, war mit 20 Millionen Euro der größte Geldgeber für die Klimaschutzstiftung MV.

© dpa-infocom, dpa:231006-99-464535/3

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