Kampf gegen Klimakatastrophe:Europäisches Parlament blockiert Ausweitung des Emissionshandels

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Die deutsche Industrie stieß im vorigen Jahr 13 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase aus als 2022. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Rückschlag für den Kampf der EU-Kommission gegen den Klimawandel: Eine Mehrheit der Abgeordneten in Straßburg lehnt die Pläne für einen schärferen CO₂-Handel ab. Jetzt muss der Umweltausschuss einen völlig neuen Anlauf nehmen.

Von Stefan Braun, Björn Finke und Josef Kelnberger

Das dürfte sich die EU-Kommission anders vorgestellt haben. Mit einem verschärften Emissionshandel wollte sie den Umbau der EU-Volkswirtschaften auf eine CO₂-neutrale Produktion beschleunigen. Doch das Europäische Parlament hat das fürs Erste verhindert. Es konnte sich am Mittwoch nicht auf die von der Kommission vorgeschlagene Reform des EU-Emissionshandels (ETS) einigen. Während die rechten Parteien jede Ausweitung des Emissionshandels ablehnen, ging der vorliegende Plan den Grünen und den Sozialdemokraten nicht weit genug. Im Ergebnis bedeutet die Ablehnung, dass der Umweltausschuss des Parlaments einen neuen Vorschlag erarbeiten muss.

Im Emissionshandel müssen etwa Teile der Industrie oder Stromproduzenten für den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen wie Kohlendioxid (CO₂) bezahlen. Geplant war unter anderem die Ausweitung des Systems auf weitere Branchen - mit Ausnahmen für private Haushalte - sowie eine schnellere Reduktion von den vom ETS abgedeckten Emissionen.

Während die rechten Parteien im EU-Parlament den Kommissionsvorschlag als viel zu weitreichend ablehnten, war es bei den Grünen und bei vielen Sozialdemokraten genau umgekehrt: Ihnen war der Vorschlag nicht ehrgeizig genug. Damit war eine Mehrheit für den Vorschlag unmöglich geworden. Nur EVP und die Liberalen hatten ihn unterstützt. Das Gesetz wurde zurück an den Umweltausschuss verwiesen, um einen neuen Kompromiss zu finden, der von einer Mehrheit getragen werden kann.

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"Ich halte das für eine Schande", sagte der Abgeordnete Peter Liese (CDU), der für die Verhandlung des Dossiers im EU-Parlament zuständig ist. Harsche Kritik übt Liese an Grünen und Sozialdemokraten, die "ihrer Verantwortung für Klimaschutz nicht gerecht geworden" seien. Der Vorschlag, den Liese mit anderen erarbeitet hatte, hätte nach seiner Einschätzung den Kommissionvorschlag an vielen Stellen verschärft und also mehr Klimaschutz bedeutet. "Ich finde es wirklich unanständig und hoffe, dass wir den Fehler korrigieren können." Persönlich glaube er, dass der Ministerrat zu all den strittigen Punkten sinnvolle Kompromisse finden werde. Aber für das Parlament sei das Scheitern schade.

SPD: Ein schwarzer Tag

Enttäuscht zeigte sich auch die harsch kritisierte SPD. Ihr Europaabgeordneter Tiemo Wölken, klimapolitischer Sprecher der Fraktion, erklärte unmittelbar nach der Abstimmung: "Heute ist ein schwarzer Tag für die Klimaanstrengungen des Europäischen Parlaments. Die christdemokratische EVP habe mit den rechten Parteien versucht, den Kommissionsvorschlag zu verwässern, wo es nur möglich war: "durch die Abschwächung der Ambitionen einerseits und durch das Festhalten am Status Quo andererseits". Auf diese Weise sei versucht worden, den Europäischen Green Deal zu sabotieren. "Das ist für uns nicht verhandelbar, daher hat unsere Fraktion gegen den Bericht gestimmt."

Die Abstimmung ist eine von mehreren in Straßburg über wichtige Teile des "Fit for 55"-Klimapakets der EU-Kommission. Es zielt darauf ab, klimaschädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Damit die Gesetze des Pakets in Kraft treten können, müssen sowohl das Parlament als auch die EU-Länder zustimmen.

Schon im Vorfeld hatten prominente außerparlamentarische Kritiker einer zu laschen Klimapolitik vor einem Scheitern gewarnt, darunter auch der Word Wildlife Fund für Nature (WWF). Die Nichtregierungsorganisation hatte am Dienstag eine grundlegende Reform des EU-Emissionshandels gefordert und dazu aufgerufen, Treibhausgase bis 2030 um möglichst 70 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 zu senken. "Das Emissionshandelssystem muss jetzt ambitioniert reformiert werden, damit es endlich die richtigen Preissignale zur Treibhausgasreduktion setzt und der Industrie die notwendige Planungssicherheit bietet", sagte Viviane Raddatz vom WWF Deutschland. Zugleich betonte sie, dass die Pläne der Kommission im Parlament auf keinen Fall scheitern dürften. Genau das aber ist jetzt erstmal geschehen.

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