Elterngeld versus Betreuungsgeld:Mit taktischer Finesse gegen die "Herdprämie"

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Muss das Elterngeld gesenkt werden, wenn das Betreuungsgeld eingeführt wird? Eine entsprechende Meldung kursierte heute in einigen Medien - und wurde von Familienministerin Schröder umgehend dementiert. Aber wer lancierte die Falschmeldung? Und warum?

Claus Hulverscheidt

Zum unabdingbaren Rüstzeug des modernen Erfolgspolitikers zählt die Fähigkeit, über Bande zu spielen. Gern genutzt wird diese taktische Finesse vor allem dann, wenn jemand eine Idee in die Welt setzen - oder auch diskreditieren - möchte, selbst mit der Angelegenheit aber nicht in Verbindung gebracht werden will.

Ungeliebte Förderung für Familien: Ministerin Kristina Schröder legt nicht viel Wert auf das Betreuungsgeld. (Foto: Getty Images)

Um den Doppelpass hinzubekommen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder weiht der Spieler einen geeignet erscheinenden Sportskameraden ein und schiebt ihm den Ball bewusst zu, oder aber er schießt den nichts ahnenden Kollegen einfach an und nimmt die zurückprallende Kugel wieder auf.

Ein Musterbeispiel für dieses Spiel über Bande ließ sich an diesem Mittwoch besichtigen. Gegen Mittag meldete eine Nachrichtenagentur unter Berufung auf die Wochenzeitung Die Zeit, es gebe im Bundesfinanzministerium Überlegungen, das Elterngeld drastisch zusammenzustreichen.

Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer habe in einer Abstimmungsrunde aller Ministerien erklärt, die Kosten der Leistung müssten von heute fast fünf auf etwa drei Milliarden Euro gesenkt werden, weil anderenfalls das von der Koalition geplante Betreuungsgeld nicht zu finanzieren sei. Letzteres ist eine neue Leistung für diejenigen Eltern, die keine öffentlichen Betreuungsangebote für ihre Kinder in Anspruch nehmen. Kritiker sprechen von einer "Herdprämie" für Mütter.

Dumm nur, dass sich im Finanzministerium niemand an eine solche Abstimmungsrunde erinnern kann. Mehr noch: "Der Haushaltsstaatssekretär macht den Fachressorts keine Vorschriften dieser Art", sagt ein Regierungsvertreter, und ein anderer ergänzt: "Wie eine neue Leistung finanziert wird, muss entweder das zuständige Ressort oder der Koalitionsausschuss entscheiden." Das Familienministerium bestritt jedoch umgehend, dass Kürzungen geplant sind.

Dunkle Quelle des Gerüchts

Wie aber ist die Meldung in die Welt gekommen? Um wenigstens in die Nähe einer Antwort zu gelangen, lohnt es sich nachzuforschen, wer ein Interesse an ihrer Veröffentlichung haben könnte. Da wäre zunächst Familienministerin Kristina Schröder (CDU), die das Elterngeld für sinnvoll, das insbesondere von der CSU verlangte Betreuungsgeld hingegen für absolut verzichtbar hält.

Durch den Verweis auf die hohen Kosten und die möglichen Auswirkungen für das Elterngeld ließe sich - so das denkbare Kalkül - die neue Sozialleistung diskreditieren. Aus exakt der gleichen Motivation heraus könnte auch die FDP-Führung hinter der Zeitungsmeldung stecken, die nie einen Hehl aus ihrer Aversion gegen das Betreuungsgeld gemacht hat.

Schließlich und endlich bleibt die Möglichkeit, dass der Ball zwar nicht von Gatzer, wohl aber von einem anderen ranghohen Vertreter des Finanzministeriums abgefeuert wurde. Hausherr Wolfgang Schäuble (CDU) nämlich fremdelt sowohl mit dem Betreuungs- als auch mit dem Elterngeld: Ersteres hält auch er für überflüssig, letzteres zumindest für viel zu teuer. Beide Botschaften kamen in der Zeitungsmeldung auch zum Ausdruck.

Deren Quelle allerdings blieben am Mittwoch zunächst im Dunkeln: Alle in Frage kommenden Verdächtigen dementierten, mit der Sache zu tun zu haben.

© SZ vom 09.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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